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Lobbyismus gut getarnt

Lobbyisten vertreten Interessen - von Wirtschaftsunternehmen, aber auch von Umweltverbänden. In Berlin wirken nach groben Schätzungen 5000 Interessenvertreter, die versuchen, dass ihre Anliegen in entsprechenden Gesetzen Beachtung finden. Das ist in einem demokratischen System im Prinzip legitim und normal - solange allen klar ist, wessen Interessen vertreten werden.

Von Philip Banse | 22.11.2008
    "Bei mir hatten sich im Wahlkreisbüro drei Bürger angesagt, die mit mir über einen bestimmten Fall reden wollten, über ein bestimmtes Problem, da ging es auch um Versorgung von Patienten. Und dann kamen sie schon mal nicht zu dritt, sondern zu viert und hatten auf einmal noch einen Anwalt dabei. Und dann hatten die Bürger, Patienten, die sich so zusagen aus Bürgerinteresse angemeldet hatten zu einer Bürgersprechstunde, die hatten auf einmal perfekt aufbereitete Unterlagen dabei über eine bestimmte Versorgungsart."

    Peter Friedrich, für die SPD im Bundestag und Mitglied des Gesundheitsausschusses.

    "Dann macht man sich schon seine Gedanken, denn in der Regel kommen Bürger mit Schreiben, die sie bekommen haben von einem Arzt, warum er dies oder das nicht kriegt, oder mit einem Bescheid von einem Krankenhaus. Aber die kommen ja nicht mit Unterlagen, mit denen wir hier üblicherweise von Lobbyvertretern beliefert werden. Und dann war es tatsächlich auch so, dass nach meinem Eindruck - man kann das ja in der Regel nicht beweisen - hier Kunden einer bestimmten Versorgungsform von dem Hersteller benutzt wurden oder sich für den haben einspannen lassen, um bei mir Werbung zu machen, dass ich mich politisch dafür einsetze."

    Ein klassischer Fall von verstecktem Lobbying: Wirtschaftsverbände segeln unter falscher Flagge, millionenschwere Industrieinteressen werden getarnt als Bürgeranliegen. Die Amerikaner nennen diesen Tarnkappen-Lobbyismus "Astroturf", Kunstrasen. Denn die vermeintlichen Bürgersorgen verdecken das schnöde Geschäftsinteresse wie Kunstrasen den nackten Beton:

    "Ich denke, es geht dabei um Glaubwürdigkeit. Eine Bürgerinitiative hat eine Glaubwürdigkeit, die eine Industrielobby niemals haben wird. Deswegen versucht man an Stellen, wo, wenn man in eigenem Namen diese Lobbyarbeit machen würde, diese Glaubwürdigkeit nicht hätte, da versucht man sich eben diese Glaubwürdigkeit zu verschaffen, indem man unter dem Mäntelchen einer Bürgerinitiative auftritt."

    Sagt Heidi Klein, Diplompolitologin von LobbyControl, einem Verein, der die Arbeit industrieller Interessenvertreter, von Lobbyisten, beobachtet.

    Lobbyisten vertreten Interessen - von Wirtschaftsunternehmen, aber auch von Umweltverbänden. In Berlin wirken nach groben Schätzungen 5000 Interessenvertreter: Microsoft, der Bundesverband Maschinen- und Anlagenbau, ADAC, Greenpeace und viele andere Interessenverbände versuchen ihre Anliegen Gesetz werden zu lassen. Das ist im Prinzip legitim und normal in einem demokratischen System - solange allen klar ist, wessen Interessen vertreten werden, sagt Heiko Kretschmer, Ethikbeauftragter bei der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung, degepol, einem Berufsverband von knapp 150 Lobbyisten:

    "Sehen Sie, der Punkt ist doch der: Wir haben die Situation, dass Lobbyismus eigentlich was ganz völlig Natürliches ist, ein fester Bestandteil eines jeden demokratischen Prozesses ist, weil es geht um nichts anderes als um Interessenvertretung. Und jeder Politiker muss permanent zwischen verschiedenen Interessen abwägen. Um das aber zu können, muss er wissen, wer hinter diesen Interessen steht. Und deswegen wird dieser Prozess der Interessenabwägung fundamental gestört, wenn jemand versucht, den Absender zu verschleiern. Dagegen muss man vorgehen, das ist der entscheidende Punkt."

