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"Little Mosque on the Prairie"

Der Kulturkonflikt und die Integrationsproblematik als TV-Serie: In den Einwandererländern USA und Kanada wird frech und aggressiv mit dem Thema umgegangen. "Little Mosque on the Prairie" - "Die kleine Moschee in der Ödnis" heißt eine neuen kanadische Sitcom, die das Leben der muslimischen Gemeinschaften in Kanada behandelt.

Gregor Peter Schmitz | 08.01.2007
    Der bärtige Imam in der kleinen Moschee auf dem kanadischen Land redet sich in Rage. Er wettert gegen die modernen Götzen der Popkultur, gegen Sex und Sünde auf den Bildschirmen - und landet schließlich bei der TV-Serie "Desperate Housewives". Warum die eigentlich "desperate" sein sollten, fragt er donnernd, wo sie doch ihrer ganz normalen Bestimmung als Frau nachgingen - dem Mann und der Familie zu dienen?

    Das junge Mädchen mit dem Kopftuch in der ersten Reihe nickt ehrerbietig zu den Worten des Imams, dann dreht sie sich zu ihrer ebenfalls Kopftuch tragenden Mutter und flüstert: "Hast Du die letzte Folge aufgenommen?"

    Szenen sind das aus der neuen Comedy-Show "Little Mosque on the Prairie", die morgen im kanadischen Fernsehen anläuft. Sie wagt sich an ein heikles Thema: Der ganz normale Wahnsinn des Lebens der muslimischen Gemeinschaften in Nordamerika (800.000 sind es in Kanada, rund sechs Millionen in den USA).

    Die Macherin der Serie, Zarqua Nawaz, ist 39 Jahre alt, Mutter von vier Kindern und gläubige Muslimin. Zu Jeans und Turnschuhen trägt sie stets Kopftuch. Sie will mit der Serie einen humoristischen Einblick geben in das muslimische Leben in einer Umgebung, welche die Einhaltung muslimischer Riten nicht gerade leicht macht - und welche diese Riten mittlerweile besonders skeptisch beäugt. Nawaz ist vor zehn Jahren selbst ihrem Ehemann aus Toronto in das Örtchen Regina in der kanadischen Provinz gefolgt, wo es nur eine winzige muslimische Gemeinde gibt. In der tobte gerade ein Glaubenskrieg, ob Frauen hinter einer Absperrung beten müssten oder nicht. Nawaz war vehement dagegen, und sie drehte einen sarkastischen Dokumentarfilm "Me and the Mosque" über die oft absurd komischen Konflikte zwischen den Generationen und zwischen den Strenggläubigen und Moderaten in ihrer Gemeinschaft. Der kam so gut an, dass sie die Gedanken weiterspann - zu acht Folgen der TV-Serie, die genau solche Konflikte aufs Korn nehmen.

    Ob muslimische Männer und Frauen zusammen baden dürfen, ob man auch vor einem schwulen Bademeister als Frau seine Haare unter dem Kopftuch verbergen muss, wie man einen konvertierten Neu-Muslim eigentlich ansprechen soll. Nawaz ist zwar gelernte Comedy-Schreiberin, aber sie zielt mit der neuen Show nicht nur auf Lacher. Sie wolle zeigen, erzählt sie, dass die Konflikte in muslimischen Gemeinschaften sich gar nicht so sehr unterschieden von denen anderer Glaubensgruppen - und vor allem, dass es nicht nur völlig in Ordnung sei, manchmal über Muslime zu lachen, sondern dass die auch über sich selbst lachen könnten.

    Doch geht das so einfach angesichts der Stimmung in Nordamerika spätestens seit dem 11. September? Und kann die Show für die Muslime in Nordamerika leisten, was frühere TV-Programme wie "The Jeffersons" oder "All in the familiy" für andere Minderheiten wie Schwarze oder Juden erreicht haben - nämlich, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht automatisch immer die "Anderen" sind? Immerhin sind Muslime in der nordamerikanischen Kultur der vorigen Jahre fast ausschließlich im Zusammenhang mit Konflikten oder Gefahren porträtiert worden. Viele Muslime beklagen sich über die eindimensionale Darstellung ihrer diversen Gemeinschaft.

    Doch ganz ausklammern kann die Serie die veränderte Stimmung seit den Terroranschlägen natürlich nicht. In einer Szene steht ein junger Muslim in der Schlange am Flughafen und brüllt ins Telefon, er stehe zu seiner Entscheidung, auch wenn sein Vater sie für Selbstmord halte. Allah habe diesen Schritt für ihn vorgesehen. Blitzschnell alarmieren die anderen Passagiere die Sicherheitsleute und der junge Mann wird abgeführt - obwohl er doch nur darüber redete, aus der Anwaltskanzlei seines Vaters auszusteigen. Eine andere Szene nimmt einen amerikanischen "Joe Average" aufs Korn, der zufällig in eine neue Moschee in seiner Nachbarschaft hereinplatzt, und sofort zur Terroristen-Hotline eilt, denn die Muslime würden sich zum Gebet auf den Boden beugen - "genau wie auf CNN".

    Noch bekommen nur Amerikaner an der Grenze zu Kanada die Serie ab morgen zu sehen. Schon laufen aber Verhandlungen mit amerikanischen TV-Stationen über die Rechte. Die kanadischen Produzenten sind jedoch skeptisch, ob es dort vielleicht zu früh ist für eine solche Auseinandersetzung. Und dann gibt es trotz aller hehren Ambitionen natürlich noch eine andere Hürde, um die Regisseurin Nawaz genau weiß. Die ganz normalen Gesetze des harten TV-Business. Es sei ja toll, wenn die Show Muslime menschlicher und "normaler" werden lasse, sagt Nawaz. Doch am Ende zählten wie bei jeder Show nur zwei Dinge: Ob die Zuschauer es witzig fänden - und ob sie einschalteten.