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Linken-Chef
"Der Deutsche Bundestag braucht eine Friedenspartei"

Auch wenn seine Partei einer Beteiligung der Bundeswehr bei der Zerstörung syrischer Chemiewaffen zustimme, verstehe sich Die Linke weiterhin als Friedenspartei, sagte Parteichef Bernd Riexinger im Deutschlandfunk. Politik mit militärischen Mitteln fortzusetzen sei "ein Irrweg".

Bernd Riexinger im Gespräch mit Martin Zagatta | 22.02.2014
    Der Ko-Vorsitzende der Linken Bernd Riexinger steht neben einem großen Parteilogo
    "Dem Einheitsbrei der anderen Parteien einen Standpunkt entgegen setzen": Ko-Chef der Linkspartei Bernd Riexinger (dpa/Bodo Marks)
    Martin Zagatta: Peer Steinbrück, die Stimme haben Sie wahrscheinlich erkannt, und die Sozialdemokraten haben sich an das gehalten, was er da eben gesagt hat, was ihr Spitzenkandidat also im Wahlkampf klargestellt hat: Ein Bündnis mit der Linkspartei kommt nicht infrage, so lange die ihre Außenpolitik nicht korrigiert, das heißt, zum Beispiel abrückt von ihrem strikten Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Und genau das könnte vielleicht jetzt passieren, denn in der Linkspartei sind Stimmen zu hören, die sich einem solchen Einsatz der Armee nicht mehr grundsätzlich verschließen wollen. Konkret geht es da um den Abtransport von Chemiewaffen aus Syrien. Die Bundesmarine könnte ein Frachtschiff der USA, die das macht, dann schützen. Bernd Riexinger, der Vorsitzende, der Ko-Chef der Linkspartei, um genau zu sein, ist am Telefon. Guten Morgen, Herr Riexinger!
    Bernd Riexinger: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Riexinger, bei der Vernichtung von Massenvernichtungsmitteln, beim Abtransport von Chemiewaffen aus Syrien zu helfen – lässt sich da noch ein Haar in der Suppe finden?
    Riexinger: Ja, natürlich sind wir für die Vernichtung der Chemiewaffen. Ob die Bundeswehr ein amerikanisches Schiff bewachen muss, das wird man noch sehen, also das werden wir auch prüfen, da kommt es erst mal darauf an, wie das Mandat denn genau aussehen soll. Das ändert im Übrigen auch nichts an unserer grundsätzlichen Haltung gegen Kriegs- und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Hier haben wir einen etwas anderen Fall. Wie gesagt, für eine abschließende Bewertung ist es aber noch zu früh.
    Zagatta: Aber halten wir schon mal fest: Das schließen Sie nicht aus, ja?
    "Noch abwarten"
    Riexinger: Wir werden das beraten, sobald an die Bundesregierung überhaupt herangetreten wird mit einem entsprechenden Mandat. Das wird eine Frage sein, was die UN dazu sagt und wie das konkret im Einzelfall aussieht. Ich bezweifle etwas, ob wir wirklich die Bundeswehr dafür benötigen. Aber wie gesagt, da müssen wir noch ein bisschen abwarten.
    Zagatta: Die Linkspartei, so wird ja jetzt auch schon argumentiert, hat die Bundesregierung ja ausdrücklich gedrängt, sich aktiv an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu beteiligen. Könnte man dann, wenn jetzt auch eine solche Anfrage kommt, wenn das durch die UNO abgedeckt wäre, könnte man das dann überhaupt noch mit einem Nein beantworten oder das infrage stellen?
    Riexinger: Ja, wie gesagt, das kommt auf das Mandat an der Sache. Dass wir sehr dafür sind, diese Waffen zu vernichten, und dass wir das auch unterstützen, kann kein Zweifel bestehen.
    Zagatta: Wie erklären Sie sich dann, ... oder nehmen Sie denn das nicht ernst? Es gibt ja aus Ihrer Partei auch schon Stimmen, die sagen, also nein, das kommt nicht infrage, das wäre ja dann ein Einstieg in solche Einsätze und das müsse kategorisch abgelehnt werden. Sind das Minderheiten in Ihrer Partei?
