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Letzte Ausfahrt Bio-Kerosin

Technik. - Der Beitrag des Flugverkehrs zum Klimawandel wird immer größer: vor zwei Jahren ging Welt-Klimarat IPCC noch davon aus, dass Luftfahrt Anteil von drei Prozent an der Klimaerwärmung durch menschliche Aktivitäten hat. Am Rande der laufenden Bonner Klimaverhandlungen wurde jetzt über einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma diskutiert: die Einführung von Bio-Kraftstoffen im Flugverkehr.

Von Volker Mrasek | 08.06.2009
    Für die Luftfahrtbranche wird es ernst. Ab 2012 soll sie in Europa in den Emissionshandel miteinbezogen werden. Es ist also Zeit, darüber nachzudenken, wie Passagier-Jets und Propellermaschinen ihre Kohlendioxid-Emissionen wirkungsvoll verringern können – und das bei einem stetig steigenden Verkehrsaufkommen. Große Hoffnungen ruhen dabei auf Bio-Kraftstoffen. Die Umweltdirektorin der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation ICAO, Jane Hupe:

    "Als globale Industrie wollen wie die Ersten sein, die Bio-Kraftstoffe weltweit verwenden. Dabei sprechen wir allerdings nicht über dieselben Biosprit-Sorten wie im Autoverkehr. Die Luftfahrt ist in ihrer Wahl stärker eingeschränkt, aus technischen und Sicherheitsgründen. Deswegen sollten bestimmte Kraftstoffe dem Flugverkehr vorbehalten sein."

    Flugzeuge sollen in Zukunft nicht etwa Ethanol oder Biodiesel tanken. Treibstoff der Wahl bleibt Kerosin. Nur soll es nicht mehr aus Erdöl gewonnen werden, sondern aus pflanzlicher Biomasse. Technisch interessant ist hier vor allem die Fischer-Tropsch-Synthese, ein altbewährtes Verfahren, nach dem Kohle verflüssigt und in Kraftstoff umgewandelt wird. Am Flughafen Johannesburg in Südafrika besteht seit zehn Jahren die Möglichkeit, einen solchen Sprit zu tanken. Doch auch pflanzliche Biomasse lässt sich nach der Fischer-Tropsch-Methode in Kerosin verwandeln. Entsprechende Treibstoffe sollen zügig zugelassen werden, wie Lourdes Maurice in Bonn erläuterte, Chef-Umweltwissenschaftlerin der US-Luftfahrtbehörde FAA:

    "Im nächsten Jahr liegen uns hoffentlich genügend Daten vor, um den ersten Treibstoff zuzulassen, der einen 50prozentigen Biokerosin-Anteil aufweist. Und 2013 können wir uns die Zulassung für den ersten reinen Bio-Flugsprit vorstellen."

    In den letzten 15 Monaten hat es eine Reihe von Testflügen gegeben, unter anderem mit Jumbo-Jets und dem neuen Airbus A380. Dabei ist der Anteil von Bio-Kraftstoff zuletzt auf 50 Prozent gesteigert worden. Die Ergebnisse seien vielversprechend, hieß es in Bonn. Luftfahrtindustrie und Fluglinien schmieden bereits ehrgeizige Pläne. Im Jahr 2020 soll der Anteil von Bio-Kerosin schon bei 15 Prozent liegen und 2040 bei 50. Gut und gerne 200 Milliarden Liter Flugsprit müßten dann aus Biomasse gewonnen werden ...

    "Die Herausforderung wird sein, genügend Bio-Kerosin zu erzeugen. Wie schnell können wir die Produktion hochfahren? Und wie sieht die gesamte Umweltbilanz aus?"

    Die Luftfahrt-Ingenieure gehen davon aus, dass ihr Bio-Kerosin am Ende aus mehreren Quellen stammen wird. Ein geeigneter Lieferant sei zum Beispiel die Purgier-Nuß, bekannt auch als Jatropha - eine Tropenpflanze mit giftigen, aber sehr ölreichen Samen. Am vielversprechendsten aus Sicht der Planer ist aber die Aufzucht von Algen. Sie könne man selbst in Salzwasser oder in Tanks in der Wüste züchten, um Biomasse zu produzieren. Das Problem ist nur: Die Technologie zur Umwandlung von Algen in Biosprit ist noch gar nicht ausgereift. Und auch mit grossen Jatropha-Plantagen haben Kritiker ihre Probleme. In Bonn formulierte sie der Physiker Bill Hemmings vom Europäischen Bund für Verkehr und Umwelt:

    "Wir beschäftigen uns mit Bio-Kraftstoffen, weil wir Kohlendioxid-Emissionen reduzieren wollen. Aber ob das wirklich der Fall ist, wenn wir große Plantagen mit Energiepflanzen anbauen, hat noch niemand in einer umfassenden Lebenszyklus-Analyse untersucht."

    Ob Bio-Kraftstoffe wirklich eine Option für die Luftfahrtbranche sind, ist jedenfalls noch unklar. Vielleicht werden Flugzeuge in Zukunft einfach langsamer fliegen und leichter werden müssen. Das spart garantiert Sprit und reduziert Emissionen.