Dienstag, 16. April 2024

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Protestverbot bei Olympia
"Ich glaube, es geht um wirtschaftliche Interessen"

"Polarisierende Meinungen könnten der Marke Olympische Spiele schaden", sagt Sportwissenschaftler Ben Bendrichs im Dlf. Für ihn ist das Verbot politischer Äußerungen bei den Spielen eine Absicherung gegen Kritik, das IOC nennt er demokratieverdrossen.

Ben Bendrich im Gespräch mit Maximilian Rieger | 21.06.2020
Jadon Sancho, Fußballspieler bei Borussia Dortmund.
Der Dortmunder Jadon Sancho bekundete Solidarität mit George Floyd (dpa-news / Lars Baron)
"Ich glaube, die Sportler bekommen zunehmend Mut, sich auch politisch zu äußern. Und das sehe ich sehr positiv", sagt der Sportwissenschaftler Ben Bendrich, der aktuell ein Buch zum Thema Athletenrechte schreibt. "Gerade natürlich die schwarzen Sportler, denke ich, wollen sich auch äußern zu der Thematik. Und andere Sportler solidarisieren sich immer mehr, was ich als sehr positiv ansehe."
Die Regel 50 des IOC, die politische Äußerungen von Sportlern bei den Spielen unterbindet, sieht Bendrich kritisch: "Ich glaube, es geht aktuell eher um rein wirtschaftliche Interessen. Also polarisierende Meinungen können der Marke Olympische Spiele und natürlich auch den exklusiven Sponsoren theoretisch schaden. Nicht alle Zuschauer werden mit dem Protest übereinstimmen. Und so kann natürlich auch Kritik aufkommen. Und davor haben IOC und Sponsoren wahrscheinlich auch ein wenig Angst."
Atleten müssten auch mit Gegenreaktionen leben
Bendrich sagt, dass Protest innerhalb der Werte des Olympismus erlaubt sein sollten. Für Bendrich ist die Grenze für Meinungsäußerungen von Sportlern da, wo Grundrechte und andere Menschen verletzt werden oder zu Hass aufgerufen wird.
Auch Werbung für Parteien würde der Wissenschaftler nicht per se ausschließen. "Ich bin der Meinung, dass sich Athleten ihrer Verantwortung auch bewusst sind. Dass heißt, wenn sie ein Werteurteil in der Öffentlichkeit abgeben, dann wissen sie, dass das Konsequenzen haben kann. Nicht jede Meinungsäußerung wird gelobt, es kann auch zu Gegenreaktionen kommen."
IOC-Athletenkommission zu nah am Präsidenten
Im Moment werde allerdings das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung der Athleten durch die Regel 50 des IOC verletzt. Er sieht eine Demokratieverdrossenheit im IOC. Zudem zeige das Verhalten des IOC in der Vergangenheit, dass das IOC nicht gegen Politik an sich sei, sondern nur gegen eine bestimmte Art von Politik.
Bei den angekündigten Reform der IOC-Athletenrechte in Sachen Meinungsfreiheit erwartet Bendrichs keinen Durchbruch: "Ich glaube, dass die IOC-Athletenkommission sehr nah am IOC und am IOC-Präsidenten dran ist. Teile der Athletenkommission sind ja auch nicht gewählt von den Athleten, sondern von den IOC-Präsidenten ausgewählt worden. Das heißt, da gibt es eine gewisse Nähe zwischen der IOC-Athletenkommission und dem Präsidenten."
Die IOC-Athletenkommission ist für Bendrichs auch zu abgekoppelt von nationalen Athletenvertretungen. Er rechnet daher lediglich mit Kompromissen in Bezug auf das Thema Rassismus, sonst aber wenig Änderungen.