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Lettische Ministerpräsidentin Straujuma
"Griechenland muss seine Schulden selbst zahlen"

"Im Moment sehe ich keine Möglichkeit, dass Lettland Griechenland Geld gibt", sagte die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma im Deutschlandfunk. Die durchschnittlichen Renten in Lettland seien deutlich geringer als in Griechenland. Wenn es aber um finanzielle Unterstützung für Krankenhäuser gehe, würden die Letten helfen.

Laimdota Straujuma im Gespräch mit Sabine Adler | 10.07.2015
    Lettlands Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma
    Lettlands Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma (picture alliance / dpa/ Etienne Laurent)
    Sabine Adler: Wie groß ist die Summe, die die Letten für die Rettung Griechenlands bislang ausgegeben haben?
    Laimdota Straujuma: Für die Letten ist es bisher einfacher als für andere Länder, weil wir bislang nicht an den Rettungspaketen beteiligt waren. Als das zweite Rettungspaket aufgelegt wurde, war Lettland noch nicht Mitglied der Eurozone. Bei einem möglichen dritten Paket würden wir dabei sein. Griechenland muss jetzt seine neuen Vorschläge vorstellen. Wenn die Finanzminister und die Institutionen den Vorschlägen zustimmen, müssen die Staats- und Regierungschefs am Sonntag eine politische Entscheidung treffen.
    Wenn sie nicht einverstanden sind, könnte es Plan B geben: den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Ob Lettland Griechenland Geld gibt, entscheidet das Parlament. Für mich wird es sehr schwer werden, das Parlament davon zu überzeugen. Und für das Parlament wird es schwer werden, zuzustimmen. Denn die durchschnittlichen Renten in Lettland sind bedeutend niedriger als in Griechenland. Und wenn Sie die Letten heute fragen würden, ob sie Griechenland Geld leihen, könnten Sie sich die Antwort vermutlich vorstellen.
    Adler: Sie haben selbst gesagt, dass Lettland viel ärmer ist als Griechenland. Dennoch halten Sie sich sehr mit Kritik zurück, im Unterschied zu Ihrer baltischen Kollegin, der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskeité, die Griechenland sehr harsch kritisiert.
    Straujuma: Vielleicht ist Frau Grybauskaité einfach etwas lauter als die anderen. Aber ich habe mich mit ihr und dem Premierministers Estlands , mit Taavi Roivas getroffen, und wir drei von den baltischen Ländern vertreten die gleiche Meinung, wir haben dieselbe Position.
    Adler: Also alles eine Frage der Geduld?
    Straujuma: Nein, keine Frage von Geduld.
    Adler: Ihr Land ist ärmer als Griechenland, genau wie Estland, Litauen oder die Slowakei. Was halten Sie davon, dass Länder, die ärmer sind, einem reicheren helfen sollen?
    Straujuma: Deswegen habe ich die Renten erwähnt. Wenn Griechenland einen starken Plan vorlegt, müssen wir ihn prüfen. Im Moment sehe ich keine Möglichkeit, dass Lettland Griechenland Geld gibt. Etwas anderes ist die humanitäre Hilfe, wenn es um Geld für griechische Krankenhäuser oder Medikamente geht, werden die Letten helfen. Griechenland ist ein EU-Mitgliedsstaat, aber es ist die griechische Regierung, die für das, was geschieht, verantwortlich ist.
    Abschreibung von Schulden sei keine gute Lösung
    Adler: Wo ist Ihre rote Linie, was wäre ein Vorschlag, mit dem Sie als lettische Ministerpräsidentin auf keinen Fall einverstanden wären?
    Straujuma: Zuallererst wäre das die Abschreibung von Schulden. Das ginge überhaupt nicht. Jeder muss zu seinen Zusagen stehen. Und wenn die Finanzexperten sagen, dass die Strukturreformen keinen Schuldenabbau, sondern sogar noch mehr Schulden bringen würden. Das wären für mich die beiden Schlüsselpositionen. Sie entscheiden darüber, ob ich überhaupt vor meine Regierung treten würde. Ich spreche nur dann mit dem lettischen Kabinett, wenn es einen wirklichen griechischen Strukturreformplan gibt.
    Adler: Gab es für Sie einen Moment, in dem Sie versucht waren, es wie der griechische Premierminister Tsipras zu machen: also mehr Geld auszugeben, als Sie haben?
    Straujuma: Ich bin absolut gegen eine solche Vorgehensweise. Griechenland sollte zusehen, dass es nach den Strukturreformen mehr Geld einnimmt, als es ausgibt, denn Griechenland hat massive Schulden. Sie wollen, dass andere die griechischen Schulden bezahlen. Aber das muss Griechenland schon selbst tun. Lettland weiß, wie schwer das ist. Wir hatten es viel schwerer, weil die Renten und Löhne bei uns bedeutend niedriger sind. Aber die Dombrowskis-Regierung hat sich mit allen Sozialpartnern zusammengeschlossen und den Bürgern erklärt, was ihnen bevorsteht.
    "Jetzt wird in Lettland nicht mehr gekürzt"
    Adler: Die Regierung hat den lettischen Bürgern versprochen, mit der Sparpolitik Schluss zu machen, sobald die Ziele erreicht sind. Haben Sie jetzt die Gürtel wieder ein bisschen weiter gestellt?
    Straujuma: Seit 2013 sind die Ausgaben wieder gestiegen, genau um 1,2 Milliarden Euro, das war fünf Jahre nach der Krise, solange haben wir gespart. Jetzt wird nicht mehr gekürzt. Allerdings hat der Finanzminister gerade alle Ministerien aufgefordert, ihre Wünsche zu zügeln.
    Adler: Bedauern Sie, dass Lettland den Euro vor anderthalb Jahren eingeführt hat?
    Straujuma: Nein, ein kleines Land mit einer kleinen Wirtschaft und schwachen Währung kann in der großen europäischen Wirtschaft kaum überleben. Aber jeder sollte zweimal darüber nachdenken, ob er der Eurozone mit ihren Regeln beitritt oder besser nicht.
    "Wir waren und sind gegen vorgeschriebene Quoten"
    Adler: Ich würde gern über die zweite Krise sprechen, die Flüchtlingskrise, mit der Europa gegenwärtig fertig werden muss. Nimmt Lettland schon so viele Flüchtlinge auf, wie es könnte?
    Straujuma: Wir waren und sind gegen vorgeschriebene Quoten. Wir unterstützen das Prinzip der Freiwilligkeit, entsprechend der Wirtschaftskraft und Bevölkerungsgröße. Unsere Regierungskoalition ist in dieser Frage gespalten. Zwei Parteien sind dafür, Solidarität zu zeigen und den südlichen Staaten Europas zu helfen. Aber es gibt eine Partei, die sagt, Lettland hat schon zu Sowjetzeiten viele Menschen aufgenommen, die sich zum Teil immer noch nicht integriert haben. Die Rede ist von der russischsprachigen Minderheit. Von den 60.000 Menschen, die die EU-Kommission verteilen will, sind wir bereit, in den nächsten zwei Jahren 250 Personen aufzunehmen. Nach der Erfahrung vor 25 Jahren und was sich östlich unserer Grenzen abspielt, sind unsere Bürger sind sehr vorsichtig geworden. Wir haben illegale Immigranten, die versuchen, über die russische Grenze zu kommen. Russlands Wirtschaft ist in Schwierigkeiten. Aber noch kommt unser Grenzschutz damit klar.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.