    Ein Klassiker des versteckten Lobbyismus ist die "Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung", kurz GSV. Dieser Verein wurde bereits vor 28 Jahren gegründet und wirkt als verdeckte Lobbyorganisation der Straßenbauindustrie. Offiziell setzt sich der Verein für eine umweltgerechte Straßenplanung ein. De facto heißt das einzige Ziel jedoch: Mehr Straßen bauen, Umgehungsstraßen, Autobahnen. Dabei tritt die GSV jedoch nicht offen als Interessenvertretung der Asphaltindustrie auf. Die Landesbeauftragten der Gesellschaft formieren lokale Bürgerinitiativen, rüsten sie auf, beraten, vermitteln Kontakte.

    Denn GSVler wissen wie man Straßenprojekte vorantreibt: Sie sind ehemalige Straßenplaner, Bürgermeister, Landräte. Etwa der ehemalige GSV-Landesbeauftragte von Thüringen, Heinz Herwig, langjähriger Leiter des Straßenbauamtes in Kassel. Dem ARD-Magazin "Panorama" erklärte Herwig 1998 wie er die "Bürgerinitiative umweltfreundliche Autobahn A 73" initiierte:

    "Ich habe den Bürgerinitiativen erklärt, wie man aktiv für eine Straßenbaumaßnahme werben kann und wie man sich einsetzen kann. Ich habe ihnen gesagt, so wie ich das aus den alten Bundesländern weiß, dass die Protestbewegung dort mit Demonstrationen, großen Plakaten und Trillerpfeifen auftritt. Und dann habe ich gesagt: Wir müssen als Bürgerinitiativen pro dem Straßenbau auch mit Schildern auftreten. Die ersten Schilder habe ich dann herstellen lassen."

    Auf diese Weise hat die "Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung" in den letzten Jahrzehnten rund 300 Straßenbauprojekte vorangetrieben. Aktuell berät die GSV 150 Bürgerinitiativen in der ganzen Republik. Mitunter ist der Straßen-Verein auch an der Gründung von Bürgerinitiativen beteiligt. Der aktuelle GSV-Vorsitzende, Rolf Crone:

    "Manchmal werden wir von einer Gemeinde, einer Stadt gebeten, über unsere Ziele zu berichten und dann kann es - allerdings spontan - zur Gründung von Bürgerinitiativen kommen."

    Plakate drucken, Anträge stellen, Kontakte zu den richtigen Leuten vermitteln, Bürgerinitiativen formieren - Hunderttausende Mark und Euro hat die GSV in den Kampf für mehr Straßen gepumpt, das geht aus den Protokollen der Mitgliederversammlungen hervor. 2008 standen etwa 75.000 Euro zur Verfügung.

    Dieses Geld stammt fast ausschließlich von Unternehmen der Straßenbau- und Autoindustrie: Rhein-Main-Zement, Strabag Bau AG, Verband der deutschen Automobilindustrie - sie alle waren oder sind Finanziers der Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung. Diese Unternehmen wollen für ihr Geld in erster Linie neue Aufträge, daraus machen sie keinen Hehl. In einem Protokoll der Mitgliederversammlung von 1997 heißt es:

    "Die schlechte Ausstattung der Straßenbauverwaltungen mit Haushaltsmitteln muss durch eine effektive Öffentlichkeitsarbeit, die von den Bürgeraktionen aus erfolgt, an die Politiker und die Öffentlichkeit herangetragen werden. Besonders begrüßt wird die Verlagerung der GSV dahingehend, dass mehr Bürgeraktionen gegründet werden, die sich für Baumaßnahmen einsetzen."

    Die "Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung" wird also finanziert von der Straßenbauindustrie mit dem Ziel: Straßen bauen.

    Auf seiner Website präsentiert sich der Verein jedoch als gemeinnützige Bürgerbewegung und behauptet, die Gesellschaft sei "gegenüber wirtschaftlichen Interessengruppen oder Einzelinteressen unabhängig". Woher ihr Geld kommt, versucht die GSV zu verschleiern. Die Euros der Industrie fließen nicht direkt an die GSV, sondern werden über eine Fördergesellschaft geleitet. Wer in diese Fördergesellschaft einzahlt, soll geheim bleiben. Die GSV werde ihre Geldgeber auch in Zukunft nicht veröffentlichen, erklärt der aktuelle GSV-Vorsitzende Rolf Crone:

    "Es gibt einen Vorstandsbeschluss, dass wir das nicht machen wollen, weil wir nicht möchten, dass wer auch immer uns unterstützt, dann in diesen Kreis der Unterstützer hineingezogen wird und möglicherweise dann einer direkten Kritik ausgesetzt ist. Wir möchten da unsere Förderer schützen."

