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London
Proteste in England gegen Studiengebühren

Nach vier Jahren melden sich die englischen Studenten wieder zu Wort: Sie protestieren gegen die 2010 beschlossene Verdreifachung der Studiengebühren, die England zum teuersten Studienort in der EU macht. Am Rande einer friedlichen Demo von 10.000 kam es am Dienstagabend zu Ausschreitungen.

Von Jochen Spengler | 20.11.2014
    Am Ende wurde es dann doch noch brutal, es kam zu Rangeleien mit der Bereitschaftspolizei, die wenig zimperlich vorging und elf Studenten festnahm. Auf beiden Seiten gab es Leichtverletzte, als dutzende Vermummte die Polizeiabsperrungen um den Parlamentsplatz niederrissen, Leuchtfackeln abbrannten und die Polizisten mit Wurfgeschossen angriffen.
    Die Symbole des Establishments wurden in einem Katz- und Maus-Spiel attackiert: Banken, Scotland Yard, das Hauptquartier der Konservativen Partei, Starbucks, aber auch das Gebäude der Nationalen Studentengewerkschaft NUS.
    "Ich bin sehr enttäuscht von der NUS. Die haben die Demonstration erst unterstützt und haben vor zwei Wochen diese Unterstützung wieder widerrufen. Und zwar auf der Basis, dass sie gesagt haben, dass die Demonstration nicht sicher ist und dass sie nicht organisiert genug ist", erzählt die 22-jährige Deutsche Deborah Hermanns, die in Birmingham Europäische Politik studiert. Sie war eine der fünf Organisatoren der Demo und gehört zur Nationalen Bewegung gegen Gebühren und Kürzungen.
    "Wir wollen die Idee der freien Bildung wieder zurückbringen und wir wollen eine Bewegung starten, die für die nächsten Jahre dafür kämpft, gegen Studiengebühren und für die Idee, dass Bildung etwas ist, was öffentlich sein sollte und was für jeden erreichbar sein sollte."
    Studieren in England besonders teuer
    Während in Schottland das Studium umsonst ist, ist es in England eines der teuersten in Europa. Einheimische und EU-Studenten müssen bis zu 9000 Pfund im Jahr zahlen, was rund 11.500 Euro entspricht. Die konservativ-liberale Regierung Cameron hatte 2010 die Verdreifachung der Gebühren beschlossen.
    "In Ländern wie der Schweiz oder Finnland ist die Erziehung immer kostenlos. Aber hier ist man für den Rest seines Lebens angeschmiert, wenn man lernen will. Ich will aber im Bildungsbereich so lange wie möglich bleiben, weil das Ziel des Lebens Wissen ist. Und wenn ich deswegen mein Leben schwieriger wird, dann ist das so; aber es ist nicht fair."
    Die Demonstration von rund 10.000 Studenten war die größte seit den vergeblichen Protesten vor vier Jahren. Sie verlief friedlich und lautstark:
    "Studiengebühren niemals. Besteuert die Reichen und lasst sie zahlen", lautete eine von viele Parolen.
    Schulden für den Rest des Lebens
    Zwar muss man die Studiengebühren in England nicht sofort, sondern erst nach dem Studium abstottern und auch nur dann, wenn man mehr als 21.000 Pfund im Jahr verdient. Doch dass tröstet die Meisten nicht.
    "6.000 Pfund Studiengebühren bei mir pro Jahr. Die werde ich niemals zurückzahlen können. Ich werde Schulden haben für den Rest meines Lebens. Es ist ja nicht so, dass du wie selbstverständlich einen Job bekommst."
    Die Regierung rechnet inzwischen damit, dass die Hälfte der Akademiker, über denen das Damokles-Schwert der Schulden schwebt und die damit beim Auto- oder Hauskauf weniger kreditwürdig sind, die Studiengebührenschulden gar nicht zurückzahlen kann. Was nun wiederum das ganze Uni-Finanzierungssystem gefährdet. Für Deborah Hermanns gibt es nur eine Lösung für die Hochschulfinanzierung:
    "Schlicht vom Staat aus den Steuern. Das ist das Gleiche in Deutschland. Es gibt wahnsinnig viele Firmen, zum Beispiel Starbucks, wo auch gestern protestiert wurde, die ihre Steuern nicht bezahlen. Das heißt, das Geld ist da, es muss nur anders umverteilt werden."