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Chinas neue Weltordnung
Das Megaprojekt Neue Seidenstraße

Fast eine Billion Dollar investiert China in die Handelsrouten der Neuen Seidenstraße nach Europa und Afrika. Das soll seine Wirtschaft stärken und geopolitische Macht ausbauen. Rund 70 Länder sind bislang beteiligt. Doch der Handelspartner Malaysia ist skeptisch. Er nimmt ein großes Investment zurück und warnt vor einem neuen Kolonialismus.

Von Axel Dorloff | 25.08.2018
    Seidenstraße in der chinesischen Provinz Xinjiang
    Im Osten geht die Sonne auf, heißt es aktuell oft. China betreibt mit seiner Neuen Seidenstraße momentan eine sehr offensive Handelspolitik (picture alliance / dpa)
    Die Seidenstraße ist hier Geschichte und soll auch Zukunft sein: der Nachtmarkt in Dunhuang, einer Stadt in der westchinesischen Provinz Gansu. Ihre Gründung geht auf den Handel über die antike Seidenstraße zurück. Schon vor 2.000 Jahren sind hier Kamelkarawanen in Richtung Europa loszogen.
    "Wir erwarten viel von der Neuen Seidenstraße"
    Auf dem Nachtmarkt drängeln sich die Menschen an den Garküchen entlang. Es qualmt und dampft. Und es gibt gegrilltes Hammelfleisch oder eine scharfe Rindfleischsuppe mit handgemachten Nudeln. Händler Ding Zhenhua verkauft an einem Stand Nüsse und Trockenfrüchte.
    "Wir erwarten viel von der Neuen Seidenstraße. Jedes Jahr bekommen wir mehr Touristen. Und es ist erst der Anfang. Wir freuen uns schon auf die nächste Saison. Die Geschäfte laufen immer besser. Ich mache das jetzt seit zehn Jahren. Aber so optimistisch wie jetzt war ich noch nie."
    Die Erwartungen sind riesig. Die Oase Dunhuang war früher eine der reichsten Städte Asiens. Als der meiste Handel dann über den Seeweg verlief, kehrte die Wüste zurück. Dunhuang wurde zu einer vergessenen Stadt. Heute floriert zumindest der Tourismus wieder. Die Neue Seidenstraße bringt auch Dunhuang neue Aufmerksamkeit. Aber Chinas Megaprojekt geht weit über die Volksrepublik hinaus.
    Rund 70 Länder sind bislang in Projekte der Neuen Seidenstraße eingebunden. Pakistan, Sri Lanka, und Kirgisien. Laos, Kasachstan und Ungarn. Straßen, Zugstrecken und Häfen sind entstanden, oder werden noch gebaut. Auch Kraftwerke, Pipelines und Flughäfen.
    Kern der chinesischen Außenpolitik
    Die Neue Seidenstraße ist heute Kern der chinesischen Außenpolitik, sagt Zhu Ning, Finanzwissenschaftler von der Tsinghua-Universität in Peking:
    "Es gibt drei Aspekte. Zum einen geht es um Wirtschaft und Handel, also um mehr Investitionen und um wirtschaftliche Verflechtung. Zum anderen geht es um Infrastruktur. Es gibt viele Länder, die das dringend benötigen, die aber weder Ressourcen noch Expertise dafür haben. Und natürlich gibt es auch geopolitische und strategische Interessen. China wird damit das Regelwerk des globalen Handels verändern. Die Neue Seidenstraße ist ein Mittel, den internationalen Einfluss Chinas auszubauen."
    Karte der Handelsrouten der Neuen Seidenstraße von China nach Europa und Afrika, manche zur See, andere über Land
    Zu Lande und zu Wasser streckt das Reich der Mitte seine handelspolitischen Tentakel aus (Katapult / Deutschlandradio)
    Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf über 900 Milliarden US-Dollar, manche Experten nennen noch deutlich höhere Summen. Laut einer US-amerikanischen Studie werden knapp 90 Prozent der Aufträge bei Projekten entlang der Neuen Seidenstraße an chinesische Unternehmen vergeben. Profiteure sind danach vor allem chinesische Bau-, Stahl- und Transportunternehmen, die die Infrastrukturprojekte mit umsetzen. International bleibt das Projekt umstritten. Mega-Investitionen nach chinesischen Regeln und zum eigenen Vorteil. China investiert, vergibt Kredite an andere Länder und schafft damit Abhängigkeiten. Und baut seinen internationalen Einfluss aus, sagt Experte Zhu Ning.
    Am chinesischen Wesen soll die Welt genesen?
    "China ist wahrscheinlich eins der erfolgreichsten Schwellenländer der vergangenen Jahrzehnte. China glaubt deshalb, die Situation anderer Länder zu kennen. Nach dem Motto: Was wir erfolgreich in China praktiziert haben, können wir auch in anderen Ländern umsetzen. Und weil viele Schwellenländer wegen der kolonialen Geschichte eher zu China tendieren als zum Westen, hat die Volksrepublik mehr Überzeugungskraft. Und nutzt das auch, um in den jeweiligen Ländern die Lokal- und Sicherheitspolitik zu beeinflussen."
    Es gibt zunehmend Widerstände gegen die chinesische Investitions-Politik. In Malaysia hat der Regierungschef Mahathir Mohamad gerade den Bau einer 20 Milliarden teuren Eisenbahnlinie bis zur thailändischen Grenze aussetzen lassen. Das Projekt sollte mit Hilfe chinesischer Staatsunternehmen und Kredite als Teil der Neuen Seidenstraße entstehen. Auch in Ländern wie Sri Lanka oder Vietnam ist bereits ein Stimmungswechsel zu beobachten.
    Selbst in China kämpft das Projekt Neue Seidenstraße mit Problemen. Vertragsabschlüsse und Investitionen waren zuletzt rückläufig. Das Projekt Neue Seidenstraße hat zunehmend Kratzer.