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Lockruf von Bonuszahlungen beeinflusst Unabhängigkeit von Ärzten

Durch Bonuszahlungen für bestimmte Therapien werden Ärzte von vielen Kliniken in ihrer medizinischen Entscheidungsfindung beeinflusst, kritisiert der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Ulrich Fölsch. Dies sei mit der Unabhängigkeit eines Arztes nicht vereinbar.

Ulrich Fölsch im Gespräch mit Christian Floto | 24.07.2012
    Christian Floto: Wirtschaftlichkeit in der Medizin ist für sich genommen weder Fortschrittsverhinderung, Ausgeburt von Patientenfeindlichkeit noch Folterwerkzeug des Zeitgeist. Die Einsparpotenziale in Krankenhäusern sind durch schlichte Prozess- und Organisationsanpassung, Budgetplanung und kluge Einkaufspolitik nicht nur bei teueren Materialien und Geräten erheblich und durch sie erwirtschaften die zahlreichen privatwirtschaftlichen Klinikbetreiber, die immer mehr Krankenhäuser übernehmen, ihre Renditeziele. Zu den Segnungen der betriebswirtschaftlichen Markt- und Modelllogiken gehört unter anderem aber auch die Vorstellung, dass Bonussysteme und Anreize die Rendite ernorm steigern können. Wir erleben das ja in Permanenz derzeit bei anderen Berufsgruppen.

    Nun soll dieses Prinzip auch mehr Chefärzte auf Trab bringen, denn das gesamte Krankenhausvergütungssystem wurde ja unter der SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt seinerzeit auf eine völlig neue ökonomische Logik gestellt: Statt wie früher Krankenhausverweildauer nun Fallpauschalen aufgrund von Haupt- und Nebendiagnosen des Patienten. Zugespitzt also möglichst einträgliche Diagnosen mit hohen Fallpauschalen, die dann schnell durchgeschleust und entlassen werden, damit gleich der nächste wieder abgerechnet werden kann. Das bringt nach dieser Logik ordentlich Einnahmen. Ökonomische Zielvorgaben finden sich deshalb immer häufiger jetzt in Chefarztverträgen. Fallzahl, Ziele, OP-Zahlen – das soll Ärzte animieren, die Unternehmensziele des Krankenhauses über das Primat des Patientenwohls zu stellen.

    Dieser Satz steht in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und deren Generalsekretär ist der ehemalige Direktor der Kieler Universitätsklinik für Innere Medizin, Professor Ulrich Fölsch und den begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Tag, Herr Professor Fölsch!
    Ulrich Fölsch: Guten Tag, Herr Floto!

    Floto: Das ist Klartext, diese Entwicklung läuft ja aber schon geraume Zeit. Was ist für Sie besonders beunruhigend jetzt?

    Fölsch: Für mich ist beunruhigend, oder für uns ist beunruhigend als Gesellschaft, dass diese Verträge, die mit Bonuszahlungen gekoppelt werden, immer häufiger werden. Jeder zweite Neuvertrag heutzutage ist mit einer Bonuszahlung gekoppelt, die im Grunde nicht mehr vereinbar ist, dass die Unabhängigkeit eines Arztes in seiner medizinischen Entscheidungsfindung gewahrt bleibt.

    Floto: Wenn diese Unabhängigkeit gefährdet ist, wozu führt das im Einzelfall? Möglicherweise?

    Fölsch: Sie können sich ja vorstellen, dass es bei nicht wenige Entscheidungen im Krankenhaus oder bei der Krankenhausaufnahme Grauzonen gibt, wo man die eine Entscheidung treffen kann, oder die andere. Aber wenn man dann eben durch den Lockruf von Bonuszahlungen in eine gewisse Richtung gelenkt wird - das heißt eben, wenn ich mehr Interventionen bei einem Patienten oder Patienten machen, dann locken am Ende des Jahres dann eben Bonuszahlungen - dann wird man in seiner medizinischen Entscheidung beeinflusst. Und das ärgert uns. Das macht uns Sorge, dass eben die Unabhängigkeit der Arztes, die Therapiefreiheit gegenüber dem Patienten auf diese Art und Weise untergraben wird.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Sie können das vollständige Gespräch mit Ulrich Fölsch mindestens bis zum 24.1.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.


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