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Legitim, aber nicht legal

Piacenza, 24. März 1999, 19.00 Uhr. Vom Fliegerhorst der italienischen Luftwaffe aus starten zum ersten Mal in der Geschichte Bundeswehr-Kampfflugzeuge in einen Einsatz. Um 20.00 Uhr sollten die Luftoperationen, wie es damals hieß, über dem Kosovo beginnen. Aufgabe der Bundeswehr-Tornados war es, das gegnerische Luftabwehrradar zu identifizieren und zu unterdrücken.

Von Rolf Clement | 23.03.2009
    Die deutschen Flugzeuge bildeten damit die Spitze der Flugzeuggruppe, die in den Luftraum des Kosovo, später auch von ganz Jugoslawien eindrang. Da der Start der Flugzeuge in Piacenza live im Fernsehen übertragen wurde, konnte sich die serbische Armee ausrechnen, wann diese im eigenen Luftraum ankommen würden. Das bedeutete ein erhöhtes Risiko für die NATO-Flieger. Um so erleichterter waren die Verantwortlichen, damals noch in Bonn, als die Tornados unbeschadet wieder in Italien ankamen.
    Nach langen und zähen Bemühungen, die von den Serben praktizierte Vertreibung der Kosovo-Albaner zu verhindern, hatte der NATO-Rat am 30. Januar 1999 den Generalsekretär der Allianz, damals der Spanier Javier Solana, ermächtigt, den Einsatz der Kampfflugzeuge gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien anzuordnen. In der NATO galt und gilt das Einstimmigkeitsprinzip, das heißt, dass alle Mitglieder der Allianz diesem Beschluss zugestimmt haben müssen. Damals bestand die NATO noch aus 18 Mitgliedstaaten. Die ersten Beitritte ehemaliger Warschauer Pakt-Staaten wurden erst einige Wochen später, am 11. März vollzogen. Javier Solana am 30. Januar:

    "Wir sind bereit, den ganzen Weg durch den Kanal zu unterstützen, der geöffnet wurde durch die Kontaktgruppe in London. Wir sind bereit, zu handeln, wenn die Parteien nicht in der Lage sind, ein Abkommen zu erreichen. Dies ist die letzte Chance. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, die Parteien aufzurufen, an den Verhandlungen teilzunehmen, und in gutem Willen fair zu verhandeln, um diese Tragödie zu lösen, die da sehr nahe an unserer Haustür abläuft."

    Der Beschluss des NATO-Rates hatte eine doppelte Funktion: Nachdem schon in den Monaten zuvor Politiker aus NATO-Staaten Drohungen gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic ausgesprochen hatten, glaubte die NATO nun, dem gespitzten Mund den ersten Pfiff folgen lassen zu müssen. Die Drohkulisse musste glaubhaft bleiben. Zum anderen wurde Milosevic so die Ernsthaftigkeit der Lage verdeutlicht. Und tatsächlich war die Folge, dass sich Serben, Kosovo-Albaner und Vertreter der sogenannten Kontaktgruppe im französischen Rambouillet zu Friedensverhandlungen trafen. Zur dieser Gruppe gehörten die USA, Russland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland. In Rambouillet kam es zu keiner Einigung.
    Die Verhandlungen scheiterten, als US-Außenministerin Madeleine Albright vorschlug, dass nach drei Jahren die Kosovaren eine Volksabstimmung zur endgültigen Regelung ihres Status durchführen sollten. Der Ausgang dieses Referendums wäre klar gewesen: Die albanische Mehrheit im Kosovo hätte für die Unabhängigkeit der Provinz votiert, so wie sie es schon 1991 in einer selbst initiierten Abstimmung getan hatte. Ob dies der Grund für das Scheitern der Verhandlungen war oder ein Vorwand für die Serben, das Abkommen, das den Albanern ein hohes Maß an Autonomie geben sollte, nicht unterschreiben zu müssen, ist unklar geblieben.
    Die Krise im Kosovo, die in den Krieg führte, hat historische Wurzeln. Schon seit Jahrhunderten strebten die Albaner im Kosovo nach Unabhängigkeit, aber im Wesentlichen wurde sie ihnen verwehrt. Das Kosovo hatte seit der Verfassung von 1974 eine relativ große Autonomie innerhalb des titoistischen Jugoslawien genossen. Milosevic hob 1989 diese Klausel wieder auf. Nachdem Slowenien und Kroatien sich in den 90er Jahren von Jugoslawien lossagten, was die jugoslawische Führung nicht verhindern konnte, wurden auch im Kosovo die Rufe nach Unabhängigkeit immer lauter.
    Aber das war für Serbien inakzeptabel. Zu viele historische Emotionen der Serben waren mit diesem Gebiet verbunden. Vor allem das im Kosovo liegende Amselfeld hat für die Serben einen hohen symbolischen Wert. Diese Region aufzugeben, war für den serbischen Präsidenten nicht denkbar. Slobodan Milosevic orakelte 1989 in Erinnerung an die historische Schlacht, die 600 Jahre zuvor auf dem Amselfeld geschlagen wurde, dass weitere Schlachten folgen würden. Diese Verheißung sollte er einige Jahre später selbst erfüllen.
    Im Kosovo lebten über 90 Prozent Albaner und kaum zehn Prozent Serben. Trotzdem besetzten Serben die Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Albaner akzeptierten das nicht. So entstand mit der Zeit eine illegale albanische Nebengesellschaft. Es existierte zum Beispiel in Pristina eine albanische Untergrunduniversität.