    Und so schweigen die Geldgeber hinter dem Straßenbau-Verein - wohl aus Angst vor schlechter Presse. Jürgen Reifig etwa ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Asphaltverbandes und saß 2006 im Vorstand der Fördergesellschaft, die die GSV finanziert. Zu einem Interview ist Straßenbau-Lobbyist Reifig nicht bereit. Auch Asphalt-Produzent Hans-Ulrich Debus war 2006 Vorstandsmitglied der Fördergesellschaft. Auch er möchte am Telefon kein Interview geben. Eine solche Verschleierung der Geldgeber sei nicht akzeptabel, sagt Heidi Klein von LobbyControl.

    "Bürgerinnen und Bürger, aber auch Politiker und Journalisten sollten wissen, wenn sie mit Interessenvertretern sprechen, in wessen Interesse diese Menschen unterwegs sind und welche Finanzierung dahinter steckt. Wenn ich es zu tun habe mit einer Organisation, von der ich nicht weiß, von wem sie finanziert wird, wer dahinter steckt, dann kann ich deren Argumentation überhaupt nicht einordnen. Und davon muss ich ausgehen, dass mir Interessenvertreter natürlich eine einseitige Sicht präsentieren. Und deshalb muss ich wissen, mit wem ich spreche."

    Das will Ludwig Lindner nicht einsehen. Lindner ist Vorsitzender von "Bürger für Technik", einem Verein mit bundesweit rund 100 Mitgliedern. Die "Bürger für Technik" schreiben Leserbriefe, melden sich in Diskussionsveranstaltungen zu Wort und halten Vorträge an Schulen. Stets werben die besorgten Bürger für Atomkraftwerke, Gentechnik und umstrittene Chemikalien wie PVC. Der Vereins-Vorsitzende Ludwig Lindner:

    "Die Motivation ist einfach, weil wir meinen, dass wir für Deutschland was tun sollen, dass auch unsere Kinder und Enkel, dass die auch vernünftig weiter leben können, dass nicht alles kaputt gemacht wird."

    Nur ist Ludwig Lindner nicht bloß ein einfacher Bürger, der sich für Atomkraftwerke, Gentechnik und PVC stark macht. Lindner ist auch Mitglied in zahlreichen Interessenverbänden, die sich für Atomkraftwerke, Gentechnik und PVC einsetzen: Der Kerntechnischen Gesellschaft dient Lindner als stellvertretender Sprecher der Fachgruppe "Nutzen der Kerntechnik". Die Kerntechnische Gesellschaft setzt sich für die friedliche Nutzung der Atomenergie ein und wird finanziell unterstützt vom Deutschen Atomforum, der offiziellen Lobbyvereinigung der Kernkraftindustrie. Lindner ist außerdem Mitglied in der "Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt", einem Verein, mit dem Unternehmen die ökologischen Vorzüge von PVC preisen. Und Lindner ist Mitglied in der Gesellschaft Deutscher Chemiker, die sich unter anderem für die Gentechnik stark macht.

    All das ist nicht verboten. Diese Informationen sind jedoch wichtig, um Lindners Vorträge einordnen zu können. Doch die Website der "Bürger für Technik" verschweigt das Wirken ihres Vorsitzenden in diesen industrienahen Verbänden. Auch Schulen und Schülern verrät Lindner nur auf Nachfrage, wo er überall Mitglied ist:

    "LINDNER: Wenn sie mich fragen, werde ich das tun, natürlich. BANSE: Und wenn sie nicht fragen?
    LINDNER: Warum soll ich es dann sagen?"

    Er sei völlig unabhängig. Die "Bürger für Technik" verträten zwar mitunter die gleichen Interessen wie Industrieverbände, würden von diesen aber weder unterstützt, noch bezahlt. Den Vorwurf, er betreibe unter dem Deckmantel einer altruistischen Bürgervereinigung knallharten Industrie-Lobbyismus, weist Lindner zurück:

    "Das ist falsch, das ist eine böswillige Unterstellung. Damit wollen sie nur versuchen, uns Schwierigkeiten zu machen."

    Allerdings zitiert die Wochenzeitung "Die Zeit" aus einem Schreiben Lindners. Als Fachgruppenleiter in der industrienahen Kerntechnischen Gesellschaft schreibt Lindner demnach:

    "Um unseren Wirkungskreis auch neutral zu erweitern, haben wir die lose Vereinigung 'Bürger für Technik' gegründet."

