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Lokale Lebensmittelversorgung
Regionales Essen für Großstädter

Äpfel aus Chile und Knoblauch aus China - viele Großstadt-Bewohner wollen das nicht mehr. Sie bevorzugen Lebensmittel vom Bauern aus der Nähe. In Köln, Berlin und Hamburg haben sich bereits Ernährungsräte gebildet, die sich für eine neue, regionale Lebensmittelversorgung einsetzen.

Von Susanne Kuhlmann | 07.12.2016
    Ein Landwirt räumt Obst und Gemüse aus eigenem Anbau im Hofladen ein.
    Auch in einigen Großstädten gibt es Hofläden, in denen Landwirte Produkte aus der Region anbieten. (imago / Marc Schüler)
    Entspannte Nachmittagsstimmung im Kuhstall von Peter Schmidt. Der Nebenerwerbsbauer aus Leidenschaft bewirtschaftet einen Biohof am Rand von Gummersbach im Bergischen Land, 50 km östlich von Köln. Im Kölner Ernährungsrat versteht er sich als einer, der Wege zwischen Land und Stadt bahnt. Wege für Produkte, die er liefert und die Leute in der Kölner Region gerne kaufen wollen. Fleisch zum Beispiel.
    "In meinem Stall wohnt Rotes Höhenvieh. Das ist eine alte Rinderrasse. Dann haben wir noch Schafe und im Nachbarstall Hühner. Das sind alles Produkte, die wir auch bis nach Köln vermarkten. Aber es geht im Ernährungsrat darum, überhaupt die Strukturen zu verändern. Es gibt so viele Bauern, die noch so wirtschaften wie wir, aber keinen Absatz mehr haben. Und viele Kölner wissen nicht, wie sie an ihre Dinge drankommen sollen."
    Ernährungspolitik zur kommunalen Aufgabe machen
    Valentin Thurn ist Filmemacher und Vorsitzender des Kölner Ernährungsrats. Beim ersten Netzwerktreffen im vergangenen Frühjahr verabredeten über hundert Menschen, Ernährungspolitik zur kommunalen Aufgabe zu machen. Angefangen bei den ganz Kleinen.
    "Das nächste Projekt in dem Bereich wird sein, dass wir eine Zukunftswerkstatt machen für die Praktiker aus Kitas: Essen in Kitas."
    Außerdem wollen Valentin Thurn und seine Mitstreiter das Gärtnern und die Landwirtschaft stärker in die Ballungsräume tragen, Stichwort: "Essbare Stadt".
    "Da wollen wir mit dem Grünflächenamt ein Konzept erarbeiten, wie denn Grün in der Stadt zunehmend - zum Beispiel Obstgehölze – nutzbar wird. Der ganze Gedanke des Ernährungsrates geht darauf zurück, dass wir an Wertschätzung für Lebensmittel verloren haben und dass wir die Bürger wieder näher an die Lebensmittelproduktion bringen wollen. Da ist auch der Eigenanbau ein wunderbares Mittel dazu. Nicht nur der Eigenanbau – daraus wird man Köln nicht komplett ernähren können – sondern auch der Kontakt zum Erzeuger."
    Interesse an Produkten aus der Nähe wächst
    Zum Beispiel zu Peter Schmidt mit Fleisch und Eiern von alten Tierrassen. Als Lieferant für die Food Assembly, einen Internetbauernmarkt für regionale Lebensmittel, beobachtet er, dass das Interesse an Produkten aus der Nähe wächst.
    "Die Leute verstehen mittlerweile, was wir hier machen, dass wir zum Beispiel selber ausbrüten können, dass wir nicht von Industrieunternehmen abhängig sind, die irgendwelche Hybridhühner verschicken. Die Bereitschaft, dies zu bezahlen, wächst mit jedem Jahr. Wir haben es beim Roten Höhenvieh zuerst gesehen, und jetzt erleben wir es auch beim Huhn."
    Und bei den Äpfeln. Auf Peter Schmidts Streuobstwiese reifen gerade zwanzig Sorten: Vom Danziger Kantapfel bis zum Winterrambur. Die meisten davon können auch Apfelallergiker vertragen.
    In den Köpfen der Menschen verändert sich was
    Die vier Ausschüsse des Kölner Ernährungsrats haben gerade erst mit ihrer Arbeit begonnen. Die Region Köln wird nie ausschließlich von Bauern aus der Nähe und aus Stadtgärten satt werden, sagt Valentin Thurn. Aber in den Köpfen vieler Menschen ändere sich etwas.
    "Ich habe Leute gehört, die nur einen Sommer lang bei einem urbanen Gartenprojekt mitgemacht haben, aber die sagen: Ich konsumiere jetzt anders. Es wird weiterhin den Handel geben, bestimmte Produkte – Avocados - wachsen nicht im Rheinland, und ich esse sie nach wie vor gerne. Das soll alles gar nicht heißen, dass das nicht mehr möglich ist. Aber dass eine Wertschätzung für Essen, dass eine Esskultur entsteht."
    Lebensmittelerzeuger, Lebensmittelretter, Umweltverbände und viele mehr – auch in Berlin ist der Ernährungsrat an die Arbeit gegangen. Seine Sprecherin Christine Pohl stellt die kommunale Ernährungsweise in einen globalen Zusammenhang.
    "Wir wollen ein zukunftsfähiges Ernährungssystem hier in der Region nicht nur deshalb, weil wir hier coole und hippe Lebensmittel für uns vor Ort haben wollen, sondern weil unser Ernährungssystem globale Auswirkungen hat, global Menschenrechte verletzt und Lebensgrundlagen zerstört. Und weil wir dieses System nicht weiter mittragen wollen, setzen wir uns für ein global gerechtes Ernährungssystem ein."
    Einsatz für ein global gerechteres Ernährungssystem
    Peter Schmidt, der Nebenerwerbsbauer aus dem Bergischen Land, ist überzeugt davon, viele Konsumenten für den Weg der regionalen Ernährung gewinnen zu können.
    "Wenn ich nach Köln gucke, es sind ganz viele Jüngere, so bis dreißig, Mitte dreißig dabei. Das zeigt mir, es ist ein echter Wandel, und wenn die dabei bleiben, ist das eine Investition für alle in die Zukunft."