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Lloyd Dynamowerke in Bremen
Der elektrische Patient

Unter dem Dach einer südkoreanischen Unternehmensgruppe sollen die Lloyd Dynamowerke eine neue Zukunft finden. Das Bremer Traditionsunternehmen stellt seit über 100 Jahren Elektromotoren, Generatoren und Dynamos her. 2014 war es in die Insolvenz abgerutscht.

Von Godehard Weyerer | 18.03.2016
    Einsetzen der Wicklung in ein Drehstromständerpaket bei den Lloyd Dynamowerken in Bremen
    Einsetzen der Wicklung in ein Drehstromständerpaket bei den Lloyd Dynamowerken in Bremen (Lloyd Dynamowerk GmbH)
    Es riecht nach frischer Farbe. Der lichtgrau lackierte Generator muss noch auf das Prüffeld und wird anschließend nach Irland ausgeliefert. Geschäftsführer Dominik Brunner fragt zwei Mitarbeiterinnen, die das Typenschild montieren, nach der Leistung der Maschine: "Moin, moin", grüßt er fröhlich. "Dürfen wir mal kurz stören? Mit 500 Kilowatt gehört der Generator zu den eher kleineren Maschinen, die die Lloyd-Werft an einen Kunden ausliefert, der Hafenkräne baut. Brunner erklärt das kleine Einmaleins der Generatoren und Elektromotoren: "Generator und Motor ist eigentlich dasselbe", fängt er an, "stellen Sie sich eine Schuhschachtel vor. Beim Motor geben Sie Strom in die Schuhschachtel und auf der anderen Seiten kommt Rotationsbewegung raus, beim Generator ist es genau umgekehrt: Sie haben Rotationsbewegung, die durch Wasser- oder Windkraft entsteht, und auf der anderen Seite der Schuhschachtel kommt elektrische Energie raus."
    Vor 100 Jahren wurden die Lloyd Dynamowerke gegründet für die elektrische Ausrüstung der Schiffe. Nach der Fusion mit AEG in den 1930er-Jahren waren es in großer Stückzahl Motoren für Eisenbahnen, Straßenbahnen. Heute ist das Unternehmen spezialisiert auf Maßanfertigungen. Verschachtelt und eng bebaut schmiegt sich das Firmengelände der Lloyd Dynamowerke an das Weserufer. Die Hallen stammen aus den 50er-Jahren, errichtet auf den Fundamenten der im Krieg zerstörten Anlagen. Ebenso das Verwaltungsgebäude, in das Dominik Brunner hinübergegangen ist. Brunner blickt zurück auf seinen Werdegang im Unternehmen. Er sei vom früheren indischen Eigentümer angesprochen worden, berichtet Brunner. Der habe das Unternehmen seit acht Jahren gehabt - mit ehrgeizigen Plänen: "Er hat eine Wachstumsstrategie fahren wollen. Ich war 2013 zum ersten Mal hier, habe mir das Werk angesehen und habe tolle Gebäude vorgefunden, wunderbare Industriearchitektur, habe eine tolle Fertigung gesehen, technologisch weltweit ganz weit vorne."
    Gerd Onken kommt in das Besprechungszimmer. Er ist zuständig für die Finanzen und erzählt, wie das Unternehmen im Herbst 2014 in die Insolvenz rutschte. Vergeblich warteten sie auf eine zugesagte Kapitalspritze aus Indien, erinnert sich der Finanzchef: "Es gibt Länder, die sich in der globalisierten Finanzwelt selber stark einschränken. Wir waren vorher Teil einer indischen Gruppe. In Indien ist es tatsächlich so, dass man sich nicht den Finanzmärkten öffnet, sondern wenn die indische Währung stark an Wert verliert, gibt es einen Stopp von der indischen Reserve-Bank, das heißt, es geht kein Kapital nach außen." Es folgten, so Onken, Insolvenz und Neustart: "Wir haben einen neuen Eigentümer und können mit dem neuen Eigentümer gestärkt aus der Insolvenz hervor gehen."
    Der neue Eigentümer kommt aus Südkorea - einem Land, das ähnlich stark industrialisiert ist wie Deutschland und so gut wie keine Kapitaltransferbeschränkungen hat. Obendrein entwickelt und produziert das Unternehmen selbst Elektromotoren und Generatoren. Ein Vorteil, meint der Finanzchef: "Das ist doch ein ganz anderer Fokus. Wenn Sie einen Finanzinvestor haben, geht es nur darum, dass die Lloyd-Dynamowerke stand-alone, alleinstehend, eine möglichst hohe Rendite erwirtschaften. Wir müssen natürlich auch in Zukunft eine vernünftige Rendite erwirtschaften, aber es gibt auch Synergien. Wir können über unsere koreanische Mutter gemeinsam weltweit einkaufen, die sehr viel bessere Kontakte in die Einkaufsmärkte in Asien hat. Das alles haben Sie mit einem Finanzinvestor nicht."
