Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Linda W.
Deutsche IS-Anhängerin will einfach nur nach Hause

Von der Deutschen Linda W., die vor eineinhalb Wochen in der IS-Hochburg Mossul verhaftet worden war, gibt es ein Lebenszeichen: Sie befindet sich in einem irakischen Militärkrankenhaus und möchte so schnell wie möglich nach Hause. Doch in Deutschland drohen der 16-Jährigen Ermittlungen - und auch im Irak.

Von Kersten Mügge | 24.07.2017
    Irakische Polizeieinheiten feuern bei Abu Saif auf Positionen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die irakische Armee hat ihren Vorstoß auf West-Mossul am 20.02.2017 fortgesetzt.
    Irakische Polizeieinheiten feuern bei Abu Saif auf Positionen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). (dpa-Bildfunk / AP / Bram Janssen)
    Linda W. wirkt erschöpft – sie sitzt mit einem beigen Kopftuch mit weißen Streifen auf einem Metallstuhl in einer Krankenstation eines Militärkomplexes in Bagdad. Das Areal ist von meterhohen Mauern umgeben. Wo genau es sich befindet, darf nicht gesagt werden, eine der strengen Auflagen des irakischen Militärs. Das Gespräch fand unter den Augen einer Soldatin, dreier Sanitäter und des ermittelnden Staatsanwalts statt. Für NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung kann der Reporter Amir Musawy mit ihr sprechen:
    "Linda war in einem Zustand, wo man sich sagt, sie war in Ordnung. Sie kann reden, trotz ihrer Verletzung."
    Linda W. will einfach nur nach Hause
    Am linken Oberschenkel hat sie eine Schusswunde. Das rechte Knie muss ebenfalls versorgt werden. Sie traf vermutlich der Splitter einer Rakete, von einem Hubschrauberangriff, wie sie sagt. Die 16-Jährige stammt aus Pulsnitz bei Dresden. Vor einem Jahr war sie über die Türkei und Syrien in den Irak gereist. In der IS-Hochburg Mossul lebte sie als Ehefrau eines inzwischen verstorbenen Kämpfers der Terrororganisation Islamischer Staat. Vor anderthalb Wochen wurde sie verhaftet und nach Bagdad gebracht. Nun hoffe sie, bald an Deutschland ausgeliefert zu werden, schildert Amir Musawy:
    "Sie hat mir gesagt, dass sie nach Deutschland kommen will. Sie wollte nach Hause. Sie hat genug von Waffen und Gewalt. Sie wollte einfach nach Hause zurückkommen und sie hat bereut, dass sie sich dem IS angeschlossen hat."
    Ausreise nach Deutschland ungewiss
    Ihre Familie hofft ebenfalls auf eine baldige Rückkehr. Das stehe jetzt an erster Stelle, sagte ihre ältere Schwester Miriam zu NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Die deutsche Botschaft betreut Linda W. bereits konsularisch. Aber ob und wann sie nach Deutschland zurückkehren kann, ist nach Darstellung des Sprechers der Dresdner Staatsanwaltschaft Lorenz Haase offen:
    "Das kann ich im Moment nicht sagen. Wir als Staatsanwaltschaft Dresden haben keinen Haftbefehl beantragt und werden von daher auch keine Auslieferung beantragen können. Besteht die Möglichkeit, dass Linda gegebenenfalls im Irak vor Gericht gestellt wird, dass sie gegebenenfalls als Ausländerin ausgewiesen wird."
    Ermittlungen in Deutschland und dem Irak
    In Deutschland drohen der 16-Jährigen Ermittlungen, genauso wie im Irak. So machte es der Richter deutlich, der dem Gespräch mit Reporter Amir Musawy zugestimmt hat.
    "Der Richter sagte, wenn wir davon ausgehen, dass sie keine Verbrechen in dieser Zeit, in der sie im Irak war, begangen hat, bekommt sie trotzdem einen illegalen Grenzübergang und dafür sieht das irakische Gesetz für Jugendstrafe in dem Zusammenhang dreieineinhalb Jahre vor."
    Vernommen wurde Linda W. bislang noch nicht. Erst müsse sie behandelt werden, legte der Richter fest. In dem Krankenhaus werden mehrere ausländische IS-Anhängerinnen behandelt. Darunter eine weitere Deutsche, Fatima M. Ihre Versorgung sei gut, beteuern Soldaten.