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Lobbyisten gesucht

Kaum ein EU-Abgeordneter, der nicht gänzlich eigennützig von diversen profitorientierten Organisationen vor wichtigen EU-Entscheidungen "beraten" wird. Jetzt wehren sich die Parlamentarier gegen den unliebsamen Druck.

Von Volker Finthammer | 04.08.2010
    Die Zeiten gedruckter Aufrufe oder gar Flugblätter sind wohl vorbei. Einmal mehr ist es das Internet, das eine Brücke bauen soll. Unter www.finance-watch.org haben 22 EU-Abgeordnete Mitte Juni einen Aufruf veröffentlicht:

    Wir, die für die Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes zuständigen europäischen Abgeordneten, stehen täglich unter dem Druck des Finanz- und Banksektors, um den für die Branche geltenden Rechtsrahmen stärker zu beeinflussen. Es ist durchaus korrekt, dass die Unternehmen dieser Branche ihre Standpunkte bekannt machen und regelmäßig mit dem Gesetzgeber Gespräche führen. Aber das Ungleichgewicht zwischen diesem Lobbying und der Mangel an Gegen-Expertise erscheint uns eine Gefahr für die Demokratie.

    Aber auch in Zeiten der zunehmenden Vernetzung ist das Internet noch lange kein Selbstläufer. Erst durch Zeitungsberichte, für die die EU-Abgeordneten Journalisten auf ihr Vorhaben aufmerksam gemacht haben, bekam der Vorstoß überhaupt die Öffentlichkeit, die sich die Initiatoren wünschen.

    Die Lobbyarbeit einer Interessengruppe muss in der Tat durch Stellungnahmen anderer ausgeglichen werden. Zum Thema Umwelt und öffentliches Gesundheitswesen haben die Nichtregierungsorganisationen der von der Industrie vertretenen Auffassung eine echte Gegenexpertise entwickelt. Das Gleiche gilt im sozialen Bereich für Arbeitgeber und Gewerkschaften. Diese Gegenüberstellung ermöglicht Abgeordneten, widerstreitende Argumente anzuhören. Für den Finanzsektor trifft das nicht zu. Weder die Gewerkschaften noch die Nichtregierungsorganisationen haben eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Industrie standhielte. Es gibt in der heutigen Zivilgesellschaft keine ausreichende Gegenmacht.

    Seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 hat die europäische Gesetzgebung enorm an Fahrt gewonnen. Die Staats- und Regierungschefs hatten sowohl im Rahmen der G-20 als auch auf EU-Ebene weitreichende Konsequenzen angekündigt.

    Wir bekennen uns dazu, dass alle Finanzmärkte, -produkte und Teilnehmer auch Hedgefonds, auch Ratingagenturen und andere private Anbieter natürlich einer Aufsicht und Regulierung unterstellt werden müssen. Die notwendigen Details dazu müssen ausgearbeitet werden.

    Lautete eine Kernaussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel. In den Gesetzgebungsverfahren der EU spiegelt sich dies auch wieder. Über 20 Richtlinien oder Verordnungsentwürfe sind derzeit in der Pipeline: Die künftige europaweite Finanzmarktaufsicht für grenzüberschreitend tätige Institute, die Hedgefondsrichtline, der Einlagensicherungsschutz für Bankkunden, oder die Eigenkapitalvorschriften der Banken sowie neue Regelungen für die Derivatemärkte, um nur einige zu nennen. Allesamt Vorhaben, die selbstverständlich auch die jeweiligen Unternehmen und Verbände auf den Plan gerufen haben, um auf die konkrete Gesetzgebung der EU Einfluss zu nehmen:

    "Die Lobbyisten der Finanzindustrie sind in den letzten Monaten zuhauf auch bei mir im Büro gewesen, sofern ich ihnen einen Termin gegeben habe. Aber an Anfragen und Nachfragen hat es in keinster Weise gemangelt. Ich habe stellenweise tatsächlich den Eindruck gehabt, dass der Eurostar, also der Schnellzug der von London nach Brüssel fährt, quasi schon lange im Voraus von den Lobbyisten reserviert worden war. Also in der Tat war es auffällig. Vor allem im Zusammenhang mit der Alternative Investment Funds Management Directive, dass sich da die Lobbyisten, aber auch die Industrie selber sehr stark und immer wieder zu Wort gemeldet haben."

