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Lieber ohne Westerwelle

In Ende Rheinland-Pfalz wird Ende März gewählt, die FDP kommt in Umfragen auf nur vier Prozent, und Schuld hat für viele der Bundesvorsitzende der Partei. In Baden-Württemberg ist die Stimmung unter den Liberalen noch ein wenig friedlicher, aber auch dort brodelt es.

Von Michael Brandt | 16.12.2010
    Heute Vormittag im Landtag von Baden-Württemberg: Bundespräsident Christian Wulff macht seinen Antrittsbesuch im Ländle, ein Knabenchor singt Weihnachtslieder, und das Staatsoberhaupt wünscht den Parlamentariern ruhige Feiertage:

    "Denn wenn ich das alles nicht habe der Amnesie verfallen lassen, dann müssten sie eigentlich weihnachtsreif sein."

    Alle lachen nach dieser launigen Bemerkung, obwohl viele mit Blick auf das, was nach Weihnachten ansteht, nicht viel zu lachen haben. Vor allem die Abgeordneten und Minister der FDP, Sie steuern nach den Weihnachtstagen nämlich nicht nur auf die Landtagswahl zu, sondern vorher noch auf das traditionelle Dreikönigstreffen der Partei. Ein Treffen, so der liberale Wirtschaftsminister Ernst Pfister, dessen Bedeutung diesmal mit Weihrauch, Gold und Myrrhe gar nicht aufzuwiegen ist:

    "Noch nie war Dreikönig so wichtig wie im kommenden Jahr. Da müssen Entscheidungen getroffen werden. Da muss der Bundesvorsitzende klar und unmissverständlich sagen, was er vorhat. Andere sollen da lieber die Klappe halten."

    Mit denen, die da lieber die Klappe halten sollen, ist erstens der schleswig-holsteinische Parteifreund Wolfgang Kubicki gemeint, der seiner Partei am Montag in einem Spiegel-Interview einmal wieder die Götterdämmerung vorhergesagt hat. Und zweitens meint er seinen Stuttgarter Parteifreund Wolfgang Weng, der sich gestern gemeinsam mit einigen Weggefährten mit einem offenen Brief an Guido Westerwelle gewandt hat:

    "Wenn man sich in der Landtagsfraktion umhört, ist nicht viel Positives über Wenig, Kubicki und die anderen internen Kritiker der FDP zu vernehmen. 'Klappe halten' ist da noch eine der milderen Formulierungen, die man hinter vorgehaltener Hand hört. Und auch bei eingeschaltetem Mikro reden die Mitglieder der FDP-Fraktion Klartext: Kubicki soll doch erst mal seine Verhältnisse in Schleswig Holstein in Ordnung bringen. Wenn man seinen Spitzenmann demontiert, das kommt nie gut. Wenn man innerhalb der eigenen Partei Leute angreift, dann dürfen auch die mal ein Gewehr halten die sonst keine Munition mehr haben."

    Angesichts der massiven Attacken auf Westerwelle sehen sich die Landtagsabgeordneten zur Solidarität mit Westerwelle geradezu genötigt. Denn auch sie sind keineswegs mit der Spitze der Bundespartei glücklich oder auch nur zufrieden. Und das liegt eben auch an Guido Westerwelle.
    Hinzukommt das Problem der Landespartei, überhaupt noch Gehör zu finden. Im Schlagabtausch der Hauptkontrahenten des anlaufenden Wahlkampfes, der CDU und den Grünen, wird sie momentan gar nicht wahrgenommen. In solch einem Stadium der Verzweiflung wäre Rückenwind aus Berlin nötig, nicht aber Streit um Personalien. Doch diesen Rückenwind für Baden-Württemberg hat FDP-Justizminister Ulrich Goll schon abgeschrieben:

    "Ich bin nie dafür, jetzt etwas zu machen, was nach Hektik und Panik riecht. Aber ich sehe dem ins Auge, dass wir diesmal ein ordentliches Ergebnis nicht nur ohne den Bund hinkriegen müssen. Sondern dass auch manches was auf Bundesebene passiert, uns hier entgegengehalten wird. Und dazugehört auch, dass der Bundesvorsitzende momentan nicht in Höchstform ist."

    Und dann fügt Goll schnell hinzu, dass Westerwelle als Wahlkämpfer in Baden-Württemberg natürlich trotzdem willkommen sei. Ausladen, wie es die Parteifreunde in Rheinland-Pfalz getan haben, wollen sie ihren Bundesvorsitzenden hier nicht. Das sollte Westerwelle aber nicht als bedingungslose Gefolgschaft missverstehen. Denn auch bei den Liberalen im Stuttgarter Landtag genießt Westerwelle kein uneingeschränktes Vertrauen mehr. Das klingt aus dem Mund von Fraktionschef Ulrich Rülke zum Beispiel so:

    "Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Herr Westerwelle auch in Zukunft eine herausgehobene Position innerhalb der FDP habe wird."

    Was ganz und gar keine Jobgarantie für den Bundesvorsitzenden ist. Und Wirtschaftsminister Pfister legt Westerwelle auf wenig subtile Art gleich den Jobverzicht nahe:

    "Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder er sagt, ich bin Bundesvorsitzender und bleibe es und werde in Rostock wieder kandidieren. Oder er sagt, er wird es nicht machen."

    Welche der beiden Varianten ihm lieber wäre, das will Pfister einstweilen nicht öffentlich sagen. Doch dass er überhaupt beide Varianten auflistet, ist schon ein Dokument des Vertrauensentzugs. Denn das ist die Art, in der Personaldebatten entzündet werden. Die feine Kunst, eine parteiinterne Lawine loszutreten, beherrscht auch der bedächtige Justizminister Goll. Auch er zeichnet Alternativen vor und reicht die Verantwortung für deren Exekution an Westerwelle weiter: Die Rolle des Königsmörders passt einfach nicht mit der des Justizministers zusammen:

    "Man muss das nüchtern sehen. Man kann einen Vorsitzenden immer nur stützen oder stürzen. Ich bin für Stützen, sehe aber dass das Feld um ihn herum immer schwieriger wird. Aber das muss er letztendlich selber entscheiden, wie er die nächste Wahlperiode plant."

    Und siehe da: Legt man diese Aussage neben die des jetzt so scharf kritisierten Wolfgang Wenig, dann bleibt festzuhalten: Sie liegen näher beieinander als Guido Westerwelle und seine Parteibasis. Keine Frage: Das Attribut, das der Bundespräsident den Landtagsabgeordneten verpasste, gilt in besonderer Weise für die der FDP: Sie sind weihnachtsreif.