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Lettland
Dokumentarfilm erinnert an 25 Jahre Unabhängigkeit

Vor 25 Jahren erklärten die baltischen Staaten ihre Unabhängigkeit von Russland. Während es in Litauen am sogenannten Blutsonntag zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam, blieb es in Lettland weitestgehend friedlich. Ein Dokumentarfilm erinnert nun an die Ereignisse von damals und zeigt, wie sehr diese die Haltung der Balten gegenüber Russland bis heute beeinflussen.

Von Birgit Johannsmeier | 15.01.2016
    Laimdota Straujuma blickt ernst in die Ferne
    Die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma unterstützt den Dokumentarfilm zur 25-jährigen Unabhängigkeit ihres Landes von Russland. (dpa/picture alliance/Valda Kalnina)
    Während die Studierenden der lettischen Universität in Riga zu den Hörsälen gehen, betritt Harijs Mencis einen Seminarraum und lässt sich vor einer Videokamera nieder. Der ehemalige Gleisarbeiter ist 65 Jahre alt, er zupft rasch noch mal Krawatte und Jacket zurecht, bevor er aufgefordert wird, seine Geschichte zu erzählen.
    Wie haben Sie vor 25 Jahren die Barrikaden in der lettischen Hauptstadt Riga erlebt? Das wollen die Filmemacher von ihm wissen. Damals hatte Harijs Mencis gerade seine Schicht beendet. Es war die Nacht vom 13. auf den 14. Januar 1991. Zuhause hörte Mencis dann den Aufruf des lettischen Radios.
    "Ich hörte, dass am Tage in Litauen die sowjetischen Panzer ausgerückt seien, um die Unabhängigkeit zu verhindern. Dainis Ivans von der lettischen Volksfront forderte uns auf, unsere Regierungsgebäude und den Rundfunk zu schützen.
    Ich brach gleich zum Fernsehturm auf, der auf der Haseninsel steht. Dort saßen bereits tausend Menschen an Lagerfeuern. Wir sangen, wir waren zusammen und kämpften für unsere Freiheit. Die Erinnerung treibt mir noch heute Tränen in die Augen."
    Der Weg in die Freiheit
    Auf dem Weg in die Freiheit hatten sich die ehemaligen Sowjetrepubliken Lettland, Litauen und Estland 1990 von Moskau unabhängig erklärt. Aber der Kreml wollte sie nicht ziehen lasen. In Vilnius wurden 14 Litauer von Soldaten der sowjetischen Armee erschossen oder von Panzern überrollt, mehr als 1.000 verletzt.
    Dainis Ivans, der ehemalige Leiter der lettischen Volksfront, hatte nach einem Telefonat mit litauischen Kollegen die Bürger über den Rundfunk alarmiert.
    "Ich war furchtbar unter Druck. Wir wollten unseren Freiheitskampf nicht aufgeben aber ein Blutvergießen wie in Litauen verhindern. Deshalb hatten wir Abgeordneten die Idee, alle wichtigen Ministerien und Brücken im Zentrum von Riga mit Barrikaden vor den sowjetischen Panzern zu schützen. Trotzdem haben wir fünf Menschen im Kampf um unsere Freiheit verloren. Ansonsten aber verlief alles friedlich. Das dürfen wir auch 25 Jahre später nicht vergessen."
    Die Zeit zurückbringen
    Mehr als 150 Zeitzeugen kommen in diesen Tagen zum Interview: in die lettische Universität, auf den Zentralmarkt von Riga, die Staatsbibliothek oder andere Städte Lettlands. Es sind ehemalige Ärzte, Kolchosarbeiter oder Verkäuferinnen, die von Studenten wie Emils Rotgalvis befragt werden. Emils war sofort zur Mitarbeit an dem Dokumentarfilm bereit: Denn bisher hatte der 20-Jährige keine Vorstellung davon, was die Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik Lettland zu ihrem Freiheitskampf bewogen hat.
    "Wir müssen die Zeit zurückbringen und den Barrikaden Gesichter geben. Was ich im Geschichtsunterricht erfahren habe ließ mich kalt und meine Großeltern haben nichts erzählt. Erst jetzt habe ich gelernt, dass uns die Freiheit nicht auf dem silbernen Tablett serviert wurde. Diese Menschen, die vor der Kamera ihre Geschichten erzählen, sie haben die Freiheit für uns erkämpft und sie würden es jederzeit wieder tun."
    Eine klare Botschaft für die Demokratie
    Über Rundfunk und Internet waren in Lettland Zeitzeugen aufgerufen worden, ihre "Barrikaden-Geschichten" zu erzählen. Eine Sammlung von Interviews, die später im Fernsehen, in Schulen und Museen gezeigt werden soll. Die Idee hatte die lettische Regierung. Sie wolle damit auch auf das neue Machtgebaren des russischen Nachbarn reagieren, erklärt die Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma, die ebenfalls ihre Geschichte erzählt hat.
    "Wir haben eine klare Botschaft. Wir wollen unsere Kinder und die ganze Welt daran erinnern, dass es ist nicht selbstverständlich ist, dass wir ein freies Land sind. Sollte Lettland jemals wieder in dieselbe Lage kommen wie damals, werden wir wieder für die Freiheit Lettlands zusammenstehen."