Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Loyalitätsdebatte
"In zweiter und dritter Generation haben wir Probleme mit klarem Bekenntnis zu Deutschland"

Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, hat den Loyalitäts-Appell der Bundeskanzlerin an die Deutschtürken begrüßt. "Wer hier lebt, muss sich zu unserer Gesellschaft bekennen", sagte Ziemiak im DLF. Er vermisse dieses Bekenntnis insbesondere von türkischstämmigen Bürgern der zweiten und dritten Einwanderergeneration.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Sandra Schulz | 24.08.2016
    Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak.
    Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak. (imago stock&people)
    Ziemiak betonte, man dürfe nicht ausblenden, dass es gerade bei türkischstämmigen Bürgern in Deutschland Integrationsprobleme gebe. Die erste Generation der Einwanderer aus der Türkei habe "hart gearbeitet und sich verdient gemacht". In der zweiten, dritten und vierten Generation sei ein klares Bekenntnis zu Deutschland aber schwierig.
    Loyalität gegenüber Deutschland bedeutet für Ziemiak Deutsch zu sprechen, die Gesetze zu beachten, "sich zugehörig zu fühlen und am Ende zu sagen: Ja, ich möchte Deutscher sein, weil ich seit Generationen hier lebe."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in einem Interview der "Ruhrnachrichten" den rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln angekündigt, für ihre Anliegen ein offenes Ohr zu haben. Verbunden war das aber mit der Bemerkung, von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland lebten, erwarte sie, dass sie "ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land" entwickelten.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Am Telefon ist Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union und beratender Teilnehmer des CDU-Bundesvorstands. Guten Morgen.
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Wenn ich das Zitat noch mal wiederhole: Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland lebten, erwarte sie ein hohes Maß an Loyalität. Was genau meint die Kanzlerin damit?
    Ziemiak: Ich interpretiere das so, dass sie sagt: Wer hier lebt, der muss sich auch zu unseren Werten und zu unserer Gesellschaft bekennen. Und ich als Vorsitzender der Jugendorganisation von CDU und CSU kann die Kanzlerin dabei nur bestärken, das so zu betonen und auch so deutlich auszusprechen. Wer hier lebt, der muss sich zu unserer Gesellschaft bekennen.
    Schulz: Und das müssen Sie jetzt so betonen, weil Sie dieses Bekenntnis vermissen, mehrheitlich vermissen?
    Ziemiak: Ich vermisse es und ich glaube, viele andere in diesem Land auch. Wenn man sich die Bilder anschaut aus Köln, als Tausende von Menschen mit türkischen Flaggen auf die Straße gegangen sind für den Präsidenten Erdogan, die für eine Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei waren, dann kann ich sagen, das hat nichts mit unserem Wertegefüge zu tun.
    Schulz: Sie zitieren jetzt eine Gruppe von Tausenden von Menschen. In Deutschland sind es ja ungefähr drei Millionen Menschen, die ihre Wurzeln in der Türkei haben. Kommen da nicht Ausnahme und Regel ein bisschen durcheinander?
    Ziemiak: Natürlich ist ein Großteil der Menschen, die hier leben, die woanders geboren wurden, nicht nur aus der Türkei, aber eben auch, gut integriert. Aber wir müssen über die Probleme sprechen. Es nützt nichts, wenn man die Probleme ausblendet. Ein Teil ist gut integriert. Gerade auch die erste Generation, die hierhin gekommen ist, hat hart gearbeitet, hat auch sich sehr verdient gemacht um Deutschland. Aber wir müssen doch feststellen, dass wir in der zweiten, dritten, zum Teil in der vierten Generation Probleme haben zu einem klaren Bekenntnis zu Deutschland.
    "Wer Integrationsprobleme ausblendet, verkennt die Realität"
    Schulz: Können Sie uns das vielleicht noch mal genauer erklären? Diese Loyalität, von der Sie sprechen, das Bekenntnis zu Deutschland, was beinhaltet das? Beinhaltet es, unsere deutschen Gesetze zu befolgen oder Deutsch zu sprechen oder Schweinebraten zu essen? Was meinen Sie damit?
    Ziemiak: Es heißt, Deutsch zu sprechen, die Gesetze zu beachten, aber vor allem sich dann auch als zugehörig zu fühlen zu unserer Gesellschaft und am Ende zu sagen: Ja, ich möchte Deutscher sein, weil ich seit Generationen mit meiner Familie hier lebe. Das erwarte ich eigentlich von jedem. Und nicht zu sagen: Ich möchte den deutschen Pass haben, um die Vorteile zu nutzen, die ein deutscher Pass bietet, aber in Wirklichkeit fühle ich mich zu 100 Prozent türkisch. Das passt aus meiner Sicht nicht dazu und das ist auch ein Zeichen von fehlender Integration. Wer das ausblendet, wer ausblendet, dass wir gerade bei den türkischstämmigen Menschen in unserem Land zu einem Teil Integrationsprobleme haben, der verkennt die Realität und der erzählt den Menschen in diesem Land auch was Falsches.
