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Linken-Politiker fordert rasche Klärung der offenen Führungsfragen

Es sei bekannt, dass er eine Kandidatur von Dietmar Bartsch als Parteichef ausdrücklich unterstütze, sagt Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender der Linken in Mecklenburg-Vorpommern. Eine gemeinsame Spitze mit Sahra Wagenknecht scheine ihm weniger geeignet, da Ziele und Vorstellungen der beiden nicht unbedingt korrespondierten.

Steffen Bockhahn im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.04.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Gesine Lötzsch, sie hat gemeinsam mit Klaus Ernst zwei Jahre lang die Partei Die Linke angeführt. Nicht nur außerhalb der Partei allerdings war sie umstritten, auch innerhalb der eigenen Reihen empfanden sie viele eher als Belastung als als Bereicherung. Sie war es, die in einem Artikel über "Wege zum Kommunismus" schwadronierte, sie setzte ihre Unterschrift unter Glückwünsche an Fidel Castro und sie machte mit zweideutigen Aussagen zum Mauerbau von sich reden. Gestern hat sie persönlich bekannt gegeben, dass sie von ihrem Amt zurücktritt, und gab als Begründung ihren kranken Mann an. Reaktionen, gesammelt in Bernburg bei Magdeburg von Verena Kemna.

    O-Töne: "Wir wünschen uns den Dietmar Bartsch, weil er wirklich das Zeug dazu hat und eben wirklich an der Realität auch arbeitet."

    "Jetzt werden wir mal sehen, wer dann noch kandidiert. Ob es nun unbedingt Altpolitiker Lafontaine sein muss, weiß ich nicht, aber ich würde ihn auch gerne noch als Berater im Hintergrund wissen, denn er hat ja nun einen unwahrscheinlichen Erfahrungsfundus und so weiter. Ich bin für Sahra Wagenknecht, aber sie muss natürlich kandidieren. Ob sie das jetzt schon will, weiß ich nicht."

    "Bedauerlicherweise ist sie ja in der Vergangenheit von der Partei nicht anerkannt worden, von vielen Parteimitgliedern nicht. Das ist das, was mich eigentlich wundert."

    Heckmann: Reaktionen, gesammelt an der Linken-Basis in Bernburg bei Magdeburg von meiner Kollegin Verena Kemna. – Und am Telefon ist jetzt Steffen Bockhahn, er ist der Chef der Linken in Mecklenburg-Vorpommern. Guten Morgen, Herr Bockhahn.

    Steffen Bockhahn: Schönen guten Morgen!

    Heckmann: Gesine Lötzsch tritt also als Parteichefin zurück. Auch wenn der Anlass, die Krankheit ihres Mannes, sicher nicht schön ist, fällt Ihnen trotzdem ein klein bisschen ein Stein vom Herz?

    Bockhahn: Also das wäre jetzt absolut unanständig, so was zu sagen. Ich nehme das mit Respekt zur Kenntnis, dass Gesine Lötzsch zurückgetreten ist, und wünsche ihr natürlich privat und vor allen Dingen ihrem Mann alles Gute. Es gab in der Vergangenheit viel, worüber ich mit Gesine Lötzsch gerne streiten würde, aber das ist jetzt nicht der Anlass, zumal es jetzt eigentlich auch eher darum geht, wie es weitergeht.

    Heckmann: Aber trotzdem sollte man ja vielleicht einen Blick zurückwagen. Das ist ja immer eine ganz gute Grundlage, auch um die Zukunft aufzubauen. Wie würden Sie denn ihre Amtszeit bewerten, als Erfolg, denn es gab ja immerhin reihenweise Wahlniederlagen?

    Bockhahn: Ich will es mal so formulieren: Sie gehörte zu einem Vorstand, der es in den letzten zwei Jahren nicht vermocht hat, das Profil der Linken zu schärfen und die Erfolge, die wir bis 2009 eingefahren haben, fortzusetzen. Das ist sicherlich ein Teil auch mit ihre Schuld, aber mit Sicherheit nicht alleine. So was kriegen Vorstände immer in Gänze hin, das weiß ich aus meinem eigenen Landesvorstand, dass man gemeinsam scheitert, aber auch gemeinsam gewinnt.

