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Leichtathletik
Weitspringer Markus Rehm holt nationalen Titel

Welche Kriterien spielen noch eine Rolle, wenn ein behinderter Athlet sportlich für eine Wettkampfteilnahme qualifiziert ist? Politische? Wissenschaftliche? Biomechanische?

28.07.2014
    Markus Rehm beim Weitsprung.
    Markus Rehm beim Weitsprung. (picture-alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Markus Rehm bringt die Verantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband mächtig ins Schwitzen. Mit einem Satz auf 8,24 Meter hatte der Weitspringer, der bei einem Unfall seinen rechten Unterschenkel verlor, bei der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft in Ulm die nichtbehinderten Konkurrenten hinter sich gelassen. Der 25-Jährige erfüllte zugleich die Norm für die anstehende Europameisterschaft in Zürich. Am Montag tagte der Bundesausschuss Leistungssport des DLV fast nonstop. Am Mittwoch will der Verband sein EM-Team nominieren. Bis dahin ist zu klären, ob der Paralympics-Sieger durch seine Sprungprothese gegenüber nichtbehinderten Weitspringern einen unzulässigen Vorteil erlangt. Sollte der DLV bei der Auswertung der in Ulm vorgenommenen biometrischen Messungen zu diesem Ergebnis kommen, darf Rehm nicht in Zürich starten. Auch sein gerade errungener Meistertitel wäre dann futsch.
    Experten vom Olympiastützpunkt Frankfurt hielten den Ulmer Wettkampf per Video fest und vermaßen die Sprünge mit Lasertechnik. Nun wird der weite Satz des Orthopädietechnikers mit den Versuchen der anderen Weitspringer verglichen. Man will herausfinden, ob die Karbonfeder, mit der Rehm abspringt, als das zu werten ist, was die DLV-Statuten ein unzulässiges Hilfsmittel nennen.
    So eine Analyse brauche ihre Zeit, sagte DLV-Cheftrainer Cheick-Idriss Gonschinska heute in einer der kurzen Sitzungspausen. Der Verband steht vor einem Dilemma. Eine belastbare wissenschaftliche Studie zum Thema gibt es nicht. Zwei vorliegende Expertisen zu Stelzenläufer Oscar Pistorius, dem nun wegen Mordes vor Gericht stehenden Südafrikaner, sind nur bedingt tauglich. Obendrein widersprechen sie sich fundamental. Markus Rehm hätte gern selbst so bald wie möglich Klarheit darüber, ob seine Leistung mit der von Springern mit zwei gesunden Beinen zu vergleichen ist. Aber wie auch immer die kurzfristige Entscheidung des DLV ausfallen wird: Sie wird die knifflige Diskussion um Inklusion und Fairplay im Spitzensport nicht beenden.