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Lehrreiches Diebesgut

Sie sind unentbehrlich für das Studium: Bücher aus der Universitätsbibliothek. Doch werden sie auch immer wieder gestohlen. Lehrbücher sind teuer, und Diebe versprechen sich ein gutes Geschäft. Der Bücherklau ist inzwischen ein Posten, den die Hochschulen fest in ihre Kalkulation einplanen. Im Durchschnitt gehen die Universitäten von einem Prozent Schwund im Jahr aus. Verkauft werden die Bücher dann auch übers Internet.

Von Hilde Braun | 21.02.2007
    " Es ist schon einmal vorgekommen, dass ein Buch einfach nicht auffindbar war, da bin ich vorne zur Kasse gegangen habe gesagt: Laut Katalog gibt's das. Ja, steht es nicht im Regal? Dann muss es weggekommen sein. Dann wird es im Katalog markiert, dass es weg ist und das ist dann Pech "

    Lars Kreilkamp studiert Physik an der Universität Dortmund. Dass Bücher verschwinden, kommt immer wieder vor. Jetzt hat ein Dieb in Dortmund im großen Stil zugeschlagen. Dabei hat er sich vor allem auf teure Mathematikbücher spezialisiert. Norbert Gövert ist stellvertretender Leiter der Hochschulbibliothek:

    " Man konnte noch feststellen, dass mindestens 750 Ebay-Benutzer bei dem Bücherdieb gekauft haben, das ist sicherlich nur die Spitze des Eisbergs, darüber hinaus wurden noch etwa im Umfang von 600 Bänden bei dem geständigen Dieb gefunden. "

    Sylvia Lippert arbeitet in der Bereichsbibliothek für Mathematik und Statistik, dort hat der Dieb zugeschlagen und circa 25 Bände gestohlen, die Bücher hat er quasi unter ihren Augen weggetragen.

    " Man muss sich auch davor hüten, andere zu verdächtigen. Man guckt dann Leute an, war der schon mal hier, wie ist der gekleidet und dabei käme es zu schnell zu falschen Verdächtigungen, und das darf man auf gar keinen Fall machen. "

    Doch es sind nicht nur die großen Diebesfälle, die den Hochschulen Sorgen machen. In Dortmund kommen jedes Jahr 500 Bücher weg. Die Universität Stuttgart geht von einem Prozent ihres Bestandes pro Jahr aus. In München wurden in der Fachbibliothek Theologie-Philosophie im vergangenen Jahr insgesamt 40 Bücher vermisst. Beliebtestes Diebesgut ist offenbar Literatur für Juristen und Theologen.

    Doch nicht alles was verschwindet, ist gestohlen. Manche Bücher werden aus Bequemlichkeit oder aus Konkurrenzgründen einfach eingesteckt oder versteckt.

    " Das sind so Nester, die sich Benutzer bauen, teilweise weil sie keine Lust haben die Bücher am nächsten Tag wieder herauszusuchen, teilweise machen sie es wohl auch bewusst, um sich einen Vorteil gegenüber anderen Benutzern zu schaffen. "

    Sicherheitssysteme, wie etwa die elektronische Kontrolle an den Ausgängen der Büchereien haben dazu geführt, dass die Anzahl der Diebstähle zurückgegangen ist. Die Anlagen schrecken ab, können aus Kostengründen aber nicht überall angebracht werden. Norbert Gövert:

    " Man muss allerdings sagen, dass selbst bei einer Buchsicherungsanlage Möglichkeiten bestehen, Bücher aus der Bibliothek zu bringen, ohne dass es auffällt. Also wer entsprechende kriminelle Energie mitbringt, der schafft es in der Regel, unbemerkt die Bücher aus der Bibliothek herauszubringen. "

    An der Humboldt Universität in Berlin werden besonders wertvolle Bücher nur noch unter Aufsicht herausgegeben. Wer stehlen will, wird aber immer trickreicher. So werden in Berlin aus Modezeitschriften des 19. Jahrhunderts gerne Seiten herausgerissen. Einen besonders dreisten Fall hat Mario Hütte erlebt, der stellvertretende Leiter der Bibliothek der Fachhochschule Dortmund:

    " Das Extremste war sicherlich ein 24-bändiger Brockhaus, der also angefangen wurde aus der Bibliothek herauszuschmuggeln, sechs Bände fehlen uns von dem, sechs Bände konnten wir noch retten, die waren aber schon in "Bearbeitung", da hatte derjenige angefangen die Signaturschilder abzuknibbeln und die Titelblätter auszureißen. "

    Auf frischer Tat ertappt wird fast niemand. Im aktuellen Dortmunder Fall wurde Anzeige gegen unbekannt gemacht. Die Universitäten wissen nur um vermisste Bücher, die ihnen gemeldet werden, schätzen aber, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist. Für regelmäßige Revisionen fehlt Geld und Personal. Manche Bücher tauchen sogar Jahre später wieder auf. Nil Averesch studiert Bioingenieurwissenschaften im fünften Semester. Er hat inzwischen die Konsequenzen gezogen

    " Ich leih grundsätzlich keine Bücher, entweder brauche ich die länger als die vier Wochen, die man die leihen kann, und dann kauf ich die. Oder ich lerne mit den Übungsmitschriften. "

    Vor Käufen im Internet warnt die Universität Dortmund jedoch eindringlich. Denn es kann sich wie bei den gestohlenen Mathematikbüchern um Diebesgut handeln. Die Stempel der Universität wurden hier perfekt entfernt, sogar weggefräst. Silvia Lippert:

    " Wir haben also gesehen, dass der Dieb super Bewertungen hatte, alle haben also gesagt, super Lieferung, schnell, freundlich, von diesen Diebstählen hat wohl nur einer gemerkt, dass da etwas nicht stimmt, da stand in der Kundenbeurteilung, dass er das Buch wieder zurückgegeben hätte. "