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Letzter Abwehrversuch

Vor 75 Jahren wurden alle paramilitärischen Organisationen der NSDAP durch eine Notverordnung verboten. Noch einmal leistete die Republik von Weimar Widerstand gegen die stetig wachsende Gefahr von Rechts. Doch schon zwei Monate später erfolgte die Aufhebung des Verbots, die Demokratie hatte verloren.

Von Bernd Ulrich | 13.04.2007
    "Aufgrund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird verordnet: Sämtliche militärähnliche Organisationen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, insbesondere die Sturmabteilung (SA), die Schutzstaffel (SS) , mit allen dazugehörigen Stäben und sonstigen Einrichtungen werden mit sofortiger Wirkung für das Reichsgebiet aufgelöst."

    Diese Notverordnung "Zur Sicherung der Staatsautorität" am 13. April 1932 war mehr als gerechtfertigt. Nahezu eine halbe Million Parteisoldaten gingen mittlerweile in SA und SS ihrem trüben Ziel nach, die verhasste Republik von Weimar zu vernichten. Das Verbot dieser Parteiarmee, unterschrieben von Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichswehr- und Innenminister Wilhelm Groener, stieß, wie nicht anders zu erwarten, auf den erbitterten Protest aller rechten Parteien und Verbände. Kronprinz Wilhelm, ältester Sohn des Ex-Kaisers Wilhelm II., schrieb empört an Groener:

    "Ich kann diesen Erlass nur als schweren Fehler bezeichnen. Es ist mir auch unverständlich, wie gerade Sie als Reichswehrminister das wunderbare Menschenmaterial, das in der SA und SS vereinigt ist und das dort eine wertvolle Erziehung genießt, zerschlagen helfen."

    Um SA und SS zu verbieten, bedurfte es innerhalb der politisch aufgeheizten Stimmung eines günstigen Moments. Der schien mit der Wiederwahl Hindenburgs am 10. April 1932 gekommen. Auf Drängen der Länder, getrieben von der begründeten Furcht vor einem braunen Staatsstreich, konnten Groener und sein Reichskanzler Heinrich Brüning den widerwilligen Hindenburg zur Unterschrift unter die Notverordnung bewegen.

    Mit dem Verbot wurde allerdings zugleich die Endphase des Kabinetts Brüning eingeleitet. Der Erste, der fiel, war Groener selbst. Ihm wurde durch den im Hintergrund tätigen General Kurt von Schleicher namens der Reichswehr das Vertrauen entzogen. In einem Artikel der linksliberalen "Weltbühne" wurden die wahren Gründe für Groeners Rücktritt am 12. Mai 1932 genannt:

    "Groener ist nicht gestürzt worden, weil seine Autorität gelitten hat. Er ist auch nicht gestürzt worden, weil seine Untergebenen zu weit links standen. Groener hielt vielmehr die SA für eine Gefahr der Landesverteidigung. Schleicher hält sie für ein Reservoir."

    In zwei Sondierungsgesprächen, die Schleicher mit Hitler im April und Mai führte, wurde seine eigentliche Intention deutlich: Sturz des Kabinetts Brüning und die Installierung einer präsidialen Diktatur "auf nationaler Grundlage", die von der stetig wachsenden nationalsozialistischen Bewegung zumindest toleriert werden sollte. Als Gegenleistung bot er Hitler unter anderem die Aufhebung des SA- und SS-Verbots an.

    Bereits am 14. Juni 1932 wurde das Versprechen eingelöst. Drei Tage später verkündete der neue Reichsinnenminister im von Schleicher favorisierten Kabinett Franz von Papen, Wilhelm Freiherr von Gayl, über den Rundfunk:

    "Alle alten Bestimmungen sind aufgehoben. Nunmehr können auch die SS- und die SA-Verbände der nationalsozialistischen Bewegung wieder aufleben und sich ebenso wie alle anderen mit ihr auf dem Boden der Verfassung und der Staatsordnung stehenden Organisationen wieder betätigen."

    Die Auswirkungen waren sofort zu spüren. Zusammenstöße zwischen der SA und dem Rotfrontkämpferbund der KPD forderten allein in Preußen binnen eines Monats 99 Tote und über 1000 Verletzte. Die Konsequenz lag auf der Hand, und der ehemalige Finanzminister im Kabinett Brüning, Hermann Dietrich, brachte sie auf den Punkt:

    "Der Staat gibt sich auf, wenn er gestattet, dass auf seinem Territorium Privatarmeen gehalten werden, die sich gegen ihn richten. Es ist Selbstmord, sie zu dulden. Es ist leicht, in eine Diktatur hineinzutorkeln, aber es ist schwer, wieder herauszukommen."

    Wer wissen wollte, wes Geistes Kind die Nationalsozialisten waren, musste nur genau hinhören, zum Beispiel als der sichtlich heisere Joseph Goebbels am 24. Oktober 1932 vor begeisterten Anhängern im Berliner Sportpalast ausführte:

    "Das Ziel der nationalsozialistischen Bewegung ist selbstverständlich die Ergreifung der Macht. Und zwar ist die Ergreifung der Macht nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wir wollen mit der Macht Deutschland umgestalten. Wie wir an die Macht kommen, das ist dabei vollkommen gleichgültig."

    Das am 13. April 1932 erlassene Verbot aller NS-Organisationen erscheint vor diesem Hintergrund wie ein letztes und vergebliches Aufbäumen der Republik gegen die braunen Antidemokraten. Nationalkonservative Politiker wie Schleicher und Papen hatten ihnen in grotesker Verkennung der Gefahr den Weg zur Macht geebnet.