    Heckmann: Wie hilfreich waren da die Spekulationen über Wege zum Kommunismus, die Glückwünsche an Fidel Castro oder auch die Aussage von Gesine Lötzsch, die den Mauerbau als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges bezeichnet hatte?

    Bockhahn: Es gibt Dinge, die sind glücklich, und es gibt Dinge, die sind weniger glücklich. Aber wissen Sie, solange Politiker der CSU wie Norbert Geis Homosexualität noch als Krankheit bezeichnen dürfen, und das am Pult des Deutschen Bundestages, finde ich, kann man sich auch Gedanken darüber machen, wem man Glückwunschtelegramme schreibt.

    Heckmann: Trotzdem sollte man sich vielleicht auch Gedanken machen über die eigene Partei. Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, der hatte gestern gesagt, für die Opfer der SED-Diktatur sei Frau Lötzsch eine Zumutung gewesen und er hoffe, dass die Zeit der DDR- und Kommunismusverklärung durch Die Linke endlich ein Ende hat.

    Bockhahn: Na ja, ich habe ja auch mal Geschichtswissenschaften studiert und kann deswegen sagen, dass ich von Hubertus Knabe auch aus wissenschaftlicher Sicht eher wenig halte. Menschlich habe ich ihn noch nie für besonders geeignet gehalten und ich finde, Hubertus Knabe kann sehr gut erst mal bei sich aufräumen. Die Art und Weise, wie er über andere spricht, ist alles andere als humanitär. Und man muss aus meiner Sicht sauber trennen: zum einen die berechtigte und notwendige Aufarbeitung all dessen, was zwischen 49 und 89 in der DDR passiert ist, und dem, wie man dann damit umgeht. Ich glaube, dass Hubertus Knabe jemand ist, der in keiner Form auf Versöhnung, auf Miteinander und auf eine gemeinsame Zukunft setzt, sondern er konzentriert sich darauf, in der Vergangenheit Spaltendes zu suchen und auszusenden und zu diskriminieren. Das ist aus meiner Sicht übrigens auch dem Anliegen einer sachgerechten Aufarbeitung der DDR-Geschichte nicht dienlich.

    Heckmann: Hat es denn so was gegeben wie eine DDR- oder Kommunismus-Verklärung in der Linken?

    Bockhahn: Selbstverständlich gibt es Menschen, die die DDR ja positiver betrachten, als ich das tun würde. Das ist aber, glaube ich, vom Grundgesetz absolut gedeckt, dass man seine eigene und freie Meinung haben darf. Im Grundgesetz steht übrigens auch nicht, dass man nicht über den Kommunismus nachdenken darf. Ganz im Gegenteil: Es ist alles erlaubt, solange die Grundrechte eingehalten werden und der Föderalismus erhalten bleibt. Das sind die Ewigkeitsklauseln des Grundgesetzes und das ist auch ganz in Ordnung so. Das wird gelegentlich übersehen. Nur aus meiner Sicht ist das auch nicht die entscheidende Frage, ob jemand sein Lebenswerk und etwas, an das er geglaubt hat, weiterhin für richtig hält oder nicht. Man möge sich einfach nur mal die Mühe machen und sich vorstellen, es wäre genau anders herum gekommen; ich glaube, es hätten auch in den westlichen Bundesländern einige erhebliche Schwierigkeiten, von heute auf morgen einzusehen, dass alles, woran sie immer geglaubt haben, nicht wahr gewesen sein soll.

    Heckmann: Bodo Ramelow, der Fraktionschef in Thüringen, der hat gestern eine Doppelspitze, Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht, ins Spiel gebracht. Die beiden würden thematisch gut passen. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine könnten dann als Spitzenkandidaten für 2013 antreten. Wäre das eine Aufstellung, die aus Ihrer Sicht Erfolg versprechend ist?

