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Literatur
Das riskante Abenteuer des Übersetzens

In den meisten Ländern könnten Literaturübersetzer von ihrer Arbeit nicht leben, sagte der Vizepräsident des europäischen Übersetzerverbandes CEATL, Holger Fock, im Deutschlandfunk. In Deutschland sei es schon ein Erfolg, dass mit einigen Verlagen eine Umsatzbeteiligung ausgehandelt worden sei.

Holger Fock im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 04.06.2014
    Bücher liegen kreuz und quer übereinander.
    Viele Bücher werden aus anderen Sprachen übersetzt. (deutschlandradio.de / Daniela Kurz)
    Stefan Koldehoff: Die magische Sprache von Gabriel García Márquez, der rüde Ton von Michel Houellebecq, die Gedankenwelten von Donna Tart - ohne kongeniale Übersetzungen ins Deutsche würden sie hier nur wenige Leserinnen und Leser erreichen. Über die Situation der Literaturübersetzer in Deutschland ist schon viel gesagt worden: über ihre Ausbildung, ihre noch bis vor kurzem mangelhafte öffentliche Wahrnehmung und über ihre häufig desolate Bezahlung. Es gab sogar einen "Übersetzerstreit", in dem man von den Verlagen eine Umsatzbeteiligung forderte. Ab morgen veranstaltet nun in Berlin der europäische Übersetzerverband CEATL seine Jahrestagung, und zu diesem Anlass werden auch neue Studien zur Situation der Literaturübersetzer vorgestellt. Einer der Autoren dieser Studien ist der Übersetzer und CEATL-Vizepräsident Holger Fock. An ihn ging die Frage, wie es denn nun heute den Literaturübersetzern in Deutschland geht.
    Holger Fock: Das Wesentliche, was wir jetzt herausgefunden haben, ist natürlich, dass in den meisten Ländern Literaturübersetzer wirklich darben, unter Bedingungen arbeiten müssen, die ein Leben nicht ermöglichen, was zur Folge hat, dass es in den meisten Ländern auch keine professionellen Literaturübersetzer gibt. Was die Erfolgsbeteiligungen angeht, so gibt es überhaupt nur sechs bis acht Länder, in denen nennenswert Übersetzer beteiligt werden oder Beteiligungen aushandeln können. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass in Ländern, die eine eher geringere Leserschaft haben - nehmen wir an Litauen, Slowenien, Länder mit vier, fünf Millionen Einwohnern-, es natürlich keine Verkaufszahlen gibt, die den Übersetzern es erstrebenswert scheinen lassen, Beteiligungen von einem oder einem halben Prozent am Umsatz zu haben. Da kommt ja kaum was dabei herüber.
    Allerdings in den großen Ländern ist es ganz anders. Der Idealfall sind die Niederlande. In den Niederlanden bekommen die Übersetzer ein Prozent ab dem 2500. verkauften Exemplar und zwei Prozent ab dem 5.000. verkauften Exemplar. In Deutschland ist es jetzt so, dass wir seit 1. April eine Vergütungsregel mit einer Gruppe von Verlagen haben, federführend abgeschlossen vom Hanser Verlag, die eine Beteiligung von einem Prozent ab dem ersten Exemplar vorsieht – eine Beteiligung, die dann allerdings sinkt ab 5.000 Exemplaren und ab 10.000 dann auf 0,6 Prozent. Das wäre aber doch eine erhebliche Verbesserung für die Literaturübersetzer. Allerdings ist es so, dass viele Verlage die jetzt erst mal nicht anerkennen wollen.
    Koldehoff: Jetzt haben Sie gerade beschrieben, wie unterschiedlich die Situation in verschiedenen europäischen Ländern ist. Was kann denn ein europäischer Dachverband leisten?
    Fock: Unser Dachverband leistet vor allen Dingen zunächst mal den Austausch und die Kommunikation untereinander. Da gibt es ein bestimmtes Panel, das nennt sich "best practices", in denen immer wieder Initiativen einzelner Verbände vorgestellt werden, die zur Verbesserung von Situationen führen - ob das nun die Honorarsituation betrifft oder die Frage, dass die Übersetzer genannt werden. Das Copyright ist großes Thema bei uns natürlich, was können wir tun, um unsere Situation auch zu verbessern, und das wirkt sich schon teilweise sehr prägnant aus.
    Koldehoff: Verschiedene Verlage, haben Sie vorhin gesagt, machen mit bei einem neuen Vergütungsmodell, bei einer Erfolgsbeteiligung. Was ist mit den anderen? Welchen Einfluss können Sie auf die ausüben?
    Fock: Es gibt einige Verlage, die über das Börsenblatt schon dezidiert gesagt haben, dass sie das gar nicht anerkennen wollen und eine Abmachung, wie sie speziell für Hanser, Hoffmann und Campe und die anderen Verlage, die das mittragen, gemacht sei, das würde sie nicht betreffen. Das sehen wir natürlich ganz anders, denn im Urhebervertragsrecht steht auch deutlich drin: Wenn eine Vergütungsregel da ist, die das angemessene Honorar definiert, dann ist dieses angemessene Honorar durch die Vergütungsregel definiert. Und wir sind der festen Überzeugung und natürlich auch unsere Rechtsberater, dass über kurz oder lang wir mit dieser Vergütungsregel auch breiter auf den Markt durchdringen werden. Es gibt auch viele Verlage, die jetzt erst mal das abwarten und sagen, wir überlegen uns das, und es gibt auch Verlage, die mit uns sprechen wollen. Es wird ein Gespräch mit Random House geben und wir denken schon, dass sich da in den nächsten paar Jahren was bewegen wird, und wir sind eigentlich guter Dinge, dass wir diese Vergütungsregel on the long durchsetzen werden.
    Koldehoff: Einer der großen Angstgegner des deutschen Verlagswesens und auch des Buchhandels ist das Freihandelsabkommen, das zurzeit mit den USA verhandelt wird. Da drohen Dinge wie Urheberrecht, aber auch Buchpreisbindung und anderes über den Deister zu gehen. Sind das Verhandlungen, die auch die Übersetzer betreffen? Leiden auch sie unter der Globalisierung?
    Fock: Ja, das tangiert uns sehr stark und das ist auch ein Thema auf unserer Tagung. Ein Thema ist zum Beispiel Amazon Publishing, die uns auch kontaktiert haben. Amazon bietet uns Verträge nach amerikanischem Urheberrecht, ausgestellt auf die Amazon-Niederlassung in Luxemburg. Das ist innerhalb des westlichen Europas, wenn man von England absieht, das einzige Land, das ein amerikanisches Urheberrecht hat, also ein Urheberrecht, in dem man auch die Urheber-Persönlichkeitsrechte abtreten und verkaufen kann. Das kann man bei uns nicht. Das ist ein großes Thema. Ein großes Thema ist natürlich auch Buchpreisbindung. Da stehen wir ganz auf der Seite der Verlage und der Autoren. Auch wir kämpfen natürlich um die Buchpreisbindung, weil wir die Konsequenzen, die der Fall dieser Buchpreisbindung hätte, genauso fürchten wie Verlage und Autoren. Wir verstehen uns auch nicht als Gegner von Verlagen - das ist durch diesen Übersetzerstreit hochgeschaukelt worden -, sondern wir verstehen uns natürlich als Partner der Verlage in vielfacher Hinsicht.
    Koldehoff: Holger Fock über Selbstverständnis und Situation von Literaturübersetzern in Europa.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.