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Letzte große Party von LCD Soundsystem

James Murphy hat den Stecker gezogen und Schluss gemacht. Er beendet sein Soloprojekt LCD Soundsystem. Zwei Dokumentarfilmemacher haben mit ihm ein Interview geführt und ihn beim letzten Konzert begleitet.

Von Jörg Albrecht | 08.12.2012
    Countdown zum großen Finale. 20.000 Menschen bedanken sich bei LCD Soundsystem.

    "Shut up and Play the Hits."

    So kalkuliert, so geordnet ist wohl selten ein Abschied im Musikbusiness verlaufen. Das soll noch Rock´n Roll sein? Kein Streit mit Bandkollegen oder Plattenbossen. Keine Drogenprobleme des Künstlers. Ja – nicht einmal mangelndem Erfolg ist das Ende von LCD Soundsystem geschuldet. James Murphy hat einfach den Stecker gezogen und Schluss gemacht. Aber was heißt hier eigentlich einfach?

    "So this has been a very weird experience for us. We have this one big last party."

    Es sei eine echt seltsame Erfahrung für ihn und die Anderen. Erzählt Murphy während des Konzerts. Jetzt bliebe ihnen noch diese eine letzte große Party, die niemals enden soll.

    Das Ende von LCD Soundsystem – wie übrigens auch der Anfang des Projekts – ist für James Murphy nichts anderes gewesen als die konsequente Verwirklichung der eigenen Träume und Pläne. Murphy ist ein organisierter Typ. Einer der weiß, was er will und wann er etwas nicht mehr will. Murphys Gesetz könnte lauten: Alles hat seine Zeit. In einem Alter, in dem andere schon zehn, 15, sogar 20 Jahre Musik gemacht haben, hat er erst damit angefangen. Mitte 30 ist Murphy, als 2005 das Debütalbum von LCD Soundsystem erscheint. Eine neuartige, unwiderstehliche Mischung aus Disco, Indierock und Punk, die von der Musikpresse hymnisch gefeiert wird.

    "Ich habe keine Band gegründet, sondern eine Platte gemacht. Dann bat man uns, aufzutreten. Und wir hatten die Chance zu einem coolen Gig in London. Wir nannten uns LCD Soundsystem Coverband. Die beste LCD Soundsystem Coverband der Welt. Wir taten im Grunde genommen das, was Coverbands tun. Da gab es das Album, und wir studierten es ein. Ich wollte diesen ganzen Tour-Mist auf jeden Fall vermeiden. Diese ewig langen Touren und das ganze Drumherum. Totaler Blödsinn."

    Vom Segen und Fluch des Erfolgs kann er viel erzählen. Und immer wieder auch von sich und seinem Blick auf die Dinge. James Murphy liebt es, sich selbst zu bespiegeln. Ein Interview mit dem auf amerikanische Popkultur spezialisierten Autor Chuck Klosterman – aufgezeichnet wenige Tage vor dem letzten Gig im April 2011 – ist der eine rote Faden der Dokumentation.

    Er sei nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Murphy eine Krawatte trägt, gesteht Klosterman. Und Murphy entgegnet, dass er sich bemühen würde, im Ruhestand gepflegt auszusehen. Die Beiden philosophieren über Selbst- und Fremdwahrnehmung eines Künstlers, über Murphys Inspirationsquellen und darüber, was von zehn Jahren LCD Soundsystem in Erinnerung bleiben wird.

    Der zweite rote Faden des Films ist das Konzert im Madison Square Garden mit ausgewählten Tracks. Wie James Murphy tickt, wie er über sich denkt – nichts beschreibt dies wohl eindringlicher als sein erster großer Erfolg "Losing my Edge".

    In seinen 20ern ist Murphy zwar umtriebig, gehört verschiedenen Bands an, die heute kaum noch einer kennt. Sein Geld aber muss er mit allen möglichen Jobs verdienen – vom Mixer bis zum Roadie. Der Erfolg kommt quasi über Nacht, als er an den Turntables den – wie er sagen würde – langweiligen Dancefloor-Dreck jener Tage aufmischt mit harten Riffs und Elektronik. Das Resultat ist Tanzmusik für Beine und Hirn und vor allem für Leute, die gar nicht tanzen wollen. Doch bereits als DJ macht James Murphy eine wichtige Erfahrung: Der Job hat ein Verfallsdatum.

    "Der Anfang vom Ende hat sich angedeutet, als ich auf einem Gig im Brownies war. Es lief ´Mind your own business´ von Delta Five. Dann kam ´Liquid Liquid´. Und ich stutzte regelrecht. Die spielten meine Platten. Ich geriet in Panik, dass mein neues Leben als DJ vorbei war und ich als Trendsetter ausgedient hatte. Und so habe ich den Song geschrieben."

    Man könnte "Losing my Edge" als Keytrack von LCD Soundsystem bezeichnen. Die Angst davor seinen Vorsprung zu verlieren, wird zu Murphys Antriebsfeder. Bei all seinen Entscheidungen spielen das Alter und seine Lebenserfahrungen eine Rolle. In ihrem Hybrid aus Konzertfilm und Musikerporträt gelingt es den beiden Filmemachern, die Kontinuität und den Wandel im Leben eines faszinierenden Künstlers herauszuarbeiten. Ein Künstler, der extrovertiert und zugleich nachdenklich ist, ekstatisch und doch kontrolliert.

    Und einer, der sicher ist zu wissen, was er nicht mehr sein will, weiß natürlich auch, was er will. In der "Daily Show" von Stephen Colbert hat James Murphy erklärt, dass es für ihn schließlich auch ein Leben vor LCD Soundsystem gab und er auch jetzt noch so einige Pläne habe. Zum Beispiel koche er gerne Kaffee. Ein Lacher in der Show, aber längst kein Scherz. Murphy ist auf dem Weg ein Kaffeeröster zu werden und arbeitet derzeit an seiner eigenen Espresso-Linie.

    "You´re popular, man! – Because I started later, I had a life before. And there´s a lot of things, I wanna do. – Like what? What do you wanna do? – I really like making coffee."