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Lernen in den Ferien

Endlich Ferien! Während die einen sich ihren wohlverdienten Urlaub gönnen und die anderen ihre Kasse mit einem Ferienjob aufbessern, büffeln die dritten in der Sommerschule. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Menge. Zum Beispiel in Wust im nördlichen Sachsen-Anhalt. Dort kann man nicht nur seit 16 Jahren sein Englisch auf Vordermann bringen.

Von Anette Schneider-Solis | 16.08.2007
    "Hallo everyone! The basic step that we are learn or learned already is rock step, triple step, triple step, rock step!"

    In der Grundschule von Wust wird geswingt. Jacob Schrum tanzt die Schritte vor. Der US-Amerikaner aus Madison, Wisconsin, ist einer von 17 Dozenten an der Sommerschule. Wie die meisten anderen Dozenten aus den USA und Großbritannien studiert er Germanistik. Hier aber wird englisch gesprochen. Auch nach dem eigentlichen Unterricht am Vormittag. Dann stehen Workshops auf dem Programm, erklärt Reiner Möckelmann. Der Diplomat im Ruhestand und ehrenamtliche Leiter der Sommerschule zeigt auf eine Tafel im Flur:

    "Grammatik wird ein Kurs angeboten. Hier ist auch noch mal Shakespeare Monologe, Wilder Westen. TOEFL-Test machen sie natürlich auch. Also Zugang zu Universitäten, Anerkennung. Da wird die Woche durch geübt, und am Donnerstag gibt's dann die Prüfung."

    Wust ist ein beschauliches Dörfchen im Elbe-Havel-Winkel. In den drei Ortsteilen leben zirka 1000 Menschen. Inzwischen sind sie alle vom Sommerschulvirus infiziert. Wie Bärbel Conrad nehmen viele von ihnen Sommerschüler und -dozenten bei sich zu Hause auf.

    "Für viele war ja, als die Sommerschule begann, die Begegnung mit den Amerikanern und Engländern sowas von neu und exotisch, und es war aufregend. "

    In den vier Wochen der Sommerschule kommen nicht nur Hunderte Gäste aus dem In- und Ausland, sondern es wird jeden Abend etwas geboten. Theater, Vorträge, Konzerte. Kurz nach der Wende besuchte die Wolfenbüttlerin Maria von Katte das Dorf ihrer Vorfahren. Und hatte eine Idee: Mit Englischlehrern der Gegend und englischen wie amerikanischen Freunden unterm Apfelbaum zu plaudern. Schließlich kannten ostdeutsche Englischlehrer die Sprache, die sie unterrichteten, nur aus Büchern. Am Rande des Sportplatzes sind 80 Zelte aufgebaut. Am Tisch vorm Sportlerheim sitzen zwei Schülerinnen über Heftern und Wörterbüchern, drinnen basteln Handwerker an einem Podest, auf der Bühne laufen die Proben für ein Theaterstück.

    Auf der Bühne stehen Enrico Reumann und Susann Orlandi. Er Versicherungsagent aus Wust, sie Studentin aus Oxford.

    "An der Uni gab es eine Werbung. Letztes Jahr war es so wunderbar. Ich bin hergekommen, um mein Deutsch zu verbessern, aber dieses Jahr ist es nur Spaß. "

    Enrico Reumann ist von Anbeginn dabei, ist mittlerweile fast ein Theaterprofi.

    "Also, erstmal war es ja damals ein Hype, also direkt nach der Wende, dass hier sowas aufgezogen wurde mit der Sommerschule. Dass '92 Theater dazu kam, kam mir sehr gelegen. Das ist auch sehr schön, dabei Englisch zu lernen. "

    Zu Beginn der Sommerschule wird man eingestuft und auf die Kurse verteilt. Arvid Reumann, der auch eine Rolle im Stück hat, verfügt über Grundkenntnisse:

    "Ich bin früher in einer Sonderschule gewesen, und da haben wir englische Sprache gehabt, freiwillig. Ich sag, da mach ich sofort mit. Macht 'ne Freude, was zu lernen! Und wenn nicht, frage ich meinen Bruder oder halt Adam."

    Adam Woodes ist der Regisseur und zum ersten Mal hier.

    "Die Cora Lee Kluge ist Professorin in Madison, Wisconsin. Ich arbeite mit ihr zusammen, Doktorarbeit. Und sie hat mich im Dezember schon gefragt, ob ich hierher kommen möchte. "

    Auch Kevin Schewel steht auf der Bühne. Sonst studiert er Wirtschaftsingenieurwesen, und mit der Sommerschule wurde er praktisch groß. Sein Vater nahm ihn als 12-jährigen zum ersten Mal mit.

    "Ich habe ein Jahr, meine elfte Klasse, um genau zu sein, in den Staaten verbracht. Was auch so ein bisschen mit der Sommerschule zusammenhing. Die Idee entstang hier letztendlich. Und bin dort in die Theaterrichtung reingerutscht; seit ein, zwei Jahren versuche ich, mich in Amateurproduktionen mit zu beteiligen. "

    Doch die meisten kommen zuallererst nach Wust, um ihr Englisch zu verbessern - unter Anleitung allein von Muttersprachlern. Cora Lee Kluge, Germanistikprofessorin aus Wisconsin, leitet seit einigen Jahren das akademische Sprachprogramm.

    "Es bringt uns auch sehr viel. Es ist eine Gelegenheit, hierher zu kommen, ein Stück Deutschland zu sehen, was man weniger oft sieht, und auch Kontakte und Freundschaften aufzubauen nicht nur nach Deutschland, sondern auch aus England Kollegen und untereinander. Das ist hier das Zentrum der Welt! "