    Hinter der Direktive, so der Finanzexperte der Liberalen im EU-Parlament, Wolf Klinz, verbirgt sich die geplante Regulierung von Hedgefonds in der EU. Diese Fonds galten ob des bislang eher unkontrollierten Marktzugangs und der gewaltigen Summen, die über Jahre hinweg in diesen lukrativen Anlageformen gesammelt wurden, zwar nicht als der Auslöser, wohl aber als ein deutlicher Verstärker der Krise, weil sie erheblich zur Blasenbildung auf den Kreditmärkten beigetragen hatten. Nach den Vorschlägen der EU-Kommission sollen sich alle Manager von Hedgefonds, privaten Beteiligungsgesellschaften und Spezialfonds in Europa künftig registrieren lassen und Transparenzregeln wie die Offenlegung ihrer Anlagestrategien gegenüber der Aufsicht befolgen. Damit sollen die Risiken der schwer durchschaubaren Branche kontrollierbar werden. Doch seit Monaten blockiert ein Streit über den Umgang mit Fondsmanagern aus Drittstaaten die Verhandlungen. Ein Streit, der vor allem von der City of London angeführt wird, wo viele solche Fonds, die etwa auf den Cayman Inseln ihren Sitz haben, verwaltet werden. Entsprechend groß war tatsächlich der Ansturm im Gesetzgebungsverfahren, sagt der Grüne Finanzexperte Sven Giegold, der zu den Initiatoren des Aufrufs gehört:

    "Bei der Richtlinie ARFM, die die Hedgefonds und Private Equity Fonds und Investmentfonds regulieren soll, da war das sehr deutlich. Also, es gab 1600 Änderungsanträge von Abgeordneten. Vielfach wurden genau identische Änderungsanträge gestellt, weil die nämlich von den Lobbygruppen an verschiedene Abgeordnete übersandt wurden. Dagegen gab es nur einen einzigen Mitarbeiter der Gewerkschaften, der sich da ein bisschen drum gekümmert hat. Aber es gab kein Gegengewicht."

    Seit einem Jahr sitzt der Mitbegründer der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac-Deutschland für die Grünen im EU-Parlament und kümmert sich um die Finanzmarktreformen. Für die Idee seines französischen Fraktionskollegen Pascal Canfin hatte Giegold schnell offene Ohren:

    "Das Ausschlaggebende für uns war eben die Erfahrung, nach einem Jahr zu sehen, wie das hier läuft und eben zu sehen, wie krass das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Kräften ist. Und wir hoffen, eben mit dem Appell die Unterstützung der Zivilgesellschaft zu bekommen, um einen solchen kritischen Think-Tank aufzubauen."

    1884 Organisationen und Interessenverbände sind im EU-Parlament offiziell registriert und haben damit Zugang zum Parlament. Dahinter verbergen sich 3110 akkreditierte Interessenvertreter und Lobbyisten aus allen Bereichen. Von Unternehmen über Verbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen ist alles dabei. Die Finanzmarktlobbyisten sind darunter gut vertreten. Öffentlich äußern will sich jedoch keiner von ihnen.

    "Also grundsätzlich, um das auch klarzustellen, ist es sehr sinnvoll und gut, dass eben Interessenvertreter hier auch in Brüssel sind, und natürlich mit den Parlamentariern über einzelne Themen sprechen. Das begrüße ich sogar. Auf der anderen Seite habe ich in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen, dass das eben in bestimmten Bereichen – ich will da auch nicht für alle Bereiche nehmen – aber zum Beispiel bei den Hedgefonds eben sehr stark überhandgenommen hat, und ich möchte einfach – genauso wie die Kollegen auch – dass wir breiter angelegt verschiedene Meinungen zu bestimmten Themen bekommen und deswegen eben dieser Aufruf, dass eben die Zivilgesellschaft, dass eben andere Bürgerorganisationen eben auch mit uns über Finanzmarktthemen ins Gespräch kommen."