    Ihm sei dieses Schreiben "nicht geläufig", sagt Lindner. Stimmte das Zitat, wären die "Bürger für Technik" eine Tarnorganisation. Ein angeblich selbstloser Verein, der Wirtschaftsinteressen unmerklich in die gesellschaftliche Debatte injiziert. Solche Verschleierungsstrategien hält Heidi Klein von LobbyControl für nicht hinnehmbar:

    "Ich finde, das ist eindeutig eine Praxis des Lobbying, die unethisch ist, die auch unanständig ist und die sich so auch nicht gehört. Da geht es ganz eindeutig um Manipulation und nicht nur um Interessenvertretung, wie das Lobbying gern sein möchte und auch ein legitimer Bestandteil von Demokratie sein möchte. Sondern das ist eine Form, die demokratieschädlich ist."

    Vor allem, wenn die Interessenvertreter mit Tarnkappe im Maschinenraum des deutschen Parlamentarismus werkeln. Kaum jemand bekommt so oft Besuch und Post von Lobbyisten aller Coleur wie Bundestagsabgeordnete.

    Peter Friedrich sitzt für die SPD im Gesundheitsausschuss des Bundestages, einem Gremium, dass die Pharmabranche Milliarden kosten kann. Fast täglich bekommt Friedrich Mails, Anrufe, Briefe von Lobbyisten, die den Abgeordneten für ihre Anliegen gewinnen möchten. Friedrich hält das für eine normale, demokratische Art der Interessenvertretung - wenn die Besucher offen sagen, wessen Interesse sie vertreten.

    Bei Jan Burdinski habe er von Anfang an ein komisches Gefühl gehabt, sagt Peter Friedrich. Burdinski, ein selbstständiger Lobbyist aus Berlin, besuchte den Angeordneten, um das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente zu kippen. Davon würden vor allem Pharmakonzerne profitieren. Burdinski aber sagte, er vertrete eine "Patientenkoalition", erinnert sich Peter Friedrich:

    "Was uns stutzig gemacht hat und was uns dieses ungute Gefühl gegeben hat, war die Frage, welche Patienten denn eigentlich dieser Patientenkoalition angehören. Als ich dann fragte, wen vertreten sie denn eigentlich, kamen ausweichende Antworten. Das hat uns stutzig gemacht und hat dazu geführt, dass wir auch mal nachgefragt haben."

    Jetzt begannen die Probleme des Lobbyisten Jan Burdinski. Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung, degepol, leitete eine Untersuchung ein und schloss Burdinski aus dem Berufsverband der Lobbyisten aus - was Burdinski nach eigener Aussage die Existenzgrundlage raubte. Dabei ist der Fall Burdinski nie bis ins Letzte aufgeklärt worden.

    Fest steht: Jan Burdinski hatte 2006 zum Thema Medikamenten-Werbung eine Studie geschrieben, die von einem US-amerikanischen Unternehmen bezahlt worden war. Anschließend startete er die Kampagne "Pro Patienteninformation", die sich ebenfalls dem Thema Medikamenten-Werbung widmete. Die strittige Frage ist bis heute: Wer stand hinter der Kampagne "Pro Patienteninformation"? Wer hat sie angestoßen und bezahlt? Er selbst, sagt Burdinski:

    "Ich habe das im Gespräch mit der degepol sehr klar gemacht, dass die Kampagne "Pro Patienteninformation" initiiert worden ist von mir. Ich habe aus meiner politischen Überzeugung heraus die Notwendigkeit gesehen, dass es hier eine Liberalisierung gibt, dass mehr Zugang zu Information für mündige Patienten zur Verfügung gestellt werden sollte. Und dann - ich mache Kampagnen, das ist mein Beruf - dann habe ich überlegt, wie man daraus eine Kampagne stricken kann. Und unsere Absicht war, über die Einbindung von möglichst vielen Patienten-Selbsthilfe-Organisationen zu möglichst vielen Patienten zu kommen und daraus im Grunde eine Bewegung zu machen."

    Wenn jeder dieser Patienten jeden Monat auch nur einen Euro zahlt, könnte sich die Kampagnenkasse schnell füllen, das war sein Geschäftsmodell. Burdinksi sprach drei große deutsche Patientenselbsthilfe-Organisationen an. Alle drei bestätigen, dass sie sich mit Burdinski getroffen und über die Kampagne gesprochen haben. Dann sei die Idee allerdings wieder eingeschlafen. Mehr als eine Website habe es nie gegeben, Geld sei nie geflossen, erklären die Patientenverbände übereinstimmend. Ein Patientenvertreter äußert den Verdacht, Burdinski sei von einem Pharmaunternehmen bezahlt worden. Burdinski bestreitet das. Die dreistelligen Kosten für die Website habe er aus eigener Tasche bezahlt:

    "Insofern gab es niemanden, der dahinter stand. Und einen dreistelligen Euro-Betrag zu refinanzieren durch einen Sponsor ist ein Unterfangen, was die Mühe nicht lohnt."

