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Linkspartei in Erklärungsnot
Lissabons linker Stadtrat verdient an Immobilienspekulation

Seit die portugiesische Regierung ausländische Investoren ins Land lockt, sind die Immobilienpreise in Lissabon extrem gestiegen. Dagegen wetterte auch der Linksblock. Doch nun kam heraus, dass ausgerechnet ein Linkspolitiker ein lukratives Geschäft mit der Immobilienspekulation gemacht hat.

Von Tilo Wagner | 31.07.2018
    Altstadt von Lissabon
    Hinter der Immobilienspekulation in Lissabon verbergen sich menschliche Schiksale. (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Die Geschichte ist ein gefundenes Fressen für Comedy-Sendungen im portugiesischen Fernsehen: Der Lissabonner Stadtrat Ricardo Robles von der linkspopulistischen Partei "Bloco Esquerda" hat sich den Kampf gegen die Immobilienspekulation in der portugiesischen Hauptstadt eigentlich auf die Fahnen geschrieben. Doch gleichzeitig ersteigert er vom Staat ein altes Mehrfamilienhaus für 347.000 Euro, lässt es aufwendig renovieren und bietet es ein paar Jahre später für 5,7 Millionen Euro zum Kauf an.
    Was mit einem Artikel in einer Wirtschaftszeitung begann, nimmt innerhalb weniger Tage das Ausmaß eines mittelgroßen Politik-Skandals an. Denn das Thema der Immobilienspekulation ist nicht nur Kanonenfutter für portugiesische Humoristen. Dahinter verbergen sich menschliche Schicksale. Der Quadratmeterpreis hat sich in der Lissabonner Altstadt seit 2013 verdoppelt - und darunter leidet vor allem die ältere Bevölkerung.
    Das Haus, über das ganz Lissabon spricht, liegt im historischen Stadtteil Alfama. An der blauen Wand steht frisch gesprüht: "Hier könnte jemand wohnen". Die Aufregung ist auch deshalb so groß, weil der Stadtrat angeblich einen Cafébetreiber aus dem Haus geklagt hatte, um die Modernisierungsarbeiten durchzuführen. Das Viertel lebt vom Tourismus. Große Kreuzfahrtschiffe legen täglich an einem gerade eröffneten neuen Terminal an. Von einem kleinen Platz geht es durch enge Gassen an Fado-Bars und Baustellen vorbei. Manuela Gonçalves, die alle im Viertel nur Dona Manuela nennen, steht in einem der wenigen verbliebenen Tante-Emma-Läden und schaut den Touristen zu, wie sie ihre Rollkoffer über das unebene Kopfsteinpflaster ziehen.
    Wo früher Krämerläden waren stehen jetzt teure Hotels
    Früher sei das Viertel wie ein Dorf gewesen, erzählt die Frau, die seit 45 Jahren ihren Laden betreibt: Fischverkäuferinnen, Hafenarbeiter und mitten drinnen die vielen Kinder, die auf den Plätzen Fußball spielten. Das sei jetzt vorbei:
    "Den Laden muss ich jetzt zumachen. Vor 16 Jahren wollte die Stadtverwaltung das Gebäude eigentlich Instand setzen. Nichts ist passiert. Dann ist der alte Besitzer gestorben und die Erben haben das Haus an einen ausländischen Investor verkauft. Der sagt jetzt, dass wir alle raus müssen, weil er aufwendig sanieren muss. Wahrscheinlich kommt dann ein Hostel hier rein, so wie überall. Sie machen alles zu. Die Sozialvereine. Oder den Club nebenan, der 104 Jahre alt war. Und zuletzt auch den Kindergarten. Hier geht nichts mehr."
    Der Linksblock hatte noch gegen Immobilienspekulationen demonstriert
    Um Menschen wie Dona Manuela hat sich der Linksblock in jüngster Zeit gekümmert. Die linkspopulistische Partei hat zu Demonstrationen gegen Immobilienspekulation aufgerufen und sich für neue Richtlinien ausgesprochen, um den Markt der Ferienwohnungen stärker regulieren zu können. Vor knapp zwei Wochen hat die Partei zusammen mit den regierenden Sozialisten und anderen Linkskräften im portugiesischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass die Rechte der Anwohner in den Städten stärken soll.
    Doch der Linksblock wirkt überfordert von dem Skandal um ihren scheinbar geldhungrigen Stadtrat. Die Parteivorsitzende Catarina Martins erklärte, der Angriff auf ihren Parteifreund Robles fände nur deshalb statt, weil die politischen Projekte des Linksblocks allgemein in ein schlechtes Licht gerückt werden sollen. Diese Begründung wurde zu einem Eigentor. Ein einflussreicher TV-Kommentator sieht den Linksblock bereits in eine schwere Führungskrise schlittern. Stadtrat Ricardo Robles ist gestern von seinem Amt in der Lissabonner Lokalregierung zurückgetreten.
    Im Stadtteil Alfama hat Dona Manuela noch eine Idee, wie der Linkspolitiker seine zweifelhafte moralische Einstellung ausbügeln könnte. Anstatt das Haus zu verkaufen oder noch mehr Ferienwohnungen zu schaffen solle Ricardo Robles an die Bürger denken:
    "Das Haus hat elf Wohnungen, da können elf Familien rein. Oder meinetwegen sieben Familien und vier Ferienwohnungen. Wir wollen ja das neue Leute hierkommen. Aber Touristen-Apartments? Das wollen wir nicht."