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Leoparden
Spermaanalysen gegen das Aussterben

Der stark schrumpfende Bestand des arabischen Leoparden setzt einen Teufelskreis in Gang: Sinkt die Anzahl der Tiere, kommt es automatisch zu Inzucht. Die Folge: Die Sperma-Qualität der nachkommenden Männchen wird schlechter. Veterinäre aus Oman wollen mit einem neuen Verfahren Abhilfe schaffen.

Von Michael Stang | 02.06.2014
    Ein Weibchen der Art Chinesischer Leopard (Panthera pardus japonensis) im Zoo von Eberswalde (Brandenburg).
    Ein chinesischer Leopard. Von seinen arabischen Artgenossen gibt es im Sultanat Oman nur noch rund 65 Exemplare. (picture alliance / ZB - Patrick Pleul)
    Ein chinesischer Leopard. Von seinen arabischen Artgenossen gibt es im Sultanat Oman nur rund 65 Exemplare.
    "Der arabische Leopard ist die kleinste aller Leopardenarten, zudem die am wenigsten studierte und sie steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN als 'vom Aussterben bedroht'",
    sagt Senan Baqir. Der Veterinär von der Sultan Qaboos Universität in Maskat zuckt hilflos mit den Schultern, um zu verdeutlichen, dass die Situation schon mehr oder weniger hoffnungslos ist. Denn "vom Aussterben bedroht" bedeutet, dass es weltweit weniger als 200 Tiere gibt. Im Sultanat Oman leben in freier Wildbahn aktuellen Hochrechnungen zufolge nur noch rund 65 Exemplare von Panthera pardus nimr – jener Unterart des arabischen Leoparden, deren Erhaltung sich der Wissenschaftler verschrieben hat. Ob und wie viele dieser Raubkatzen noch in den Nachbarstaaten Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Jemen leben, darüber gebe es keine verlässlichen Daten. Der schrumpfende Bestand der Tiere bringt weitere Probleme mit sich: der Beginn eines Teufelskreises. Baqir und seine Kollegen wollen die Situation durch Nachzuchten in Gefangenschaft entschärfen.
    "Wenn die Anzahl der Tiere kleiner wird, kommt es automatisch zu Inzucht. Nah verwandte Tiere bekommen also gemeinsam Nachwuchs und deren genetische Ausstattung und Spermienqualität ist vermindert, was wiederum eine Fortpflanzung erschwert. Daher wollen wir die besten Männchen für die Arterhaltung auswählen, bevor wir sie mit Weibchen verpaaren, und diese Auswahl beinhaltet auch die Untersuchung der Spermienqualität."
    Dies seien die Lehren vorheriger Züchtungsversuche. Obwohl sich einige Männchen mit Weibchen häufig verpaart hatten, sei es nie zu einer Trächtigkeit in Gefangenschaft gekommen; weitere Hinweise auf eine geringe genetische Qualität.
    "Wir haben von allen drei Männchen, die wir in Gefangenschaft haben, die Spermien untersucht und diese nach einer speziellen Behandlung in einer Kryobank eingefroren – nur diese drei, mehr nicht."
    Ungünstige Spermatozoen werden rausgefiltert
    Insgesamt leben im Sultanat Oman noch fünf dieser Leoparden in Gefangenschaft. Wildtiere wollen sie vorerst nicht untersuchen, damit der Bestand in freier Natur nicht noch weiter gefährdet werde, so Senan Baqir. Die Spermien der 16 bis 19 Jahre alten Männchen haben die Forscher mithilfe verschiedener Methoden untersucht, um alle Spermatozoen herauszufiltern, die nicht fruchtbar sind oder bereits Schäden wie programmierten Zelltod aufweisen. Die am Oman Wildlife Breeding Centre eingesetzten Methoden seien weltweilt einzigartig, weil sie nicht nur schnell sind – pro Sekunde werden 20.000 Spermien analysiert -, sondern auch spezifisch die einzelnen Daten analysieren und überprüfen. Jetzt haben sie zwar einige brauchbare Spermienproben für zukünftige Befruchtungen, aber schon gebe es das nächste Problem. Denn nicht nur die Männchen bereiten den Forschern Sorgen.
    "Beim arabischen Leoparden gibt es auch bei den Weibchen ein Alterungsproblem. Wir haben eine Reihe älterer Weibchen, die alle das reproduktionsfähige Alter schon überschritten haben und in den kommenden zwei Jahren sterben werden. Unsere letzte Hoffnung ist, ihnen eventuell noch einigermaßen fruchtbare Eizellen zu entnehmen, die wir dann im Labor mit den Spermien aus der Kryobank befruchten können. Die auf diese Weise erzeugten befruchteten Eizellen können wir dann einem jüngeren Weibchen einsetzen."
    Welche Weibchen das sein könnten, wisse er noch nicht, denn junge Leoparden seien rar. Wichtig sei nur, so Senan Baqir, dass sie noch lebende Spermien und Eizellen sichern. Gelinge dies, könnten die Forscher vielleicht doch nach wild lebenden Exemplaren suchen, die sie gezielt befruchten könnten, um damit das drohende Aussterben der arabischen Leoparden zu verhindern.