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Islam in Kalifornien
Warum sich Muslime trotz Trump mit den USA identifizieren

Muslime in den USA stecken zwischen Baum und Borke. Sie identifizieren sich mit ihrem Land, genießen die Religionsfreiheit. Sie werden aber auch immer wieder schief angesehen, wenn sie als Muslime erkennbar sind. Die meisten lassen sich nicht davon erschüttern - auch nicht davon, dass Donald Trump Präsident werden könnte. Zumindest in Moschee-Gemeinden in Kalifornien nicht.

Von Abdul Ahmad Rashid | 01.11.2016
    Eine Frau hält einen Koran in englischer Übersetzung
    Der Koran in englischer Übersetzung (imago stock&people / ZUMA Press )
    Freitagmittag in Mission Viejo, einem kleinen Ort 70 km südlich von Los Angeles. Am Ende einer Durchgangstraße, umgeben von Firmengebäuden, liegt das Gebäude der "Orange County Islamic Foundation". Von außen ein mehrstöckiger schmuckloser Bau mit weißen Mauern und großen Fenstern, von innen geschmackvoll und üppig eingerichtet: Im Eingangsbereich Marmorboden und ein Springbrunnen, im Gebetsraum weicher Teppichboden, Klimaanlage und Monitore. Hier hat der Besucher das Gefühl, in einem großen Wohnzimmer zu sein und nicht in einer Moschee. Von allen Seiten strömen Menschen in die Moschee. Im Gegensatz zu Deutschland tragen die Männer hier durchgehend westliche Alltagskleidung. Kaftane oder andere traditionelle Bekleidungsarten sucht man hier vergeblich. Die Predigt wird hier nicht nur auf Englisch gehalten, sondern fällt auch, anders als oftmals in Deutschland, sehr intellektuell aus.
    "Diejenigen, die predigen, gehen immer mehr weg von den trockenen, vorgestanzten Predigten, die man in den Lehrbüchern findet. Wir haben aus der Tradition gelernt und machen sie wieder relevant für die Erfahrung der amerikanischen Muslime heute."
    Nur ein Prozent der US-Amerikaner sind Muslime
    Adam El-Sayed ist in den USA geboren und aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus Ägypten. Er hat an der University of California Finanzwesen studiert. Seine theologische Bildung hat er sich selbst angeeignet. In Privatinitiative. Zurzeit ist er Aushilfsimam in der Moscheegemeinde. Der bisherige Imam hat die Gemeinde vor wenigen Wochen verlassen. Doch auch er hat auf Englisch gepredigt, so wie es in fast allen Moscheen in den USA mittlerweile üblich ist.
    "Ich denke, gerade im Süden Kaliforniens gibt es seit den 1950er Jahren eine muslimische Gemeinde. Die Migranten, die aus Übersee kamen, waren die ersten, die Predigten gehalten haben. Es ist nur nachvollziehbar, dass sie diese nicht in Englisch gehalten haben, denn es war nicht ihre Sprache. Doch in den vergangenen zehn Jahren gab es einen großen Einfluss von Studenten, die islamische Wissenschaften studiert haben, hier oder im Ausland. Sie sind diejenigen, die sich jetzt in führenden Positionen befinden und Predigten halten, Unterricht erteilen oder islamische Ehen vollziehen. Sie sind in der Lage, Fachausdrücke zu benutzen, die die Masse der Amerikaner besser versteht."
    Muslime in den USA machen mit einer Zahl von 3,3 Millionen Menschen 1 % der Bevölkerung aus. Im Vergleich zu anderen Bundesstaaten sind es in Kalifornien relativ viele. Die Gemeinde in Mission Viejo besteht seit 20 Jahren.
    "Vielen Moscheen geht langsam der Platz aus"
    In den USA müssen sich religiöse Gemeinschaften selbst finanzieren. Sie bekommen kein Geld von der amerikanischen Regierung oder von anderen Staaten. In Orange County leben viele wohlhabende Menschen, und so erklärt sich auch die Ausstattung der Moschee. Die Gemeinde lebt von Spenden, und sie vermietet einzelne Moschee-Räume. Zum Freitagsgebet ist es voll. Manche der Besucher müssen während der Predigt draußen stehen, bis sie zum Gebet hineinkommen können.
    "Es gibt einen Bedarf, speziell was die Freitagspredigten angeht, denn uns geht langsam der Platz aus. Viele Moscheen haben daher freitags zwei Gottesdienste. Einen um halb eins, den anderen um zwanzig vor zwei. Und beide sind voll."
