Freitag, 29. März 2024

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Leitbilder des reformierten Wohlfahrtsstaats

Die hierzulande durch die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die gigantisch anmutende Staatsverschuldung ausgelöste Debatte über die Reformbedürftigkeit unseres Wohlfahrtsstaates, ist weit mehr als bloß der geschickte Versuch der politischen Parteien, den Bürgern den schlichten Abbau sozialstaatlicher Leistungen als groß angelegtes Reform- und Modernisierungsprojekt zu verkaufen. Geht es doch in der laufenden Diskussion über die Zukunft unseres Wohlfahrtsstaates keineswegs nur um eine merkliche Entlastung des staatlichen Finanzhaushaltes, wie man annehmen könnte, sondern auch um die nachhaltige Verankerung solcher gesellschaftlichen Leitbilder im Bewusstsein der Bürger, deren vordergründig positiver Bedeutungsgehalt den Blick darauf verstellt, dass sie den sich heute schon in unserer Gesellschaft abzeichnenden Entsolidarisierungsprozess beträchtlich vorantreiben werden. Signalisieren doch die im Zusammenhang der Sozialstaatsdebatte von allen politischen Parteien transportierten Leitbilder Selbstverantwortung, Flexibilität und Lebenslanges Lernen, unterschwellig, dass es künftig jeder selbst in der Hand hat, in welchem Maße er an den Segnungen unserer Wohlstandgesellschaft partizipiert und seine Lebensrisiken minimiert. Joachim Weiner zeigt in seinen Beiträgen, dass der Anspruch der Politik an den Einzelnen, seinen Lebensentwurf an diesen Leitbildern auszurichten, nicht nur weite Teile der Gesellschaft hoffnungslos überfordert, sondern auch, dass die damit verbundenen Verheißungen, sich im Kontext der bestehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen nicht erfüllen können.

Von Joachim Weiner | 22.02.2004