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Lehren aus dem Beinahe-Blackout

Vor einem Jahr ist Baden-Württemberg nur knapp an einem flächendeckenden Strom-Blackout vorbeigeschrammt. Die Gründe: ein kalter Winter, Engpässe bei der Gasversorgung und fehlende Transportkapazitäten für den Windstrom aus dem Norden. Seitdem haben Netzbetreiber und Landesregierung viele Weichen gegen einen Blackout gestellt.

Von Michael Brandt | 31.01.2013
    Auch wenn das vor einem Jahr, im Februar 2012 keiner laut sagen wollte. Es war knapp. Es hätte nicht viel gefehlt, und es wäre in Süddeutschland zu einem Blackout, zu einem flächendeckenden Stromausfall gekommen. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen:

    "Wir hatten eine angespannte Situation. Der Grund war, dass mehrere Faktoren zusammengekommen sind. Erstens, dass wir über mehrere Wochen hinweg in ganz Mitteleuropa eine extreme Kälteperiode hatten."

    In der Folge davon kam zweitens 30 Prozent weniger Gas aus Russland nach Süddeutschland:

    "Drittens, dass wir hier systemrelevante Kraftwerke hatten, in dem Fall in Karlsruhe der Block RDK 4, der einen unterbrechbaren Liefervertrag hatte, der angeschaltet werden musste."

    Die Situation war jedenfalls so, dass sich alle, die in Baden-Württemberg mit Energie zu tun haben, wünschen, dass sie sich nicht wiederholt.

    Und tatsächlich herrscht ein Jahr danach weitgehende Einigkeit, dass seitdem wichtige Weichen gestellt sind, die das verhindern.

    Das sagen so unterschiedliche Menschen wie Matthias Wambach, Geschäftsführer des Verbandes Energie- und Wasserwirtschaft Baden--Württemberg:

    "Aus Schaden wird man klug und deswegen haben wir da auch sofort gehandelt."

    Und Christof Timpe, Energieexperte beim Ökoinstitut in Freiburg:

    "Ich glaube, man kann sagen, dass ein Blackout im Stromsystem in diesem Winter wesentlich weniger wahrscheinlich ist, als das im vergangenen Jahr der Fall war."

    Umweltminister Untersteller schließlich erklärt, dass zunächst ganz einfach mehr Kraftwerke als vor einem Jahr betriebsbereit sind und dass ihre Versorgung mit Gas sicherer ist:

    "Wir haben eine höhere Reservehaltung als im letzten Jahr. Im letzten Jahr waren es so um die 1700 mW, in diesem sind es 2600. Wir haben den Block in Mannheim mit GKN3 wieder zur Verfügung und wir haben den unterbrechbaren Vertrag mit Karlsruhe umgewandelt in einen nicht unterbrechbaren."

    Verbandsgeschäftsführer Wamsbach berichtet, dass nach dem Februar 2012 zunächst mal eine Analyse gemacht wurde, was schiefgelaufen war:

    "Und da war klar, dass wir erstens ein Transportkapazitätsproblem haben in Süddeutschland, nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Bayern. Und was sehr deutlich geworden ist, dass es eine unmittelbare Korrelation zwischen Stromversorgung und Gasversorgung gibt. Schlappt die Gasversorgung, schlägt das unmittelbar durch auf die Stromversorgung. Das war bislang so in diesem Ausmaß nicht klar."

    Um die Sicherheit der Gasversorgung zu sichern, seien daher zusätzlich zu den besseren Verträgen für das Karlsruher Kraftwerk wieder sogenannte abschaltbare Verträge mit industriellen Großverbrauchern abgeschlossen worden. Der Deal ist -- kurz gesagt -- dass sie das Gas billiger bekommen, wenn ihnen in knappen Zeiten die Zufuhr abgedreht werden kann. Für diesen Fall müssen dann Heizöl bevorraten und die eigenen Kraftwerke damit betreiben. Diese Verträge waren früher gang und gäbe, wurden dann aber durch die EU gestoppt.

    "Und die Landesregierung hat hier auf unsere Initiative hin im vergangenen Jahr sehr schnell gehandelt und es wieder ermöglicht, in Baden-Württemberg Abschaltvereinbarungen abschließen zu können und letztlich auch das Energiewirtschaftsgesetz auch bundesweit zu ändern, sodass auch bundesweit wieder Abschaltvereinbarungen wieder möglich sind. Das ist ein großes Potenzial, was eben in Versorgungskrisensituationen dann auch eingesetzt werden kann."

    Die Gesetzesänderung sei seit Mitte Dezember 2012 durch und bereits Anfang Januar lagen aus der baden-württembergischen Industrie 69 Anträge auf solche Abschaltverträge vor - im Ergebnis heißt das, dass die privaten Kraftwerke in der Industrie in Engpasssituationen das allgemeine Gasnetz entlasten.

    Schließlich sei die Kommunikation zwischen den Netzbettreibern verbessert worden, unter anderem durch einen Handlungsleitfaden zwischen Fern- und Verteilnetzbetreibern.

    Umweltminister Untersteller fügt hinzu, dass in den kommenden beiden Jahren zwei weitere große konventionelle Kraftwerksblöcke in Karlsruhe und Mannheim ans Netz, was die Versorgungssicherheit noch weiter verbessert, sodass Süddeutschland bis mindesten bis 2015 auf der sicheren Seite ist.