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Linken-Politiker Lederer bei SED-Opfern
"Danke, dass Sie mich hier aushalten"

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft setzt sich für die Opfer der SED-Diktatur und gegen das Vergessen ein. Auf dem Festakt zum 25. Geburtstag des Vereins in Berlin sprach auch Klaus Lederer, Mitglied der SED-Nachfolgepartei Die Linke. Für manche Teilnehmer war das kaum zu ertragen.

Von Claudia van Laak | 16.02.2017
    Berlins Kultursenator Klaus Lederer vor einer blauen Wand mit dem Logo des Berliner Senats.
    Der Linken-Politiker Klaus Lederer, Kultursenator im rot-rot-grünen Berliner Senat, ist Stiftungsratsvorsitzender der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen und der Stiftung Berliner Mauer. (dpa/Paul Zinken)
    Wie viele Jahre Gefängnis hier im Publikum sitzen, lässt sich nur schätzen. Sieben Jahre Sibirien, sagt einer der Gäste. Ich war im DDR-Frauengefängnis Hoheneck – so die Nachbarin. Klaus Lederer, einen Politiker der SED-Nachfolgepartei an diesem Abend auf ihrer Festveranstaltung reden zu hören – das geht vielen, die unter dieser Partei gelitten haben, gewaltig gegen den Strich:
    "Ich bin der Meinung, dass die Linken immer noch eine Gefahr sind. Die gehören aus meiner Sicht hier nicht her. Und zwar überhaupt nicht. Die gehören eigentlich nirgendwo hin." - "Da haben wir die ganzen Linken wieder oben, in der Regierung sind sie doch schon. Gestern ist der Gysi sogar Prinz vom Karneval geworden." - "Mein Fall ist es nicht. Aber wir haben nun jetzt im Moment die politischen Verhältnisse so und damit muss man eben dann vorliebnehmen. Gewählt ist gewählt."
    "Ich konnte nicht ertragen, dass jetzt ein Vertreter diese Partei ein Grußwort spricht"
    Gewählt ist Klaus Lederer, Kultursenator im rot-rot-grünen Berliner Senat, an diesem Abend als Vertreter des Regierenden Bürgermeisters am Rednerpult - beim 25. Geburtstag der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft UOKG. Der 42-Jährige ist unerschrocken, weicht solchen Begegnungen nicht aus. Berlins Kultursenator weiß – eine 08/15-Politikerrede ist jetzt und hier fehl am Platz:
    "Im Bewusstsein darum, dass es für manche von Ihnen als Zumutung betrachtet wird, betrachtet werden muss, dass hier ein Mensch steht, der Minister in diesem Land ist für die SED-Nachfolgerorganisation Die Linke, gestatten Sie mir einige persönliche Worte."
    Das Publikum horcht auf. Alle außer einem älteren grauhaarigen Mann, der aus dem Saal stürzt. Den höre ich mir doch nicht an, ich bin doch nicht bekloppt, stößt Alexander Bauersfeld hervor - eineinhalb Jahre lang war er politischer Gefangener in der DDR, bevor die Bundesrepublik ihn 1984 freikaufte:
    "Für mich ist es eben nicht normal, dass es in Berlin eine Koalition gibt, in der die SED-Linke beteiligt ist als ganz normale Partei. Und aus dem Grund konnte ich nicht ertragen, dass jetzt ein Vertreter dieser Partei ein Grußwort spricht vor Menschen, die lange Jahre politisch inhaftiert waren. Deshalb bin ich rausgegangen."
    Klaus Lederer: Keinen Schlussstrich unter die DDR-Vergangenheit setzen
    Alexander Bauersfeld bleibt vor der Tür, während Klaus Lederer drinnen von seiner politischen und persönlichen Wandlung erzählt – von einem Prozess, der ihn die DDR heute ganz anders sehen lasse als vor 25 Jahren:
    "Was war das eigentlich für ein Unterdrückungssystem, in dem ich da gelebt habe, und ich habe über diese 25 Jahre des Austausches, des Respekts, der Kommunikation auf Augenhöhe Freunde gewonnen, die seinerzeit unter dem SED-Regime gelitten haben."
    Einen Schlussstrich unter die DDR-Vergangenheit dürfe es nicht geben, sagt Klaus Lederer von der Linken, für seine Position müsse er manchmal von der eigenen Partei Prügel einstecken. Berlins Kultursenator bekommt Applaus von den SED-Opfern – aber ganz so leicht lassen sie ihn nicht davonkommen.
    Es ist der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn, der Klaus Lederer mangelnde Glaubwürdigkeit vorwirft – hatte doch die Linke den Stadtsoziologen Andrej Holm zum Staatssekretär gemacht, der wahrheitswidrig behauptet hatte, nie hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen zu sein. Klaus Lederer schluckt:
    "Es ist auch immer eine dauerhafte Auseinandersetzung mit meiner eigenen Partei, die Defizite hat, wahrzunehmen und Empathie zu empfinden für diejenigen, die gesessen haben, die gelitten haben. Das hat auch die Debatte um den Fall Andrej Holm wieder gezeigt. Diese Debatte muss mit Respekt und Achtung geführt werden, sie muss mit Sensibilität geführt werden, und sie darf nicht vergessen, wie es auf die Opfer wirkt, wenn wir heute über solche Fragen diskutieren."
    Offen für die Auseinandersetzung mit SED-Opfern
    Alexander Bauersfeld steht weiter draußen vor der Tür. Er will und kann so etwas von einem Linken-Politiker nicht hören, ihm wird körperlich unwohl dabei:
    "Ich weiß natürlich, dass Herr Lederer sehr viel jünger ist als Gysi oder Modrow, aber er ist dann in der falschen Partei. Dann sollte Herr Lederer in eine demokratische Partei gehen."
    Klaus Lederer ist jetzt Stiftungsratsvorsitzender der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen und der Stiftung Berliner Mauer. Der Auseinandersetzung mit den SED-Opfern will er sich weiter stellen:
    "Ich bedanke mich dafür, dass Sie mich hier aushalten, und gratuliere noch einmal herzlich zu 25 Jahren. Vielen Dank."