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Lernen aus der Katastrophe

Im Sommer 2002 versanken vor allem der Osten Deutschlands, Österreich, Polen und Tschechien im Hochwasser. Allein in Sachsen-Anhalt brachen 17 Deiche. Zehn Jahre sind seither vergangen. Aus der Flutkatastrophe haben Behörden und Politiker gelernt und es nicht nur bei Aufräumarbeiten belassen.

Von Günter Rohleder | 10.08.2012
    Im August 2002 brachen in Sachsen-Anhalt 17 Deiche, 53 Deiche mussten geschlitzt werden, um die Wasermassen wieder abfließen zu lassen. Doch es ist nicht nur bei Aufräumarbeiten nach dem Elbhochwasser gelieben.

    Lutherstadt Wittenberg. Peter Alexowsky, Experte für Fließgewässer, erinnert sich:


    "Zehn Jahre Flutkatastrophe, ja, ich war hautnah dran. Es war das Problem, dass unser Betrieb im Januar erst gegründet wurde. Aus drei staatlichen Ämtern hat man die Wasserbauverwaltung neu strukturiert und den Landesbetrieb für Hochwasserschutz neu gegründet und dann war das natürlich ein halbes Jahr später erst mal eine Bewährungsprobe für unseren Betrieb insgesamt und es war schon eine sehr aufregende Zeit."

    Siebzehn Deiche brachen im August 2002 in Sachsen-Anhalt. 53 Deiche mussten geschlitzt werden, um das ins Hinterland eingedrungene Wasser wieder abfließen zu lassen.

    'Wir betreuen 1300 Kilometer Deiche’, sagt Alexowsky.

    "Das ist ne Strecke von hier bis Mallorca."

    Aus der Katastrophe von 2002 sind Schlussfolgerungen gezogen worden. Politiker und Behörden haben es nicht bei Aufräum- und Reparaturarbeiten bewenden lassen. Die Hälfte der Deiche ist erhöht und verstärkt worden, das Kartenmaterial wurde auf den neuesten Stand gebracht und vereinheitlicht, die Hochwasservorhersage verbessert und länderübergreifend organisiert.

    "Da ist die Alarmstufe 1, das ist sozusagen der Warnschuss: Achtung es könnte jetzt ein Hochwasser kommen. Bei der Alarmstufe 2 werden die Deiche durch uns kontrolliert. Bei Alarmstufe 3 müssen die Deichsiele geschlossen werden. – Bei Alarmstufe 4 beginnt die Gefahrenabwehr."

    Dann mobilisieren die Kreisverwaltungen und Kommunen ihre Deichwachen, ihre Feuer- und Wasserwehren.

    Bei 4 wird entschieden, ob Katastrophenalarm auszulösen ist.

    Eine halbe Milliarde Euro sind bisher verbaut worden für Deiche, Wehre und Schöpfwerke. Eine weitere halbe Milliarde soll bis 2020 dazukommen. Dann sollen die Verstärkung und Erhöhung der Deiche normgerecht abschlossen sein.

    "Ein großes Defizit sehen wir darin, dass dem Fluss keine zusätzlichen Überschwemmungsflächen zurückgegeben wurden."

    Ernst Paul Dörfler, Elbe-Experte beim Umweltverband BUND, steht auf einer Uferwiese bei Wittenberg und blickt auf den Fluss.

    "Das war für mich schon ein unheimliches Erlebnis. Denn die Elbe kam ja hier ganz leise. Nicht wie in Dresden, wo sie durch den Bahnhof rauschte. Hier stieg der Pegel ganz leise und unaufhörlich in Höhen, die ich mir nicht habe vorstellen können."

    Ernst Paul Dörfler ist Buchautor und war schon zu DDR-Zeiten Umweltaktivist. Vor 10 Jahren hat er hier bei Wittenberg Sandsäcke geschichtet und gleichzeitig hat er hat versucht, das Ereignis zu dokumentieren.

    "Man muss wissen, dass unsere Wissenschaftler vor dem Jahre 2002 annahmen, es gebe an der Elbe keine Probleme mit Hochwasser mehr."

    Die Elbe sei der vielseitigste Lebensraum, den er kenne, so Dörfler. Die Sandlinie des Ufers verlaufe täglich anders. Nach der Flutkatastrophe habe es viele Versprechungen gegeben, dem Fluss mehr Fläche zu gewähren. Das sei aber bald wieder vergessen worden.

    Mit dem Deichausbau, so nachvollziehbar er zunächst daher komme, rüste man letztlich nur auf. Denn im Kern gehe es darum, den Wasserstand abzusenken und dafür sei der einzig tragfähige Weg, der Elbe zumindest einen Teil ihrer natürlichen Überschwemmungsflächen zurückzugeben. Und dazu müssten Deiche vor allem zurückverlegt werden, nicht ausgebaut.

    Niemand müsse wegziehen, betont Ernst Paul Dörfler. Und er verweist auf eine Untersuchung der internationalen Kommission zum Schutz der Elbe. Die Kommission, zusammengesetzt aus Vertretern der EU, des Bundes, der Länder und der Verbände, kommt darin zu dem Ergebnis, es gebe 35.000 Hektar unbesiedelte Flächen, die dem Fluss überlassen werden könnten.