    Finanzchef Onken will die neue Konstellation nicht als Freibrief verstehen. Die südkoreanische Gesellschaft sei schließlich selbst börsennotiert. Und verlangte von den Mitarbeitern, drei Jahre lang auf 10 Prozent ihres Gehalts zu verzichten, räumt Geschäftsführer Brunner ein: "Alle Mitarbeiter sind davon betroffen, auch das Management. Ich habe einerseits die Last und die Verantwortung für das Unternehmen zu tragen, habe aber auch das Privileg, der Bestbezahlte in der Firma zu sein, weswegen für mich ganz klar war, auf mehr als 10 Prozent zu verzichten." Und der Verzicht gehe noch weiter: "Ich habe zum Beispiel auch auf das Firmenfahrzeug verzichtet, das ich eigentlich haben könnte. Wenn ich auf Dienstreise gehe, nehme ich mir ein Pool-Fahrzeug, wie es auf dem Hof steht. Und damit haben wir wieder ein kleines Signal gesetzt."
    Gut erholt nach Korea
    Im Gegenzug sicherten die Südkoreaner zu, einen Großteil der Belegschaft in Arbeit zu halten. Tatsächlich sind es heute noch 220 Beschäftigte. Zuzeiten des indischen Investors waren es 240. Das Unternehmen hat sich gut erholt. Der Umsatz lag im ersten Jahr nach der Insolvenz bei 30 Millionen. 2015 konnte das Auftragsvolumen gehalten werden: Die Hälfte kommt über Neubauten herein, ein Viertel fallen auf Reparaturleistungen, ein Viertel auf den Service. Dominik Brunner geht voraus zur Service-Abteilung.
    Die ältesten Elektromotoren und Generatoren, die einst die Hallen der Bremer Lloyd Dynamowerke verließen und heute noch ihren Dienst tun, sind 50 Jahre alt. Wie der Generator, der aus einem Bergwerk aus Südafrika nach Bremen kam und hier in alle Einzelteile zerlegt und generalüberholt wird. Ulf Kilian, der Reparatur-Team-Leiter, stellt vor: "Das ist ein großer Gleichstrom-Anker von der Firma Thyssen-Krupp, in diesem Fall haben wir einen Isolationsfehler und werden die Maschinen neu wickeln müssen. Die Wickelung ist die Grundlage. Das ist auch unser Hauptgeschäft und unsere Kernkompetenz, die wir hier haben, das Neuwickeln solcher Maschinen."
    In der benachbarten Halle steht ein Synchronmotor auf dem Prüfstand. 10 MW Leistung, hoch wie Haus, ein Kompressor für eine petrochemische Anlage, die ein deutsches Unternehmen nach Kuwait liefert. Oben am Prüfstand steht Hauke Buss. Er arbeitet seit 25 Jahren im Betrieb. Sein Onkel war hier, sein Bruder hat in der Firma. Dass er nun auf 10 Prozent seines Gehaltes verzichten muss, nimmt er schulterzuckend in Kauf: "Was ist denn die Alternative?", fragt er und gibt sich selbst die Antwort: "Die Alternative wäre, woanders hinzugehen mit noch weniger Geld, ich werde in zwei Jahren 50, da wird es schwierig. Dann fängt man als Letzter wieder an und wenn irgendwas ist, geht man auch wieder als Erster. Das Know-how kann man auch nicht ersetzen."
    Windenergie? Das machen andere
    Was bringt die Zukunft? Geschäftsführer Dominik Brunner zeigt auf einen Großmagneten, den zwei Mitarbeiter in Handarbeit zusammenbauen: "Das ist ein Entwicklungsprojekt für den weltweit größten Zementhersteller, internationaler Konzern. Der entwickelt gemeinsam mit uns eine neue Antriebstechnologie. Das ist ein Prototyp, aber wenn das funktioniert, sollten wir in den nächsten Jahren eine sehr gute Geschäftsmöglichkeit haben, die dann weltweit zum Einsatz kommt. Diese Komponente wird nach Ecuador geliefert."
    In der boomenden Windenergie sieht Geschäftsführer Dominik Brunner hingegen kein lukratives Geschäftsfeld für die Lloyd-Dynamowerke. Hier seien Serienfertigungen gefragt, das machten andere billiger. Allerdings würde sein Unternehmen gemeinsam mit Universitäten Prototypen für Windkraft-Generatoren entwickeln und anfertigen, die anschließend in Serie gebaut werden. In China zum Beispiel oder in Indien.