    Aber es gab auch militante Kämpfer der sogenannten UCK, die immer wieder Gewalt einsetzten, um ihre albanischen Interessen in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie radikalisierte die Lage von Seiten der Albaner, während die Belgrader Armee immer mehr zu einer Kampftruppe der Serben wurde. Gemäßigte Kräfte verloren zunehmend an Einfluss, nur der charismatische Albaner-Führer Ibrahim Rugova verfügte noch über eine gewisse Autorität auf beiden Seiten.
    Mitte 1998 kontrollierte die UCK fast 40 Prozent des Kosovo. Das wollte die Belgrader Armee nicht hinnehmen und griff ein. Damit löste sie eine große Fluchtbewegung im Kosovo aus. Nicht nur die Nachbarländer, auch und vor allem Italien und Deutschland wurden zu Zielländern der Flüchtlinge. Damit geriet die Entwicklung im Kosovo endgültig auf die internationale Tagesordnung. Im Auftrag der Kontaktgruppe verhandelten der US-Diplomat Richard Holbrooke und als Emissäre der NATO der Oberbefehlshaber General Wesley Clark sowie der Vorsitzende des Militärausschusses General Klaus Naumann mit Milosevic. Schon damals machte Naumann eine Bunkermentalität in Belgrad aus. Trotzdem erreichte man ein Abkommen, nach dem die serbische Armee aus dem Kosovo abziehen sollte.
    In das dadurch entstandene Vakuum rückte allerdings die UCK wieder ein, die mit Gewalt gegen Serben agierte. Erneut griff die serbische Armee ein und vertrieb die Kosovo-Albaner. Im Januar 1999 kam es während der Auseinandersetzung zwischen serbischer Armee und UCK zum Massaker von Racak. 40 Kosovo-Albaner wurden dabei getötet - waren es von den Serben getötete Zivilisten oder UCK-Kämpfer? Das wurde letztlich nie geklärt. Klaus Naumann und Rudolf Scharping resümieren heute:
    Naumann: "Ich glaube, ein sehr starker Faktor war das sogenannte Massaker von Racak, das sicherlich deutlich machte, dass man Wege suchen muss, um diesem Vorgehen der Serben ein Ende zu setzen, wobei ich auch dazu sagen muss, auch manches, was die UCK gemacht hat, entspricht nicht den Standards europäischen Rechtsgebarens."