    Riexinger: Nein, es gibt natürlich die berechtigte Befürchtung, dass hier ein Standpunkt aufgeweicht wird. Ich sehe nicht, dass die Partei in irgendeiner Form ihren friedenspolitischen Standpunkt aufweichen will oder wird. Wir sind grundsätzlich gegen Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr und wir haben da auch eine klare Haltelinie für Regierungseintritte und sehen uns durch die Entwicklung der letzten Jahre in dieser Haltung auch bestätigt. Es kann ja kein Zweifel drüber bestehen, dass der Afghanistan-Einsatz ein vollkommenes Fiasko war, der vermieden werden hätte können. Auch die anderen Kriegs- und Auslandseinsätze haben die Probleme in den Ländern nicht gelöst, und wir sehen uns da auch fest an der Seite der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland.
    Zagatta: Aber die Mehrheit im Bundestag, die Parteien, die darin vertreten sind einschließlich der Grünen, die sagen ja, zur Not, wenn es darum geht, beispielsweise Völkermord zu verhindern, zu beenden, dann kann man dem auch nicht untätig zuschauen. Da unterscheiden Sie sich.
    Riexinger: Da unterscheiden wir uns, zumal die Grünen ...
    Zagatta: Sie schauen dem Morden dann lieber zu.
    "Man muss präventiv tätig sein"
    Riexinger: Nein, wir schauen gar nicht zu, sondern wir sagen: Man muss präventiv tätig sein. Wir würden uns wirklich wünschen, dass gegen Hunger und gegen soziale Zerklüftungen rechtzeitig vorgegangen wird und die Konflikte rechtzeitig befriedigt werden und dass nicht immer dann "Ja" geschrien wird, wenn es um den Einsatz des Militärs geht, was sehr aufwendig ist und die sozialen Probleme nicht lösen kann.
    Zagatta: Herr Riexinger, das würden sich die anderen wahrscheinlich auch wünschen, also das würde ja keiner abstreiten.
    Riexinger: Nur machen sie es nicht, sondern sie machen das Gegenteil. Offensichtlich haben sie, sind sie dem Militärischen ein Stück weit erlegen. Das ist schade, weil bei uns galt ja mal über Jahrzehnte das Grundprinzip: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Die Linke beherzigt diesen Grundsatz und ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die hier ganz klar und konsequent ist. Und der Deutsche Bundestag braucht auch eine solche Friedenspartei.
    Zagatta: Den Schwenk, den die Grünen mitgemacht haben mit ihrem Regierungseintritt – so was können Sie sich nicht vorstellen?
    Riexinger: Na ja, wir waren jetzt auch in der Debatte: Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die Grünen das alle noch für gut halten, was sie da gemacht haben. Zumindest gibt es im Nachgang auch kritische und nachdenkliche Stimmen, zum Beispiel zum Afghanistan-Einsatz, weil alle Ziele, die die Grünen vorgegeben haben, dass hier Frauen befreit werden, dass hier das Land befriedet wird und ähnliche Dinge, sind ja nicht eingetreten. Also ich würde den Grünen dringend raten, und auch den anderen Parteien, hier einmal kritische Bilanz zu ziehen und die Fakten sprechen zu lassen.
    Zagatta: Das wird ja in den Parteien, das würden die zumindest für sich in Anspruch nehmen, ja auch gemacht. Dennoch sieht es ja so aus: Also Sie bleiben da im Bundestag relativ isoliert als Partei und scheiden nach der bisherigen Logik damit auch als Bündnispartner für die SPD, für die Grünen vielleicht auch, zumindest als Partner für eine Linkskoalition aus. Das nehmen Sie in Kauf?
    "Eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt ja den Standpunkt der Linken"
    Riexinger: Ja, wir sind ja nicht isoliert von der Bevölkerung, sondern im Gegenteil: Eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt ja den Standpunkt der Linken. Und ich bin mal gespannt, wie das die nächsten Jahre weitergeht. Vielleicht gibt es ja auch Bewegung in die völlig andere Richtung, dass insbesondere die SPD und die Grünen sagen: Wir müssen wieder zu einer aktiven Friedenspolitik zurückkehren, und der Weg, die Politik mit militärischen Mitteln fortzusetzen, ist ein Irrweg. Ich halte das nicht für ausgeschlossen, zumal ja einige Militäreinsätze durchaus auch hier heilsame Wirkung erzielt haben.
