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Linksbündnis in Polen
Vereint in den Untergang?

Die Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen in Polen wäre eigentlich ein linkes Thema. Doch Umfragen prognostizieren, dass bei den Wahlen im Oktober diesen Jahres keine linke Partei allein ins Parlament einziehen wird. Nun soll ein Wahlbündnis die Linken retten. Nur wenn sie die acht-Prozent-Hürde nehmen, können sie eine mächtige rechtsgerichtete Koalition verhindern.

Von Florian Kellermann | 28.07.2015
    Magdalena Ogorek, parteilos, ehemalige Präsidentschaftskandidaten des Bündnis der demokratischen Linken
    Magdalena Ogorek, parteilos, ehemalige Präsidentschaftskandidaten des Bündnis der demokratischen Linken (dpa / picture alliance / Leszek Szymanski)
    Wer sich das Ergebnis der polnischen Präsidentenwahl im Mai ansieht, muss lange nach einem linken Bewerber suchen. Auf Platz fünf kam Magdalena Ogorek mit 2,38 Prozent der Stimmen. Ein katastrophales Ergebnis. Ogorek war für die SLD, das "Bündnis der demokratischen Linken", angetreten. Noch schlechter schnitt Janusz Palikot ab. Den Gründer und Vorsitzenden der Partei "Deine Bewegung" wählten gerade mal 1,42 Prozent.
    Nun also soll ein Wahlbündnis die linken Parteien retten. Dessen Arbeitstitel: Vereinigte Linke.
    Die Not habe die linken Parteien zusammengebracht, gibt Barbara Nowacka offen zu. Die 40-Jährige ist Hoffnungsträgerin von Janusz Palikots linksliberaler Formation "Deine Bewegung".
    "Die Umfragen zeigen, dass wahrscheinlich keine linke Partei allein ins Parlament einziehen wird. Da mussten wir die gegenseitige Animositäten beiseite schieben, damit es im Parlament weiterhin sozialdemokratische, fortschrittliche Stimmen gibt. Das ist nötig. Polen hat in den vergangenen acht Jahren viel Geld von der Europäischen Union bekommen, aber es nicht klug ausgegeben. Wir haben nicht in Menschen investiert und in sichere Arbeitsplätze, sondern nur in Infrastruktur - und auch da vor allem in Straßen und viel zu wenig in die Eisenbahn."
    Acht Prozent muss ein Wahlbündnis erreichen, um ins Parlament einzuziehen, bei solo kandidierenden Parteien reichen fünf Prozent. Tatsächlich hängt viel daran, ob es die Linke schafft. Denn scheitert sie und gleichzeitig die Bauernpartei PSL, dann bahnt sich im Sejm eine mächtige rechtsgerichtete Koalition an. Die rechtskonservative PiS von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski könnte dann vielleicht sogar die Verfassung ändern - gemeinsam mit der noch nicht gegründeten Partei des Popmusikers Pawel Kukiz, eines Rechtspopulisten. Barbara Nowacka:
    "Dann kann in Polen etwas Ähnliches passieren wie in Ungarn nach der Wahl von Viktor Orban zum Premierminister. Da haben wir ja gesehen, dass die Europäische Union nichts unternimmt, wenn eine Regierung Grundrechte wie die Pressefreiheit aushebelt. Die PiS gibt sich jetzt noch gemäßigt, stellt sympathische, ruhige Vertreter in den Vordergrund. Aber die Hardliner stehen bereit und warten nur auf ihren Einsatz."
    Neben der SLD und "Deine Bewegung" gehören ein reichliches Dutzend kleinerer Parteien und Gruppierungen der "Vereinigten Linken" an, darunter auch die polnischen Grünen.
    Nur ein "Rettungsbündnis für Abgeordnete"?
    Diese Vielfalt ist ein Punkt, an dem Kritiker ansetzen. So wurde die SLD von ehemaligen Parteifunktionären aus den Zeiten des kommunistischen Polen gegründet. Mit feministischen Aktivistinnen oder schwul-lesbischen Gruppen haben die nur wenig gemeinsam. Böse Zungen nennen das Wahlbündnis deshalb nur ein Rettungsboot für Abgeordnete, die um ihr Mandat fürchten.
    Ein weiterer Schwachpunkt des Wahlbündnisses ist der Führungsanspruch der SLD. Die Partei hatte sich während ihrer letzten Regierungszeit bis zum Jahr 2005 kompromittiert - unter anderem durch Korruptionsaffären.
    Linke Themen gibt es in Polen genug - etwa die Situation auf dem Arbeitsmarkt für junge Menschen. Etwa anderthalb Millionen haben nur schlecht bezahlte Zeitverträge. Wähler der Linken seien sie deshalb aber noch lange nicht, sagt der Soziologe Maciej Gdula.
    "Ich habe mit vielen gesprochen, die es schwer haben auf dem Arbeitsmarkt. Sie glauben nicht daran, dass sich diese Situation insgesamt ändern lässt. Deshalb sind sie einfach wütend auf diejenigen, die es besser haben. Sie wählen, wenn sie wählen, eine Protestpartei. Sie wünschen sich nicht, dass es allen besser geht, sondern dass es allen so schlecht geht wie ihnen."
    Diese Protestwähler gaben bei der Präsidentenwahl dem Popmusiker Kukiz ihre Stimme, viele von ihnen dürften das im Oktober wieder tun. Ein weiteres Problem der Linken: Die rechtskonservative PiS tritt mit sozialen Versprechen an, die kaum zu überbieten sind. Wirklich hervorheben kann sich die Linke deshalb nur durch ihre Distanz zur katholischen Kirche. Umfragen zeigen, dass dies jedoch bisher nicht reichen dürfte, um die Acht-Prozent-Hürde zu überwinden.