    Sagt der CDU Abgeordnete Burkhard Balz. Der frühere Banker ist auch erst seit einem Jahr im Parlament und gehört mit dem französischen Konservativen Jean-Paul Gauzès zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs, dem sich bislang mit dem Abgeordneten Thomas Ulmer nur ein weiterer Christdemokrat angeschlossen hat. Sehr zum Ärger des langjährigen Abgeordneten Werner Langen, dem Vorsitzenden der deutschen Christdemokraten im EU-Parlament:

    "Ich fühle mich überhaupt nicht unter Druck gesetzt von irgendjemandem im Finanzmarkt, und für mich ist das ein Armutszeugnis und eine Bankrotterklärung diese Initiative. Wir brauchen natürlich als Parlamentarier Sachverstand, auch von außen, zur Beurteilung komplexer Zusammenhänge. Aber ich wehre mich dagegen zu sagen, die Finanzindustrie ist so stark, wir müssen eine Gegenorganisation à la Attac oder Greenpeace gründen. Ich halte das für einen völligen Irrweg. Wer als Abgeordneter so etwas sagt, der bestätigt ja Vorurteile, dass er selbst nicht dazu in der Lage ist, sich ein Bild zu machen."

    "Eine Runde Mitleid für die EU-Abgeordneten bitte" titelte prompt das deutsche Online-Magazin Telepolis, und weiter schreibt Autorin Bettina Winsemann:

    "Es ist schon tragisch - da werden Menschen mit politischer Macht ausgestattet, und dann verstehen die Wähler nicht einmal, dass sie selbst noch Nichtregierungsorganisationen bilden müssen, damit die EU-Abgeordneten dann endlich wieder, ohne Repressalien durch Lobbyisten ausgesetzt zu sein, von dieser Macht auch Gebrauch machen. Warum können die Herren und Damen Abgeordneten nicht einfach knallharte Forderungen stellen, statt sich jammerig zu geben und ihre eigene Hilflosigkeit einzugestehen? Weiß es jemand? Irgendwer?"

    "Natürlich machen wir hier Gesetzgebung. Aber wir wollen die Chance haben, ein eigenständiges Forum zu finden, wo die Fachleute mit der Politik reden können, ohne dass es immer die große Bank aus Europa, der große US-amerikanische Konzern oder die Hedgefondsindustrie ist, die die Daten liefert. Wir wollen aufmerksam machen dafür: Öffentlichkeit, schau genau hin, wir machen gerne gute Gesetzgebung, aber was wir brauchen ist mehr gute Information, ist mehr guter Austausch, der industriefrei ist, der interessenfrei ist."

    Ohne die Beratung der Branche und deren Interessenvertreter komme man in einem konkreten Gesetzgebungsverfahren nicht weiter, sagt der Sozialdemokrat Udo Bullmann. Denn am Ende gilt es, eine politische Absicht in konkreten Gesetzestexten juristisch dingfest zu machen. Dabei kommt es auf jeden Punkt und jedes Komma an.

    "Wenn Sie eine vernünftige Studie machen wollen, wie wirkt jetzt diese oder jene Gesetzesänderung bei der Eigenkapitalbildung von Banken sich aus, dann müssen Sie es genauer wissen, und da müssen Sie gleichzeitig wissen, die Bankenindustrie ist nicht überall in Europa gleich. Banken haben unterschiedliche Traditionen, denken Sie etwa an die deutsche Situation mit dem Dreisäulenmodell, Privatbanken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, da müssen Sie vorher schon genau wissen, wenn Sie am Schräubchen drehen, welche Auswirkungen hat das für wen. Deswegen gute Daten, gute Auswirkungsstudien müssen uns neutrale Fachleute liefern, die nicht von der jeweiligen Industrie bezahlt werden."

    Für die konkreten Gesetzentwürfe ist in Brüssel die EU-Kommission zuständig. Dort bedient man sich jeweils auch der Kenntnisse spezieller Expertengruppen. Aber selbst diese Expertengruppen stehen ob der relativ einseitigen Besetzung in der Kritik. Die Europäische Allianz für mehr Transparenz im Lobbyismus hat bereits Ende vergangenen Jahres eine Studie veröffentlicht, wonach in den 19 Expertengruppen die die EU-Kommission bei der Gesetzgebung für die Finanzmarktreformen beraten, die Vertreter der Finanzindustrie viermal so stark vertreten sind als Vertreter von Hochschulen, Gewerkschaften oder Verbraucherschutzverbänden.