    Bockhahn: Na ja, Bodo Ramelow hat diesen Vorschlag ja nicht zum ersten Mal gemacht. Ich bin von dem nicht so besonders begeistert, aus verschiedenen Gründen. Erstens: Ich finde, man sollte über Kandidaturen sprechen, wenn sie erklärt sind. Bisher gibt es eine erklärte Kandidatur für den gesamten geschäftsführenden Parteivorstand, ...

    Heckmann: Nämlich Dietmar Bartsch!

    Bockhahn: ... , nämlich die von Dietmar Bartsch. Das ist auch bekannt, dass ich die ausdrücklich unterstütze. Er ist aus Mecklenburg-Vorpommern, das macht uns schon mal sehr verbunden. Außerdem glaube ich, ist er einer der fähigsten und besten Politiker, den wir in der Linken haben, und darauf zu verzichten, wäre schlicht dämlich. Im Übrigen liegen nach meiner Kenntnis keine weiteren erklärten Kandidaturen vor, weder für den Vorsitz, noch für die Stellvertretung, noch für die Geschäftsführung, und das, glaube ich, ist ein Punkt, über den man erst mal ernsthaft reden muss, weil in sechs Wochen soll der Vorstand gewählt werden. Und über die Frage, wer Die Linke nächstes Jahr in den Bundestagswahlkampf führen soll, muss aus meiner Sicht als eine der ersten Aufgaben der neu zu wählende Parteivorstand entscheiden und dem würde ich da jetzt nicht vorweggreifen wollen und die Frage ist für mich auch gerade nicht so wichtig wie die, wer künftig den Kurs der Linken als Vorstand bestimmen wird.

    Heckmann: Aber Sie sagten gerade eben auch, dass Sie die Kombination Bartsch-Wagenknecht für nicht besonders glücklich halten würden. Warum?

    Bockhahn: Das habe ich, glaube ich, so eben nicht gesagt. Aber es stimmt im Zweifel trotzdem, allein schon deswegen, weil für mich das Wichtigste erst mal ist, dass die Leute, die an der Spitze der Partei stehen, miteinander gut arbeiten können und miteinander ein ähnliches Ziel verfolgen. Und ob das bei Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch so möglich ist, das müssen im Zweifel die beiden miteinander klären. Aber vor allen Dingen glaube ich, dass erst mal Sahra Wagenknecht erklären müsste, ob sie überhaupt zur Verfügung steht. Vorher bringt das alles nichts.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass ein Comeback von Oskar Lafontaine überhaupt zu verhindern ist?

    Bockhahn: Ich weiß nicht, ob er zurückkommen muss, oder ob er nicht längst da ist. Die entscheidende Frage für mich ist, ...

    Heckmann: Zumindest nicht in der ersten Reihe!

    Bockhahn: Na ja, aus bekannter Tradition weiß man, dass man nicht immer in der ersten Reihe stehen muss, um der Mächtigste zu sein.

    Heckmann: Das heißt, Oskar Lafontaine ist der Mächtigste bei den Linken?

    Bockhahn: Das könnte meine Aussage suggeriert haben. Fakt ist, dass wir momentan in einer Situation sind, wo alle darauf warten, dass Oskar Lafontaine sich entscheidet. Ich glaube, dass das nicht gut ist für eine Partei, wenn sie sich von einer Person abhängig macht. Im Übrigen: Egal wer das ist, das würde ich auch bei Lothar Bisky, Gregor Gysi oder sonst wem sagen. Eine Partei muss gucken, dass sie eigenständig agiert und nicht darauf wartet, was einer sagt. Ansonsten hat sie ein ernsthaftes Problem. Das möchte ich nicht und das bringt uns auch alle zusammen nicht vorwärts. Abgesehen davon denke ich, dass wir auch an übermorgen denken sollten, und da ist es dann, glaube ich, besser, wenn wir uns auf etwas jüngere Leute konzentrieren, die es schlicht und ergreifend auch können.

    Heckmann: Der Chef der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, war das. Herr Bockhahn, danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Bockhahn: Gerne!

    Heckmann: Und einen schönen Tag.

    Bockhahn: Ebenso.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.