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Macron und Merkel bei Trump
Grünen-Politiker: "Europa muss mit einer Stimme sprechen"

Die Europäer wüssten nach den Washington-Besuchen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel besser als zuvor, wie sie mit dem Trump umgehen müssten, sagte der Grünen-Politiker Rainhard Bütikofer im Dlf. Europa müsse pro-aktiv mit den USA verhandeln und mit einer Stimme sprechen.

Reinhard Bütikofer im Gespräch mit Jasper Barenberg | 28.04.2018
    Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer spricht in ein Mikrofon.
    Grünen-Europa-Politiker Reinhard Bütikofer forderte im Dlf, dass die Europäer als eine Gemeinschaft ihre Interessen vertreten (imago / Zuma Press)
    Jasper Barenberg: Mit allzu guten Nachrichten kommt die Bundeskanzlerin nicht aus Washington zurück. Alles andere wäre ja auch eine Überraschung gewesen. Wie zuvor Frankreichs Präsident Macron hat Angela Merkel noch einmal den Standpunkt der Europäer klar gemacht. Die EU sollte weiter von Strafzöllen ausgenommen bleiben, und das Abkommen mit dem Iran hat zwar Schwächen, ist aber allemal besser als kein Abkommen. Jetzt müssen beide abwarten, wie der US-Präsident in den nächsten Tagen und Wochen entscheidet.
    Marc Hoffmann berichtete, und am Telefon ist Reinhard Bütikofer von den Grünen im Europäischen Parlament. Er ist da unter anderem Mitglied in der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Schönen guten Tag, Herr Bütikofer.
    Rainhard Bütikofer: Ich grüße Sie, Herr Barenberg.
    "Eine angemessene europäische Methode zu entwickeln"
    Barenberg: Ist die Kanzlerin zwar mit freundlichen Worten des US-Präsidenten, aber ansonsten mit leeren Händen zurück nach Berlin gekommen?
    Bütikofer: Die Kanzlerin hat in drei Stunden im Weißen Haus sicherlich nicht mehr erreicht als vorher Präsident Macron in drei Tagen. Das war aber auch, glaube ich, nicht zu erwarten. Ich hoffe, sie ist trotzdem nicht mit leeren Händen zurückgekommen, sondern vor allem mit einer genaueren Einsicht darein, wie man überhaupt mit dem amerikanischen Präsidenten, der ja felsenfest überzeugt ist, dass die ganze Welt eigentlich nur zum Nachteil Amerikas operiere und deswegen müssen jetzt unbedingt dringlich die ganzen Ungerechtigkeiten abgeschafft werden, unter denen die USA angeblich leiden, wie man mit dem erfolgreich umgehen kann.
    Und ich glaube, die Hauptlehre muss sein, Europa muss auch da mit einer Stimme sprechen. Und es hatten sich ja Frau Merkel und Herr Macron vorher getroffen und, wie ich annehme, auch über ihre Besuche in Washington gesprochen. Aber ich bin mir nicht sicher, dass Deutschland und Frankreich und die Europäische Kommission das schon ausreichend tun.
    Barenberg: Da möchte ich gleich noch ausführlicher sprechen. Weil Sie gerade gesagt haben, Sie erhoffen sich Einblicke für die Kanzlerin, wie der amerikanische Präsident seine Entscheidungen, also auf welcher Grundlage er die treffen wird. Ist da noch sozusagen Nachhilfe nötig? Wissen wir das nicht?
    Bütikofer: Nein, es geht vor allem, glaube ich, nicht darum, jetzt Theorien über Herrn Trump zu produzieren, sondern es geht darum, eine angemessene europäische Methode zu entwickeln. Das wollte ich eigentlich sagen.
    "Wir müssen viel pro-aktiver sein"
    Barenberg: Und da haben wir ja jetzt zwei Beispiele. Wir haben auf der einen Seite einen französischen Präsidenten, der eine große Charmeoffensive gestartet hat, gleichzeitig im Kongress ein flammendes Plädoyer für internationale Zusammenarbeit gehalten hat, gegen Protektionismus, gegen Nationalismus, und auf der anderen Seite das, was wir von der Kanzlerin kennen, die nüchterne Aneinanderreihung von Argumenten. Haben Sie schon für sich beschlossen, welche Methode die erfolgreiche ist?