    Scharping: "Das hat eine Rolle gespielt in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Emotion, die in der Politik ja auch eine Rolle spielt, und in dem nüchternen Urteil, dass wir über die Verhandlungen am Ende des Tages keine wirkliche Gewähr dafür bekommen würden, dass es zu einem Ende von Vertreibung und Mord kommt."
    Parallel zu den Entwicklungen im Kosovo wurden in der Staatengemeinschaft die Grundlagen für ein Eingreifen geschaffen, so auch in Deutschland. Bereits im Oktober 1998 stimmte der Deutsche Bundestag einem möglichen militärischen Eingreifen zu. In Deutschland fiel dieser Bundestagsbeschluss in die Zeit zwischen der Bundestagswahl, die damals die rotgrüne Koalition gewonnen hatte, und dem Zusammentritt des neuen Bundestages. Es war eine ungewöhnliche politische Situation: Formal waren noch die alten Mehrheiten, also eine Mehrheit aus Union und FDP, im Amt. Diese hatten die Entscheidung vorbereitet. Aber die künftige Mehrheit aus SPD und Grünen waren in diese Politik eingebunden. Der damals designierte Verteidigungsminister Rudolf Scharping erinnert sich heute:

    "Zwischen der Bildung der neuen Regierung und der Bundestagswahl waren einige Entscheidungen zu treffen, die Gott sei Dank einvernehmlichen zwischen ausscheidender und neu hereinkommender Regierung getroffen werden konnten, auch im Parlament, da gab es ja eine Debatte und eine entsprechende Entscheidung. Wenn man militärische Maßnahmen androht, um Menschen vor Vertreibung und Schlimmerem zu schützen, dann muss man auch handeln. Allerdings: Wir haben uns intensiv bemüht, der Bundesaußenminister, der Bundeskanzler, der Verteidigungsminister, dies ist dann leider nach wochenlangen Verhandlungen gescheitert. Und dann war das eigentlich ein fast automatisierter Ablauf."
    In dieser Zwischenphase reisten der designierte Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem designierten Außenminister Joschka Fischer und dem SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen zu US-Präsident Bill Clinton, um sich mit ihm abzusprechen. In einer ZDF-Sendung berichteten Fischer und Verheugen rückblickend über diese Phase:

    Verheugen: "Am Sonntagabend klingelte bei mir das Telefon, es war Ben Wendland am Apparat, europapolitischer Berater von Clinton, der sagte, er kam gerade aus einer Sitzung im Oval Office, Holbrooke war da, Madeleine Albright und andere. Holbrooke sagte, er kriegt den Milosevic auf Linie, wenn klar ist, dass die NATO-Drohung ernst ist, und solange die Deutschen nicht mitmachen, ist die NATO-Drohung nicht ernsthaft, er glaubt das nicht."

    Fischer: "Sodass kaum, als wir gelandet waren, das, was Schröder und Clinton vereinbart hatten, nicht mehr galt, und wir vor der Situation standen, sozusagen Bestandteil der Drohkulisse zu werden, und die konnte schief gehen, das heißt es konnte ernst werden. Das war eine ganz, ganz schwierige Entscheidung, und ich hatte keine Möglichkeit, mich mit meiner Partei zurückzukoppeln."
    Bei den Grünen wurde die Zustimmung zu diesem ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr besonders hart diskutiert. Die Wellen schlugen hoch. Im Bundestag kam es hingegen zu einer Debatte, in der sich scheidende und künftige Mehrheit einig in der Zustimmung waren. Der Grüne Ludger Vollmer sah sich in einem Dilemma:

    "Es kann keinen Zweifel daran geben, dass es überfällig war, den boshaftesten Despoten in Europa, der Krieg gegen sein eigenes Staatsvolk führt, es entwurzelt, in die Wälder treibt und ermorden lässt, in seine Schranken zu weisen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Es kann aber auch nicht bezweifelt werden, dass eine notwendige völkerrechtliche Ermächtigung zum Eingreifen der NATO nicht gegeben ist."
    Gegner des Eingreifens außerhalb des Bundestages drohten gar mit Strafanzeigen, weil sie im Kosovo-Krieg einen verbotenen Angriffskrieg sahen. Der designierte Außenminister Fischer von den Grünen im Bundestag:

    "Das Problem ist doch nicht nur die humanitäre Katastrophe, so schlimm sie ist. Das Problem ist, dass von der Politik der Bundesrepublik Jugoslawien, von der Politik Milosevics, ich sage nicht: vom serbischen Volk, sondern von der Politik Milosevics eine dauerhafte Kriegsgefahr in Europa ausgeht, und diese Kriegsgefahr können wir nicht hinnehmen, das ist der entscheidende Punkt."
    Der Bundestag stimmte dem ersten Kriegseinsatz von Bundeswehrsoldaten zu, in der Ära einer rot-grünen Regierung. Später, im Frühsommer 1999, sah sich die Grünen-Führung auf einem Parteitag mit einem Antrag auf ein sofortiges Ende der Luftoperationen konfrontiert. Außenminister Fischer wurde von einem Kriegsgegner mit einem Farbbeutel beworfen. Trotzdem kämpfte er für seine Politik:

    "Ich sage Euch: Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt eine einseitige unbefristete Einstellung der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal. Milosevic würde dadurch gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt, damit das klar ist."

    Am 24. März gab Generalsekretär Solana den Einsatzbefehl für die NATO-Luftwaffen - eigentlich zu einer "Mission impossible" wie sich Klaus Naumann in der Rückschau erinnert:
    "Mir war wirklich von der ersten Minute an klar, dass man mit Luftkrieg allein dies nicht erfolgreich zu Ende führen kann - und ich habe das auch vor der Operation öffentlich gesagt."
    Doch ein Bodenkrieg wurde trotz einiger Vorstöße - vor allem aus Großbritannien - in der NATO nicht ernsthaft in Erwägung gezogen,

    "weil wir keinen Konsens im NATO-Rat erreichen konnten, und vor der Alternative stehend gar nichts zu tun und zuzusehen, wie mehr als eine Million albanischstämmige Kosovaren vertrieben würden oder gar schlimmeres ihnen passieren würde, haben wir gesagt, dann müssen wir es eben mit den Luftmitteln versuchen und hoffen, dass wir ein Ergebnis erreichen können."
    War dieser Krieg völkerrechtlich legitimiert? Es existierte zwar eine Reihe von UN-Resolutionen, in denen die Volksgruppen im Kosovo zu einem friedlichem Miteinander aufgefordert worden waren. Aber für eine Gewaltanwendung wäre eine separate UN-Resolution nötig geworden. Russland und China, das wurde schon bei den Konsultationen im Vorfeld einer möglichen Beschlussfassung klar, hätten durch ihr Veto ein solches Eingreifen nicht sanktioniert. Für Klaus Naumann war das schon ein Grund, sich Gedanken zu machen:

    "Wir leben ja schließlich in Zeiten, in denen es einen Internationalen Gerichtshof gibt. Wenn man auch als Soldat politische Weisungen ausführt, muss dennoch die Frage stellen, ob das rechtmäßig ist. Wir haben versucht, zu eruieren, ob wir ein Mandat der Vereinten Nationen bekommen. Wir sahen das angesichts der Haltung Russlands vor allem als nicht möglich an. Möglicherweise hätte man den Versuch machen sollen, es formal zur Abstimmung zu stellen. Aber vor dem Hintergrund der wirklich sehr deutlichen Mehrheit im NATO-Rat mit damals 16 Nationen, die haben einhellig zugestimmt, dass der Versuch gemacht werden soll, Jugoslawien auf den Weg der Vernunft zu zwingen, haben wir dann gesagt, was später auch eine schwedische Kommission feststellte: Das ist legitim, wenn es auch nicht ganz legal gewesen sein mag."

