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Berlin
Senat legt Fahrplan für Schulsanierung vor

Stinkende Toiletten, Schimmel und kaputte Fenster: Viele Schulen in Berlin sind marode. Jahrzehntelang wurde in der Hauptstand nur wenig in die Instandhaltung investiert. Das soll sich jetzt ändern: Mit 5,5 Milliarden Euro will der rot-rot-grüne Senat Berlins Schulen auf Vordermann bringen.

Von Claudia van Laak | 27.04.2018
    Aussenfassade des Schadow-Gymnasiums
    Das Schadow-Gymnasium: Definitiv kein Neubau (Anja Schäfer / Deutschlandradio)
    Das Schadow-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf, im Südwesten der Stadt. Der Turm aus rotem Backstein überragt das Viertel. Doch an den rundherum angebrachten Uhren orientiert sich niemand mehr, keine der vier zeigt die richtige Zeit, der Turm ist seit Jahren gesperrt. Die mehr als 100 Jahre alte Schule, die schon Loriot besuchte: ein Großschadensfall.
    "Es stinkt. Genau. Es stinkt. Und das ist nicht menschengemacht oder die Folge davon, dass es eine Toilette ist, sondern es stinkt einfach aus den Rohren. Da kann man machen, was man will."
    Sagt Schulleiter Andreas Krenz. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, wurde hier nur das Nötigste gemacht. Die Elektrik ist auf dem Stand der 60er-Jahre, jedes weitere elektrische Gerät könnte zu einem Zusammenbruch des ganzen Stromnetzes führen. Das bedeutet: Für die rund 1.150 Schülerinnen und Schüler steht nur ein einziger Computerraum zur Verfügung.
    "Es gibt nichts, außer sanieren, damit das besser wird. Das ist klar, wenn man sich die Leitungen, die Rohre anschaut, das es gemacht werden muss."
    Besserung wohl erst ab 2020 in Sicht
    Geschätzte Sanierungskosten: 20 Millionen Euro. Schüler, Eltern, Lehrer, alle wollen wissen, wann es endlich losgeht. Bislang musste Schulleiter Andreas Krenz immer mit den Schultern zucken. Seit einigen Tagen weiß er mehr: Die Bildungsverwaltung hat jetzt Sanierungsfahrpläne für alle Schulen vorgelegt. Andreas Krenz zeigt auf das Dokument auf seinem Bildschirm: voraussichtlich 2022 geht es los.
    "Das ist schon eine ganz schön lange Zeit bis dahin. Vier Jahre, da kann eine Menge passieren. Die Fassade, die ist vielleicht nicht mehr haltbar bis dahin. Brandschutz, alles sowas. Meine zweite Reaktion war aber: Okay, jetzt haben wir ein Datum, mit dem wir arbeiten können."
    Am Dienstag stellte der Berliner rot-rot-grüne Senat den mehr als 400 Seiten dicken Zeit- und Investitionsplan vor. Eine stolze SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres sagte:
    "Dass wir so ein Dokument haben, das gab es noch nie. Also dass man wirklich einen Überblick hat. Es war immer so, dass in den Bezirken den Eltern gesagt worden ist, ich weiß nicht, wie viel Geld zur Verfügung steht, ich weiß nicht, wer zuständig ist.
    So ein Hin- und Hergeschiebe der Verantwortung. Das ist ja auch einfach, wenn man nicht die Transparenz hat. Jetzt ist klar, wer die Verantwortung hat und wo wie viel Geld zur Verfügung steht."
    Große Pläne
    Die Schulen gehören den zwölf Berliner Bezirken, sie waren bislang für Unterhalt und Sanierung zuständig, sind allerdings damit komplett überfordert. Die Baubranche boomt, Fachleute arbeiten lieber bei privaten Unternehmen als in der öffentlichen Verwaltung, die vergleichsweise schlecht bezahlt. Deshalb macht das Land Berlin jetzt einen Schnitt – Großprojekte zieht es an sich, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge übernimmt einen Teil der Aufgaben. Finanzsenator Mathias Kollatz-Ahnen, SPD:
    "Und natürlich kann man jetzt sagen, ich hätte lieber bei einer Schule den Baubeginn statt 2022 oder 2023, da hätte ich lieber den Baubeginn 2018. Da kann man jetzt das Land dafür beschimpfen, warum die eine früher und die andere später beginnt, aber das sind zusätzliche Maßnahmen, die wir anbringen, um diesen Dingen überhaupt zum Erfolg zu verhelfen. Wenn wir das nicht getan hätten, hätten wir ein Bauvolumen von 2 Milliarden oder mehr auch noch auf der bezirklichen Ebene."
    Will heißen: Liebe Lehrer, Eltern und Schüler, seid froh, dass das Land jetzt einspringt für die überforderten Stadtbezirke. Für das Schadow-Gymnasium ist künftig die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge zuständig. Und schnell machte sich der Bezirk Steglitz-Zehlendorf einen schlanken Fuß – wollte zunächst keinen Euro mehr für den dringenden Unterhalt der Schule zahlen. Das geht gar nicht, sagt Schulleiter Krenz, vieles kann nicht bis 2022 warten.
    "Ganz dringend sind bei uns nach wie vor die naturwissenschaftlichen Fachräume, dass wir genügend Platz haben für ganze Klassen. Nach wie vor dringend ist die Elektrik."
    Schulen bleiben skeptisch
    Andreas Krenz hat es jetzt geschafft, doch noch Geld beim Bezirk für dieses Jahr lockerzumachen. Aber er bleibt skeptisch, nachdem er sich durch den Sanierungsplan des Senats geklickt hat. Ist doch bei ganz vielen Schulen vermerkt: "Baubeginn voraussichtlich 2022".
    "Ist es wirklich realistisch, dass tatsächlich in ganz vielen Schulen 2022 begonnen wird? Zumal dieser Plan und die einzelnen Schulblätter auch alle halbe Jahre überarbeitet werden. Das lässt uns voller Spannung und kritisch auf die nächste Überarbeitung schauen."
    Wer weiß – vielleicht muss die Schulgemeinschaft nicht nur vier Jahre, sondern viel länger auf neue Toiletten warten.