    Bütikofer: Beide sind offensichtlich nicht erfolgreich, wenn wir nüchtern sind. Ich meine, es war eine wunderbare Rede, die Herr Macron im Kongress gehalten hat. Frau Merkel hat übrigens vor Jahren auch schon mal eine gehalten dort, zu Obamas Zeiten. Aber die Rede ändert ja nichts. Die wunderbare Rede, die sich nicht verbinden lässt mit konkreten Ergebnissen, was die Kooperation im transatlantischen Verhältnis betrifft, was ist die Rede wert? Das beruhigt vielleicht das Feuilleton oder den politischen Kommentator, aber das bringt doch keine wirklichen Fortschritte. Und ich glaube, das Problem, das wir noch nicht ausreichend adressieren auf europäischer Seite, ist ein doppeltes. Erstens, wir müssen viel pro-aktiver sein. Ich nenne das Beispiel Iran, über das ja offensichtlich auch kein Konsens zustande gekommen ist. Jetzt sagen die Europäer, ja, irgendwie hat Trump schon recht, dass die Frage, wie Iran sich da in der Nachbarschaft, in seiner Region benimmt, dass uns das nicht recht sein kann. Ich stimme zu. Nur, warum hat Europa diese Dinge nicht von sich aus aktiv angesprochen, sondern war nach dem Atom-Deal mit dem Iran zufrieden, dass man das jetzt zur Seite gepackt hat und offensichtlich jetzt der Durchbruch zur Atombewaffnung des Iran nicht mehr unmittelbar anstehe. Und die anderen Fragen hat man links liegen lassen. Da muss man sich nicht wundern, wenn Trump dann in diese Lücke steigt und mit seiner brutaleren, mit seiner sehr besonderen Methode, sag ich mal diplomatisch, dann versucht, die Europäer unter Druck zu setzen.
    Barenberg: Wenn ich bei dem Punkt gerade bleiben darf, Herr Bütikofer. Da hat also Europa lange die Augen durchaus vor den Schwachstellen eines Abkommens verschlossen, das der US-amerikanische Präsident sehr viel klarer gesehen hat?
    Bütikofer: Nein. Es sind nicht die Schwachstellen des Abkommens. Das Abkommen ist in Ordnung. Das Abkommen hat geleistet, was zu leisten war. Aber es gab darüber hinaus Fragen an die Rolle des Iran, die man zusätzlich hätte adressieren müssen.
    "Wir diskutieren nicht-öffentlich und für die Öffentlichkeit transparent"
    Barenberg: Und dann hatten Sie noch etwas anderes im Sinn. Ich nehme mal an, es geht um den drohenden Handelskrieg?
    Bütikofer: Genau. Es geht um den drohenden Handelskrieg. Frau Merkel hat, das war in Ihrem Beitrag zu hören, von Verhandlungen gesprochen, die offensichtlich hinter dem Vorhang stattfinden. Offiziell gibt es keine Verhandlungen. Als ich in Washington war, hat der deutsche Botschafter mir gegenüber explizit darauf bestanden, dass es keine Verhandlungen gibt. Dreimal hat er mir gesagt, es gibt keine Verhandlungen, weil es nämlich kein Mandat gibt. Das ist genau das Problem. Wir diskutieren nicht-öffentlich und für die Öffentlichkeit transparent und für die Parlamentarier transparent, was wir in dieser Situation des drohenden Handelskriegs den Amerikanern gegenüber als gemeinsame Strategie entwickeln, sondern hinter den Kulissen verhandelt man informell dies und das. Und die Deutschen machen sich natürlich mehr Sorgen um ihre Automobilindustrie, und die Franzosen machen sich mehr Sorgen um ihre Agrarwirtschaft. Und die Brüsseler Kommission hat ganz andere Perspektiven, und daraus wird nicht so leicht ein Stück. Und ich glaube, das ist eine Lehre, die hoffentlich beide, Macron und Merkel, mit nach Hause nehmen, dass wir da auch zu mehr demonstrativer und durchdiskutierter, ausargumentierter Gemeinsamkeit der Europäer kommen müssen. Sonst kriegen wir nichts hin mit Trump.
    Barenberg: Ein lange beklagtes Defizit, die schwache gemeinsame Außen- und Handelspolitik – glauben Sie, letzte Frage von mir heute, glauben Sie, dass das in der relativ kurzen Frist, die jetzt noch bleibt bis zur Entscheidung, noch irgendwie geändert werden kann? Oder ist sozusagen der Handelskrieg schon quasi beschlossene Sache?`
    Bütikofer: Frau Merkel hat ja gesagt, der Präsident wird entscheiden. Ich glaube, was wir bräuchten vor dem 1. Mai, sehr klar, ist ein einheitliches, geschlossenes Signal der Europäer, welchen Preis es haben wird für die USA, wenn der Präsident diesen Weg geht, der sich jetzt im Moment andeutet.
    Also, wir werden zur WTO gehen und gegen die Amis klagen. Wir werden Gegenmaßnahmen ergreifen, Gegenzölle erheben. Nicht eskalierend, aber doch klar zu machen, die Amis können nicht einfach mit uns umspringen, wie sie wollen. Das muss klar sein. Und es darf nicht weiterhin sozusagen ständig darüber sinniert werden, ob vielleicht die Deutschen aus lauter Furcht, was sie nun speziell dafür beitragen müssten, einen anderen Kurs fahren als Paris oder Brüssel.
    Barenberg: Sagt Reinhard Bütikofer von den Grünen. Danke für das Gespräch heute Mittag!
    Bütikofer: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.