    "Es kann nicht angehen, dass wir in den Briefingrunden der Kommission hauptsächlich die Interessenten sitzen haben, die anschleißend von der Gesetzgebung betroffen sind. Da trifft der Spruch mit den Sümpfen und den Fröschen zu: Wer die Sümpfe austrocknen will, darf nicht immer zuerst die Frösche fragen, und die Kommission könnte eine ganze Menge tun, um hier mehr unabhängigen Sachverstand zu installieren."

    Kritisiert der Sozialdemokrat Udo Bullmann. Ursula Pachl, die stellvertretende Vorsitzende des europäischen Dachverbandes der Verbraucherschutzorganisationen BEUC, würde gerne öfter im Interesse der Verbraucher mit am Tisch sitzen.

    "Man muss dazu aber sagen, dass das Problem, das dahinter steht, und darauf möchte ich auch gerne zurückkommen noch mal im Hinblick auf den Aufruf, das ist natürlich ein Problem der finanziellen und personellen Ressourcen, die die Nichtregierungsorganisationen haben. Das heißt, BEUC hat sehr wohl einen Schwerpunkt auf Finanzdienstleistungen. Diesen Schwerpunkt haben wir in den letzten zwei, drei Jahren auch sehr ausgebaut. In ganz konkreten Worten heißt das aber bei uns, wir haben eineinhalb Personen, die sich diesem Thema wirklich widmen können."

    Genau diese Lücke wollen die Parlamentarier mit ihrem Aufruf schließen. Neben dem erhofften öffentlichen Druck, den eine solche Nichtregierungsorganisation für den Finanzbereich in den Augen von Sven Giegold ausüben soll, geht es auch um den institutionalisierten Sachverstand, der künftig ein festes und vor allem größeres Standbein in Brüssel bekommen sollte:

    "Also, aus meiner Sicht muss das natürlich erstmal zivilgesellschaftlich finanziert sein. Aber ich sag auch, das gehört auch zu unserer Verantwortung als Europaparlamentarier, ich finde, genauso wie im Umwelt- und Entwicklungsbereich, sollte auch die Europäische Kommission Geld dazu tun."

    Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat die Kritik der Lobbyorganisationen nicht abblitzen lassen. Anders als sein Vorgänger, der Ire Charly McChreevy, der den Markt am liebsten sich selbst überlassen wollte, hat der Franzose andere Vorstellungen von einem Gleichgewicht der Kräfte. Schriftlich erklärte Barnier gegenüber diesem Programm:

    "Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass in den verschiedenen Beratergruppen eine große Bandbreite an Interessenvertretern eingebunden ist, weil das sehr wichtig ist für den angemessenen Input für unsere Arbeit. Ich habe meine Generaldirektion angewiesen das zu überprüfen, und ich will dafür Sorge tragen, dass die Zusammensetzung dieser Beratergruppen künftig breiter ausfällt und dass wir ein Spektrum bekommen, das die Expertise der Zivilgesellschaft, der Akademiker, der Gewerkschaften und anderer stärker miteinbezieht."

    Doch jenseits der Kommission bleibt das EU-Parlament neben der Einflussnahme in den Mitgliedsländern, die sich ihrerseits auf eine gemeinsame Position in all den Fragen verständigen müssen, die wichtigste Bühne für alle Interessenvertreter, weil man durch konkrete Änderungsanträge und vieles mehr den Gesetzgebungsprozess beeinflussen kann:

    "Ich würde es strikt ablehnen, hab es bisher auch immer strikt abgelehnt, nur weil da jemand daherkommt und sagt, ich bin Experte, ich kenne mich aus, ich bin Mitarbeiter der Deutschen Bank seit 20 Jahren, ich kenne mich bestens im Geschäft aus, und glauben Sie mir, das ist gar nicht praxistauglich, was hier die Kommission vorschlägt. Ich gebe Ihnen den Rat, machen Sie es so und so. Das würde ich überhaupt nicht in Erwägung ziehen."