    Schulz: Aber warum arbeiten Sie dann mit dem Begriff der Loyalität? Welche Loyalität spielt die Rolle denn bei den Menschen in Deutschland, die keinen Migrationshintergrund haben oder die nicht aus der Türkei kommen oder Wurzeln in der Türkei haben? Wie loyal sind denn zum Beispiel Menschen, die ihre Steuern hinterziehen unserem Staat gegenüber? Warum thematisieren Sie das nicht?
    Ziemiak: Steuerhinterziehung hat nun wirklich, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, nichts damit zu tun. Wir haben in den letzten Wochen seit dem Putsch erlebt, dass hier Menschen bedrängt wurden, beleidigt wurden, weil sie Kurden waren oder weil sie Alewiten waren. Weil aus der Türkei hier Predigten vorgelesen werden, die in jeder Moschee eines Verbandes vorgelesen werden. Und ich möchte einfach nur nicht, dass türkische Konflikte, die es in der Türkei gibt, hier Platz finden in Deutschland. Wer sich engagieren will in türkischer Innenpolitik, der soll das in der Türkei tun, aber nicht in der Bundesrepublik Deutschland.
    Schulz: Sind AfD-Wähler unserem Staat loyal genug?
    Ziemiak: Wissen Sie, das eine hat mit dem anderen jetzt nichts zu tun.
    Schulz: Warum nicht?
    Ziemiak: Die AfD verkörpert Positionen, die hier in Deutschland zur Wahl stehen, die ich nicht teile. Aber es geht doch hier darum, dass ein fremder Staat, eine fremde Regierung hier in Deutschland versucht, innenpolitische Probleme zu diskutieren. Darum geht es und darüber müssen wir sprechen und das hat mit der AfD nichts zu tun.
    "Grundsätzlich verlangen wir eine Entscheidung für den deutschen Pass"
    Schulz: Jetzt gibt es aber diese Verknüpfung auch mit der Diskussion um die doppelte Staatsangehörigkeit. Die CDU hat ja sogar schon mal einen Ministerpräsidenten gestellt mit doppelter Staatsangehörigkeit: David McAllister. Der hat auch den britischen Pass. Jetzt wollen die Briten ja sogar raus aus der EU. Ist der überhaupt unserem Land loyal genug gegenüber?
    Ziemiak: Na ja, es gibt eine ganz klare Regel in Deutschland. Normalerweise versuchen wir, Mehrstaatlichkeit zu vermeiden. Es gibt eine bestimmte Ausnahme. Das sind EU-Staatsbürgerschaften und wenn Menschen eine deutsche und eine ausländische Abstammung haben. Wer einen britischen Vater hat und eine deutsche Mutter, der darf beide Staatsbürgerschaften haben. Aber wer zu uns kommt, wer einwandert nach Deutschland und gerne Deutscher werden möchte, von dem verlangen wir grundsätzlich eine Entscheidung. Es gibt Ausnahmen, aber grundsätzlich verlangen wir eine Entscheidung, nämlich für den deutschen Pass und gegen seinen bisherigen.
    Schulz: Es gibt gute und schlechte Doppelstaatler?
    Ziemiak: Nein, sondern es gibt eine klare Regelung, die besagt: Wenn ich eine deutsche und eine ausländische Abstammung habe, dann darf ich beide Pässe behalten. Komme ich zugewandert nach Deutschland und möchte gerne alle Vorteile haben, die es in Deutschland gibt, dann muss ich eine klare Entscheidung treffen. Weil die Menschen, die einen doppelten Pass nach unserer Regelung haben, sind entweder EU-Bürger oder Menschen, die eine Mutter oder einen Vater haben, der eine andere Staatsangehörigkeit hat. Eine relativ klare Regelung, aber die führt jetzt auch an der eigentlichen Diskussion etwas vorbei. Denn es geht hier nicht um den Doppelpass nur, sondern es geht vor allem um Integration und in welchen Fällen sie gescheitert ist und in welchen Fällen sie gut funktioniert hat.
    Schulz: Sie haben uns da sehr weitergeholfen in der Diskussion. Danke herzlich dafür an Paul Ziemiak, den Vorsitzenden der Jungen Union, heute hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.