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Lobbyismus an Schulen
Lobbycontrol übergibt Unterschriften an RWE

RWE ist in Nordrhein-Westfalen ein großer Arbeitgeber - und hat deswegen mit Schulen Kooperationen für Schülerpraktika vereinbart. Im Gegenzug sollen die Schulen die Partnerschaft etwa Medien gegenüber erwähnen. Eine Bildungsmaßnahme? Nein, meint die Organisation Lobbycontrol, sondern ein klarer Fall von Lobbyismus an Schulen.

Von Maren Bednarczyk | 12.11.2015
    Der RWE Tower in Essen.
    Der RWE-Hauptsitz in Essen. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Eine alte hölzerne Schulbank, an der ein Tornister hängt, auf der Tischplatte stapelweise "blaue Briefe" mit über 26.000 Unterschriften - und im Hintergrund thront der große gläserne Turm der RWE-Zentrale. So hatte sich Lobbycontrol heute Morgen in Essen aufgebaut. Organisator Felix Kamella formuliert ein klares Ziel:
    "Wir protestieren hier mit dieser Aktion gegen den Lobbyismus an Schulen, der von RWE betrieben wird. Wir haben lange recherchiert und diese Aktivitäten analysiert und sind der Meinung, dass RWE die Schülerinnen und Schüler für seine Geschäftsinteressen instrumentalisiert, dass es letztendlich darum geht, sich ein besseres Image zu verpassen und auch gesellschaftlichen Protest gegen Braunkohle zu beeinflussen."
    Löhrmann: Querschnitt von Bildungs- und Wirtschaftspolitik
    RWE hatte unter anderem mit zwei weiterführenden Schulen in Bergheim Kooperationen geschlossen. Brisant dabei: Bergheim liegt mitten im Rheinischen Braunkohlrevier, wo RWE die Abbaustätten Garzweiler, Hambach und Inden betreibt. In der Erklärung sichert RWE den Schulen Exkursionen und Schülerpraktika zu - im Gegenzug sollen die Schulen etwa den Medien gegenüber auf die Partnerschaft hinweisen. Für RWE-Unternehmenssprecher Sebastian Ackermann ist das kein Lobbyismus:
    "Schülern einen Bildungszugang zu ermöglichen und Schülern später auch Praktika zu ermöglichen in einer Region, wo ein Unternehmen wie RWE Verantwortung übernimmt und auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernimmt, weil es schlichtweg ja auch Schülern später den Weg zu einem Beruf ermöglicht, ist für mich nichts Unanständiges."
    Viele Unternehmen in Deutschland würden mit Schulen kooperieren, meint Ackermann - das sei weder unüblich noch verwerflich. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann sieht Bildungspolitik als Querschnittsaufgabe - für sie gehören Bildung und Wirtschaft zusammen:
    "Deswegen ist das wichtig und gut, dass alle Partner hier zusammenarbeiten - die Wirtschaft mischt sich ja nicht direkt ein in die schulischen Angelegenheiten. Aber natürlich hat die Wirtschaft ein Interesse an gut ausgebildeten, jungen Leuten und deswegen ist Bildungspolitik auch Wirtschaftspolitik und insofern ist es folgerichtig."
    Viele Unternehmen produzieren Bildungsmaterial
    Für Lobbycontrol ist die Politik dafür verantwortlich, wie an Schulen mit wirtschaftlichen Aktivitäten umgegangen wird. Die Organisation fordert: Lehrer müssen aufgeklärt werden, damit sie zum Beispiel kritischer mit Lehrbüchern umgehen. RWE steht dabei nicht alleine im Fokus: 16 der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen publizieren laut Augsburger Bildungswissenschaftlern Schulmaterial, in dem sie ihre eigenen Produkte anpreisen. Darunter auch Ritter Sport, Daimler oder Bayer. Und oftmals ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, welches Unternehmen hinter welcher Publikation steht.