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London
Wachpersonal der National Gallery streikt

Die National Gallery in London wird bestreikt - jeden Tag inzwischen. Die Angestellten protestieren gegen Privatisierungspläne für das Museum. Zwischen der Geschäftsführung und der Dienstleistungsgewerkschaft tobt eine erbitterte Auseinandersetzung.

Von Friedbert Meurer | 19.08.2015
    Mitarbeiter der National Gallery am Trafalgar Square in London vor dem Gebäude
    Streik: Mitarbeiter der National Gallery am Trafalgar Square in London stehen vor dem Gebäude. (picture alliance / dpa / EPA / FACUNDO ARRIZABALAGA)
    Der Trafalgar Square in London – 60 Meter hoch oben blickt Admiral Nelson auf die vielen Touristen zu seinen Füßen herab. Nelsons Triumphsäule auf dem Trafalgar Square ist ein Publikumsmagnet in London. Im Rücken liegt die britische Nationalgalerie, die National Gallery – eine Institution im Land. Sandro Botticelli, Vincent van Gogh, Rembrandt, Raphael, Leonardo da Vinci – ihre Werke locken Museumsbesucher aus der ganzen Welt an. Aber nicht wenige kommen zur Zeit etwas enttäuscht aus dem prächtigen langgestreckten viktorianischen Gebäude mit seinen markanten Säulen wieder heraus:
    "Wir hatten von dem Streik gehört. Wir wollten Rembrandt und Rubens sehen, die französischen und italienischen Maler – aber es hat nicht geklappt. Diese Familie aus den USA hat aber Glück – sie kennen jemanden, der im Museum arbeitet und können doch einen Blick auf die alten Meister erhaschen."
    "Wir haben von dem Streik erst vor fünf Minuten erfahren von einem der Angestellten in der National Portrait Gallery," berichtet diese Museumsbesucherin aus Australien. "Ich halte das schon für eine Schande, dass man in Erwägung zieht, überhaupt die National Gallery zu privatisieren."
    Seit geraumer Zeit schon tobt eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen der Leitung des Museums und der PCS-Union, der Gewerkschaft Public and Commercial Services. Sie ist als Dienstleistungsgewerkschaft die sechstgrößte Arbeitnehmerorganisation in Großbritannien. Erst wurde gelegentlich gestreikt, jetzt täglich. Die Museumsleitung behilft sich mit einem ausgeklügelten System, wie möglichst viele Teilbereiche und Galerien der National Gallery offengehalten werden können. Auf der Homepage kann man sich aktuell informieren, welche Bereiche gerade geschlossen sind.
    Privatisierung – nicht nur für die Museumsbeschäftigten in der National Gallery ist sie ein Thema. Kenner der Museumsszene halten Privatisierungen zwar für unumgänglich, die National Gallery betreibe das aber fast flächendeckend und sorge bei den Garderobenfrauen, bei Mitarbeitern des Restaurants, den Museumswärtern für Angst und Schrecken.
    Museumsbesucher unterschätzen die Bediensteten
    Im Victoria und Albert Museum, auch eines der berühmten Londoner Museen in der Nähe des Hyde Parks, geht man einen anderen Weg. Hier ist nur der Sicherheitsbereich outgesourct worden. Privatisierung im kleinen Stil. Lianne ist hier Galerie-Assistentin, Anfang 20. Ihr bereitet die Entwicklung trotzdem Sorge.
    "Es macht mir Angst und es ist schon traurig. Die großen Museen sollten nicht privatisiert werden, das sollten sich alle doch noch einmal gut überlegen.
    Mein Hauptaufgabe ist es, Rundgänge hier zu machen. Nach den Objekten zu schauen und Ansprechpartner für Fragen zu sein. Die Besucher zu grüßen, das Gesicht des Museums zu sein."
    Viele fragen, was ist das für ein Gebäude hier und staunen, dass es schon immer ein Museum war.
    Museumsbesucher neigen manchmal auf den ersten Blick dazu, Museumsbedienstete zu unterschätzen. Lianne ist mit Leib und Seel dabei, vor allem für japanische und asiatische Kunst und Designartefakte interessiert sie sich. Und ihr Kollege James erst, seit 33 Jahren dabei als Gallery Assistent, ein wandelndes Gedächtnis des Victoria and Albert Museums.
    "Ich fand die Pugin-Ausstellung am besten, den Begründer der Neogotik oder Thomas Hope – und vor allem erinnere ich mich an die spektakuläre Ausstellung zuletzt des Modedesigners Alexander McQueen. Am Ende ist die Privatisierung wohl unvermeidlich, ich versuche irgendwie zu überleben und das beste daraus zu machen."
    "Jeder Atemzug kostet etwas in unseren Städten"
    Leiter des Victoria and Alberts Museums ist der frühere Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Prof. Martin Roth. Er weiß, dass mit den Gehältern keiner eigentlich in London leben kann – auch sein Gehalt würde fast ganz von der exorbitanten Miete aufgefressen. Er verteidigt aber die Privatisierung des Sicherheitsteams, nur so könne man professionell arbeiten. Viel und früh mit den Gewerkschaften reden, lautet sein Rat, denn die vielen Beschäftigten prägten ein Museum, in vielerlei Hinsicht.
    "Sie sind schon extrem wichtig. Das ist die Seele, die Lebensader. Wenn sie freundlich sind, können sie ein Besuchserlebnis schon positiv verändern."
    Nicht zur Disposition stehen darf für Martin Roth das Prinzip, dass der Besuch der wichtigen Londoner Museen kostenlos ist. Der Spardruck ist da, aber die Stifter in Großbritannien spielten eine große Rolle, die Museumsshops könnten profitabel sein, Sonderausstellungen, die Eintritt kosten, bringen viel Geld ein.
    "Jeder Atemzug kostet etwas in unseren Städten, nicht nur in London. Deshalb finde ich es als unsere Aufgabe als nationale Institution, für alle zur Verfügung zu stehen."
    Zu sehen ist die Front der National Gallery in London mit ihrem Säulenvorbau und großer Kuppel.
    Die National Gallery in London (picture alliance / dpa)