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Lizenz zum Surfen

Internet.- Die US-Regierung will einen Internet-Ausweis einführen, mit dem jeder Surfer identifiziert werden kann. Im Handelsministerium soll dafür ein eigens Büro eingerichtet werden. Es steht der Plan, die ersten Online-Identitätsnachweise noch in diesem Sommer auszuliefern.

Von Peter Welchering | 22.01.2011
    Erste Pläne für einen "Internet-Führerschein" waren bereits im Juni 2010 bekannt geworden. Die Regierung von Präsident Barack Obama hatte damals angekündigt, die Netzsicherheit und die Authentizität der Surfer verbessern zu wollen. Doch nach einer heftigen Protestwelle, die den ganzen Monat August anhielt, verschwand das Projekt in den Schubladen der Planer im Weißen Haus. Doch in dieser Woche nun sind Pläne bekannt geworden, ein "Office for Identity Trust Strategy", also ein Strategie-Büro für Vertrauenswürdigen Identitätsnachweis im Handelsministerium einzurichten.

    Erste und zunächst wichtigste Aufgabe des neuen Büros: Die Einführung einer Chipkarte fürs Internet-Surfen. Das rief natürlich sofort die Kritiker auf den Plan. Ihre Befürchtung: Über diesen Umweg solle ein nationaler Personalausweis eingeführt werden. Jetzt soll sich doch in den kommenden Tagen der US-Senat damit beschäftigen. Howard A. Schmidt, Koordinator für Cyber-Sicherheit im Weißen Haus, kann die ganze Aufregung gar nicht verstehen.

    "In unserer digitalen Welt bietet die Informationstechnologie, von der wir abhängig sind, großartige Möglichkeiten, aber sie hält auch Gefahren bereit – für unsere nationale und öffentliche Sicherheit, für unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und für unsere persönliche Privatsphäre. Unsere Abhängigkeit von diesen Technologien wächst mit jeder Innovation. Wir müssen Verantwortung zeigen und unsere Sicherheit und Privatsphäre schützen."

    Nur dafür sei das Projekt Online-Identität gedacht. Und Verantwortung beweist Howard Schmidt zufolge derjenige Bürger, der bei diesem Projekt mitmacht. Allerdings steht das Projekt "Online-Identität" noch ganz am Anfang. Bisher sehen die Pläne der US-Regierung vor, dass sich Internet-Nutzer freiwillig bei einem vom Staat zertifizierten Chipkartenanbieter registrieren lassen und fortan ihre Internet-Kommunikation mittels chipkartenbasierter Verschlüsselung besser sichern. Vor allen Dingen das Einkaufen im Internet und das Online-Banking würde dadurch viel sicherer. Und Howard Schmidt meint, dass damit eigentlich auf ein uraltes Verfahren zurückgegriffen würde.

    "Früher brauchten Sie einen Stift, ein papiernes Formular und ein Faxgerät. Sie füllten das Formular aus, faxten es und bekamen eine Bestätigung, dass sie eingetragen sind."

    Jetzt soll die Identität des Internet-Nutzers bei einem Online-Einkauf eben durch eine Chipkarte nachgewiesen werden. Zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen, unter ihnen die Electronic Frontier Foundation, laufen Sturm gegen diese Regierungspläne. Sie befürchten, dass dann auch heimlich ein Zentralregister aller registrierten Internet-Nutzer angelegt werde, auf das Strafverfolger und Sicherheitsbehörden Zugriff erhalten könnten. Außerdem trauen viele Netzaktivisten nicht der Zusage der Obama-Regierung, der Online-Identitätsnachweis sei und bleibe rein freiwillig. Sie befürchten, dass über kurz oder lang staatlicher Zwang ausgeübt werde und das Internet-Surfen ohne Chipkarte sogar gesetzlich verboten würde. Diese Gefahr sieht zwar der Netzaktivist und IT-Journalist Declan McCullagh aus San Francisco nicht. Aber McCullagh fürchtet, dass die Online-Handelsunternehmen über die Macht des Faktischen einen Zwang zur Chipkarte beim Internet-Einkauf herbeiführen werden.

    "Dahinter steckt die Idee, das gesamte Online-Geschäft sicherer zu machen. Online-Händler wie Amazon oder Ebay wollen sicher wissen, wer ihr Kunde ist. Sie wollen sicher sein, dass er nicht mit einer gestohlenen Kreditkarte bezahlt. Damit sollen zwei Dinge gewährleistet sein: Identifikation und Netzsicherheit."

    Von einer verbesserten Netzsicherheit sprechen auch die Vertreter der Republikaner. Sie wollen dem Online-Identitätsnachweis nur zustimmen, wenn ausgeschlossen werde, dass die Chipkarte fürs Surfen zu einem US-Personalausweis ausgebaut werde. Besonders attraktiv finden einige republikanische Abgeordnete, dass mit solch einem Online-Identitätsnachweis dann auch der Besuch bestimmter Web-Präsenzen, wie der von Wikileaks, besser überwacht werden könne. Allerdings fürchten sie mit Blick auf Deutschland und den dort im November vergangenen Jahres eingeführten elektronischen Personalausweis, dass solch ein Internet-Ausweis nach einigen Monaten, wenn sich alle daran gewöhnt haben, doch noch mit einer allgemeinen Ausweisfunktion versehen werden könnte.

    Hier beruhigen aber ausgerechnet die Vertreter der Electronic Frontier Foundation: Der deutsche elektronische Personalausweis habe so viele Sicherheitslücken; das seien doch erstklassige Argumente gegen eine Verwendung von Personalausweisen als Online-Identitätsnachweis.