    Und Rudolf Scharping konstatiert im Rückblick:

    "Ich kenne die Einwände, ich kenne die Argumente, ich glaube nicht, dass es ein durchschlagendes Argument völkerrechtlicher Art gegen den Einsatz der NATO gibt. Wenn man das aber behauptet, dann müsste man abwägen, ob nicht die Vereinten Nationen mit ihrer Juni-Resolution zur Beendigung des Konfliktes einen möglicherweise behaupteten Mangel dann nicht auch gleich geheilt haben."
    Mit dieser Resolution wurde auch jene Truppe eingesetzt, die unter den Namen KFOR in das Kosovo einrückte. Diese Kosovo-Force sollte den Wiederaufbau in der Region begleiten. Doch war die Staatengemeinschaft auf solch eine Aufgabe noch gar nicht vorbereitet. Der NATO-General Klaus Naumann:
    "Wenn man in eine solche Situation hineinkommt, dann muss man auch die Mittel haben, unmittelbar nach den Kampfhandlungen die volle Administration, das volle zivile Leben, einer Provinz oder eines Staates durch ausländische Kräfte zu regeln. Man braucht also so etwas wie - im Englischen sagt man dazu - "constabluary forces, die Administration, Gerichtsbarkeit, Polizei - alles - übernehmen können, wofür wir Soldaten eigentlich nicht da und im Grunde nicht geeignet sind."
    Außerdem geriet die KFOR mit ihrer Mission in eine politisch schwierige Lage. Auf der einen Seite sollte die NATO-Truppe den Aufbau des Kosovo als Provinz Serbiens gestalten, zum anderen wurden durch diesen Aufbau de facto genau jene Strukturen aufgebaut, die für einen unabhängigen Staat gebraucht werden. Politisch nahm damit der Druck zu, die Unabhängigkeit auszurufen. Bei den Wahlen im Kosovo hatten ohnehin nur Parteien eine Chance, die für die Loslösung von Serbien eintraten. Aber bei Kriegsausbruch war dies keine Perspektive. Rudolf Scharping:
    "Das war nicht das Ziel, es hat sich wohl entwickelt, auch, weil verschiedene unvorhersehbare Umstände eingetreten sind."

    Klaus Naumann stimmt dem zu, aber:
    "Wir hatten zunehmend die Sorge, dass es bilaterale Zusicherungen der USA an die Kosovo-Unabhängigkeitbewegung geben könnte, aber wir haben keine Belege dafür gehabt, das war nur eine Vermutung."

    Ibrahim Rugova, 2002 zum provisorischen Präsidenten des Kosovo gewählt, trat für die Unabhängigkeit ein, pflegte aber bis zu seinem Tode im Frühjahr 2006 weiter Verbindungen nach Belgrad und trug damit zur Entschärfung der Lage bei. Nach seinem Tod entstand ein Vakuum - die jetzt Handelnden betrieben die Unabhängigkeit aktiv und riefen sie im vergangenen Februar auch aus. Seither ringt das neue Land um internationale Anerkennung, die inzwischen von den meisten EU-Staaten gewährt wurde.
    Besteht das Risiko neuer Unruhen? Der Chef des Stabes im NATO-Hauptquartier Operationen, Karl-Heinz Lather, heute zuständig für den NATO-Einsatz im Kosovo, sieht die Entwicklung nicht ohne Sorge:
    "Ich kann das nicht ganz ausschließen. Aber wir sind im Kontakt mit Serbien, ich denke politisch wie auch militärisch, 'à la longe' wird sich das, glaube ich, positiv entwickeln. Das wäre meine Prognose, weil die Kosovaren selbst nach mehr Sicherheit, mehr Ruhe, mehr Arbeit streben und weil Serbien sich, glaube ich, als Gesamtstaat in Richtung Europa und NATO, also in die Westintegration, entwickelt. Und das wird sicherlich mithelfen, zu vernünftigeren Zuständen und zu besser ausbalancierten Zuständen im Kosovo zu kommen."
    Im Norden des Kosovo lebt eine serbische Mehrheit. Dort bilden sich nun serbische Parallelstrukturen. Aber insgesamt kommt Lather zehn Jahre nach dem Krieg und ein Jahr nach der Erklärung der Unabhängigkeit zu einer vorsichtig positiven Lagebeurteilung:

    "Die Lage ist überwiegend stabil im Kosovo, auch der Sicht des Militärischen ohnehin, aus Sicht der Sicherheit auch, aber sie ist noch nicht unumkehrbar stabil."