    Gibt sich der liberale Abgeordnete Wolf Klinz ganz selbstbewusst und unabhängig. Klinz hält wie sein Kollege Werner Langen von der CDU den Aufruf für überflüssig. Doch hinter den Kulissen sieht das Bild, wie bei vielen Abgeordneten, ein wenig anders aus. Dort nämlich sorgt der liberale Klinz als Vorsitzender des European Parlamentary Financial Services für eine Plattform, wo die Interessenvertreter der Finanzindustrie mit den Parlamentariern zusammenkommen. Beim Frühstück oder Mittagessen wird regelmäßig über die künftige Bankenaufsicht oder die Baseler Eigenkapitalanforderungen gesprochen. Als Redner stehen dabei die Vertreter der Finanzindustrie auf der Liste. 52 Unternehmen und Verbände tragen und finanzieren die Organisation.

    "In der Regel bitten wir Industrievertreter, zu einem bestimmten Thema einen Vortrag zu halten oder eine Einführung zu geben. Es gibt aber auch die Fälle, wo meinetwegen zwei Industrievertreter und einer aus dem Parlament oder einer aus der Kommission zu Wort kommt. Ja, also die Kommission ist in der Regel auch vertreten bei diesen Gesprächen. Das ist eine Diskussionsrunde, die ich unterm Strich eigentlich für sehr nützlich halte. Weil es da eben nicht darum geht, einen bestimmten Punkt in dieser oder jener Weise beeinflussend zu machen, sondern da geht es einfach um Hintergrundinformationen, da geht es um Einschätzungen, da geht es auch um technische Fragen."

    Von aktiver Lobbyarbeit will Klinz gar nicht sprechen. Er kann sich sogar vorstellen, dass hin und wieder auch ein Interessenvertreter der Konsumenten zu Wort kommen könnte, wenn Verbraucherinteressen berührt sein sollten. Aber letztlich geht es dem Liberalen darum, Lösungen zu finden, die vor allem im Einklang mit den berechtigten Interessen der Branche getroffen werden. Deshalb stellt sich Klinz auch offen gegen den Vorstoß seiner Parlamentskollegen. Da hält der Christdemokrat Burkhard Balz dagegen, der sowohl dem Finanzmarktforum unter der Leitung des FDP Abgeordneten Klinz angehört, aber auch den Aufruf unterzeichnet hat:

    "Ich habe mich geärgert, dass das eben sehr einseitig alles passiert ist, und deswegen bin ich eben auch mit vollem Herzen bei diesem Aufruf dabei, diese Einseitigkeit zukünftig abzuschaffen und eben eine Pluralität, ein mehr an Meinungen zu bekommen."

    Doch wie das in Zukunft konkret aussehen sollte, darüber gehen die Meinungen wieder auseinander. Während der Sozialdemokrat Udo Bullmann vor allem die EU-Kommission in die Pflicht nehmen möchte, die einen unabhängigen wissenschaftlichen Dienst aufbauen und finanzieren sollte, denkt der Grüne Sven Giegold weit darüber hinaus:

    "Mit der Formulierung ein Greenpeace im Finanzbereich meinen wir natürlich etwas anderes als eine langweilige Lobbyorganisation, die Stellungnahmen einreicht. Sondern die in der Lage ist, strategisch zentrale Ziele und Aufgaben im Finanzmarktbereich herauszufinden und dazu Kampagnen durchzuführen. Kampagnen beinhalten einerseits Lobbying. Andererseits aber auch die Mobilisierung der Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung. Und eine solche Kombination gibt es im Bereich der Finanzmärkte nicht. Das haben wir bei Umwelt, bei Entwicklung, beim Konsumentenschutz, und das fehlt uns. Und ich wiederhole es noch einmal. Es macht einen Unterschied, ob es diese Organisationen gibt oder nicht, und das sehen wir eben in Brüssel bei den Fragen, wo wir eben progressives Lobbying haben, was wir als Grüne sehr begrüßen."

    Im September soll es in Brüssel ein erstes großes Treffen von Nichtregierungsorganisationen, kritischen Wissenschaftlern, Gewerkschaften und anderen Interessierten geben. Von da soll der Gründungsimpuls für eine mögliche Organisation ausgehen. Der Christdemokrat Werner Langen nimmt das gelassen:

    "Welche Argumente man übernimmt und welche man wie bewertet, das ist hier eine Gemeinschaftsleistung des Parlaments. Denn im Endeffekt braucht man eine Mehrheit. Man muss sich hier nicht mit irgendeinem Lobbyisten verbünden, sondern um Mehrheiten kämpfen."