    Zagatta: Herr Riexinger, wenn Sie sich so auf die Bevölkerung berufen, da würden viele ja wahrscheinlich sagen, unter Umständen auch eine Mehrheit, dass die NATO zumindest Frieden gesichert hat in Europa, dass die EU doch gar keine so schlechte Rolle spielt. Das sieht man ja jetzt vielleicht auch an den Vorgängen in der Ukraine, dass man da Verhandlungen erreicht hat. Stehen Sie da nicht ziemlich abseits da mit Ihren großen Vorbehalten gegen die NATO, mit Ihren großen Vorbehalten gegen die EU?
    Riexinger: Ja, überlegen Sie sich mal, wenn es im Bundestag gar keine Stimme mehr gäbe, die hier den Finger auf die Wunde legt und die dem Einheitsbrei der anderen Parteien einen anderen Standpunkt entgegensetzen würde – es würde ja ... große Teile der Bevölkerung würden gar keinen politischen Ausdruck mehr für ihre Meinung finden. Ich glaube, das hätte auch nichts mit Demokratie zu tun. Und ob wir wirklich so alleine dastehen, das werden die nächsten Jahre zeigen. Ich sage ja auch nicht, dass alle Maßnahmen der EU falsch sind oder dass die nur Kriegspolitik machen, sondern es wird natürlich dort immer um einen Standpunkt gerungen. Aber wenn wir mal die letzten Jahre anschauen, dann hat die Linke im Nachgang meistens Recht bekommen durch die Fakten und durch die reale gesellschaftliche Entwicklung.
    Zagatta: Wenn Sie sagen, da wollen Sie vielleicht auch Meinungen von Minderheiten vertreten in der Bevölkerung, die da kritisch sind: Muss man dann so weit gehen, wie das aus Ihrer Partei jetzt getan wurde, dass man da gegen die Demonstranten beispielsweise jetzt in der Ukraine Stellung bezieht und denen da, die vielleicht sogar – so sagen es die anderen Parteien jetzt – diese Oppositionsbewegung in der Ukraine diffamiert?
    Riexinger: Das machen wir ja nicht. Ich habe ja auch ein Interview gegeben: Wir sagen ja, wir kritisieren ja nicht per se die Demokratiebewegung oder die Protestierenden, sondern es ist einfach eine Tatsache, dass es natürlich dort auch undemokratische und faschistische Gruppen gibt, die wir nicht unterstützen können. Es ist auch eine Tatsache, dass das Regime nicht gerade ein Ausdruck der Demokratie ist, sondern sich selber bereichert und undemokratisch vorgeht. Und wir haben eben kritisiert, dass die EU hier zu eindeutig und einseitig Position bezogen hat und dadurch auch Schwierigkeiten bekommen hat, den Konflikt wirklich zu vermitteln.
    Zagatta: Fürchten Sie da jetzt, wenn die nächsten Tage diese Diskussion hochkommt, mit der wir das Interview ja begonnen haben, also eine Diskussion jetzt um einen Einsatz zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen mit der bundesdeutschen Marine vielleicht zu begleiten, fürchten Sie da jetzt Spannungen in Ihrer Partei?
    Sachliche Diskussion
    Riexinger: Nein. Wir werden die Frage ganz sachlich entlang der Fakten diskutieren. Wir sind ja keine Fundamentalisten, sondern wir prüfen den Auftrag. In der Sache sind wir sehr dafür, die Chemiewaffen zu vernichten, und die Frage, ob wirklich die Bundeswehr benötigt wird, um das Schiff zu beschützen, um im Übrigen, glaube ich, sogar ein amerikanisches Schiff zu beschützen, das wird dann im Einzelnen geprüft und das wird die Linke ganz sachlich machen.
    Zagatta: Bernd Riexinger, der Chef der Linkspartei. Herr Riexinger, ich bedanke mich für das Gespräch heute Morgen. Vielen Dank!
    Riexinger: Ich bedanke mich auch!
    Zagatta: Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.