    Kampagne selbst gestartet, selbst bezahlt und selbst beerdigt - diese eindeutige Absenderkennung sei nachträglich geschönt, sagt Heiko Kretschmer, Ethikbeauftragter beim Lobbyistenverband degepol:

    "Er hat zu dem Zeitpunkt als er mit dieser Initiative aktiv war, weder auf der Webseite noch in den Gesprächen ganz klipp und klar gesagt, wer dahinter steht. Er hat nicht gesagt, das bin ich. Es gibt einzelne Momente, wo er gesagt hat, das sind drei Patientenverbände und ansonsten war es eine Koalition, die aus sich selbst heraus entstanden ist. Und das geht nicht. Er muss das offen legen. Und das ist der Vorwurf, den wir ihm gemacht haben, die Absenderkennung ist nicht klar. Im Zweifelsfall hätte er hinschreiben können: Ist meine Privatinitiative. Zweitens entspricht es auch nicht der üblichen Praxis und Realität, eine Privatperson kriegt nicht Abgeordneten-Termine nacheinander, um so eine Initiative vorzutragen. Insofern spricht auch das dafür, dass er da teilweise mehr dargestellt hat, als dass er jetzt behauptet, dass es gewesen sei."

    Jan Burdinski wurde wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus der degepol ausgeschlossen. Aber Burdinski war ein kleiner Fisch, an ihm wurde ein Exempel statuiert, Motto: Seht her, die viel kritisierte Lobby-Branche sortiert ihre schwarzen Schafe selber aus.

    Diese Selbstkontrolle der Lobby-Branche reiche nicht aus, sagt Heidi Klein von LobbyControl. Alle Parteien im Bundestag diskutieren daher über einen Lobbyregister, ein Verzeichnis aller Interessenvertreter, die Kontakt zur Politik suchen. Die politische Diskussion steht jedoch noch ganz am Anfang, bis zum Ende der Legislaturperiode 2009 wird wohl nichts mehr entschieden. Heidi Klein von LobbyControl skizziert ihr ideales Lobbyregister:

    "Die Idee von einem verpflichtenden Register, das ist wichtig, dass es verpflichtend ist, wäre zu sagen: Menschen, die in Kontakt treten wollen mit der Politik, um bestimmte Politikprozesse zu beeinflussen, die müssen sich registrieren. Das würde heißen: Ein Bundestagsabgeordneter, der einen Termin macht, oder ein Ministerialbeamter, der einen Termin macht, der schaut vorher, ist der Mensch, mit dem ich mich verabrede, im Lobbyregister registriert? Und dort kann er sehen: Für wen arbeitet er? Mit welchem Geld arbeitet er? Für welches Thema macht er Lobbyarbeit? Man wüsste, wer mit wie viel Geld zu welchem Thema Lobbying betreibt."

    Nach dieser weit verbreiteten Lobbyismus-Definition, wären im Register also nur Lobbyisten erfasst, die sich an die Politik wenden. Nicht registrieren müssten sich Interessenvertreter, die Medien und gesellschaftliche Gruppen beeinflussen wollen. Also etwa die "Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung" oder die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft".

    Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" wird finanziert von großen Industrieverbänden. Mit Zeitungsartikeln, Studien und Interviews will die Initiative wirtschaftsnahe Inhalte in die öffentliche Diskussion einspeisen. Gleiches versuchen die Gewerkschaften mit ihrer Initiative "Öffentliche Dienste". Wer hinter diesen Lobbyorganisationen steckt, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Ein Blick auf die Webseite sorgt allerdings für Klarheit. Eine Grauzone.

    In dieser Grauzone könne ein Lobby-Register nichts ausrichten, hier müssten die Medien einfach stets Ross und Reiter benennen, sagt Korruptions-Experte Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland. Eine Komplettregistrierung aller Interessenvertreter sei unverhältnismäßig. Denn es gebe in Deutschland nur wenige Astroturf-Organisationen, also Wirtschafts-Verbände, die sich als Graswurzel-Initiative tarnen.

    "Man muss ja auch abwarten, wie dieses Phänomen sich weiter entwickelt, also es mehr gibt oder weniger. Es kann ja auch sein, dass in den USA das Thema Astroturf wieder zurück geht. Ich könnte mir das schon gut vorstellen, weil ich einfach glaube, dass es in Zeiten des Internets und der unbeschränkten Kommunikation natürlich immer schwieriger wird, zu verbergen, wer hinter einem steht. Das heißt, eigentlich ist die Kommunikation die mit einem ganz offenen Visier."