    "Grundstücke sind sehr teuer im Süden von Kalifornien. So ist die Situation. Hier gibt es Moscheen im Abstand von 20 bis 30 Kilometern. Moscheen zu bauen kostet viel Geld. Unsere Gemeinden entwickeln sich auch immer mehr von Gebetsräumen hin zu Gemeindezentren. Wenn wir also eine Moschee bauen, dann bauen wir sie groß, verbunden mit einem Multi-Funktionsraum und einer Grundschule. Das sind sehr teure Projekte, und im Gegensatz zu Europa sieht man hier kaum Hinterhofmoscheen, die nur einen Gebetsraum haben. Das finden Sie nicht."
    Eine Moschee in San Bernardino in Californien.
    Moschee in San Bernardino in Californien (EPA / DPA / Eugene Garcia)
    Die Moscheegemeinde ist unabhängig, gehört zu keinem der großen muslimischen Dachverbände in den USA. In den letzten Wochen galt die Suche nach einem neuen Imam. Es sei nicht einfach gewesen, eine geeignete Person zu finden, so Vorstandsmitglied Mohannad Mahlas. Er verweist darauf, dass die Imam-Ausbildung in den USA an theologischen Lehrstühlen einiger privater Hochschulen stattfindet oder an privaten Instituten. Keine Vermischung von Staat und Religion: das ist ein Kern der US-Verfassung. Mohannad Mahlas würde die deutschen Regelungen bevorzugen:
    "Es gefällt mir, dass Deutschland dies per Gesetz verfügt und einfordert. Das gibt es in den USA nicht. Im Allgemeinen mischt sich die Regierung nicht in die religiösen Angelegenheiten ein. Diese Angelegenheiten regeln die Religionsgemeinschaften."
    Religiöse Vielfalt in den USA
    Muslime in den USA haben einen schweren Stand: Einerseits gelten sie als besser integriert als ihre Glaubensgeschwister in Europa. Viele identifizieren sich mit den USA und ihren Werten, haben kein Problem damit, sich als stolze Amerikaner und Muslime zu bezeichnen. Religionsfreiheit ist seit den Gründungstagen das Fundament der USA. Das macht vieles für sie einfacher:
    "Ohne Zweifel. Die amerikanische Gesellschaft besteht aus Dutzenden von Ethnien und Glaubensansichten. Das macht es einfacher zu verstehen, dass all diese verschiedenen Glaubensrichtungen und Ethnien willkommen sind. Besonders hier in Südkalifornien, wo es sehr divers zugeht wie in New York oder anderen großen Städten"
    Wären da nicht die Anschläge des 11. September 2001 oder in jüngster Zeit die Attentate in San Bernandino oder in Orlando. Sie gehen auf das Konto von Tätern mit muslimischem Glauben. Sie haben das Misstrauen vieler Bürger geschürt. Ähnlich wie in Europa kämpfen die Muslime in den USA mit einer zunehmenden Islamfeindlichkeit:
    "Ich denke, so viel Islamfeindlichkeit habe ich persönlich noch nie erlebt, und ich bin 32 Jahre alt. Es ist bedauerlich, dass Muslime zum Spielball der politischen Verhältnisse geworden sind. Wie man uns anschaut, wenn wir muslimisch aussehen. Frauen, die Kopftuch tragen, werden angestarrt, beleidigt und angefeindet. Es gibt mehr Spannungen und Hass gegenüber Muslimen heutzutage."
    Die Muslime in den USA stecken zwischen Baum und Borke. Und die Situation könnte schwerer werden, hieße der kommende Präsident Donald Trump, der jetzt schon einen besonderen Kurs gegenüber Muslimen angekündigt hat.
    "Die Frage ist doch, wie realistisch ist die Politik, die er verfolgt. Die aufrichtige Antwort ist, selbst wenn er Präsident der USA werden sollte, kann er nicht alles umsetzen. Es gibt die gegenseitige Kontrolle in der amerikanischen Regierung. Ein Mann alleine entscheidet nicht die Politik. Und die guten Menschen in diesem Land, und davon gibt es viele, werden diese Beleidigungen nicht zulassen. Viele Nichtmuslime fühlen sich den muslimischen Organisationen verbunden, und sie unterstützen uns und helfen uns, unsere Freiheiten zu verteidigen."
    Auch wenn Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA gewählt werden sollte, was unwahrscheinlicher geworden ist als noch vor einigen Wochen, so wäre dies für Mouhanad Malas kein Grund, den Optimismus zu verlieren, der so charakteristisch für die USA ist:
    "Ich lebe seit mehr als 30 Jahren in den Vereinigten Staaten. Ich habe Dinge in die falsche Richtung laufen sehen, aber am Ende hat Amerika immer die Kurve gekriegt, egal ob ökonomisch, finanziell oder politisch. Dinge können schief laufen, aber Amerika hat gezeigt, es am Ende immer richtig hinzubekommen."