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Lüttich
Auf dem Weg zur Kulturmetropole

Lüttich hat eine schwierige Zeit hinter sich. Nach dem Niedergang der Montanindustrie war das Image der Stadt lange Jahre nicht besonders gut. Doch plötzlich wirbt Lüttich selbstbewusst für sich als Kulturmetropole. Am 5. Mai eröffnet ein neues Kunstmuseum. Dabei ist der Stadt noch ein besonderer Coup gelungen.

Von Sabine Oelze | 03.03.2016
    Der neue Bahnhof Guillemins in Lüttich
    Der Bau des Bahnhofs Guillemins in Lüttich war der Aufbruch in eine neue Zeit. (picture alliance / epa belga Krakowski)
    Wer in Liège aus dem Thalys steigt, glaubt in der Zukunft angekommen zu sein. Das gigantische Glasdach des Bahnhofs wölbt sich luftig leicht wie ein Insektenflügel über die Gleise. Wie eine Kathedrale für Reisende steht der Bau vom spanischen Architekten Santiago Calatrava da. Ihn allein lohnt es schon zu besichtigen. Wem das nicht reicht, kann ins angrenzende Parkdeck gehen. Seit diesem Wochenende ist dort die Ausstellung "Von Salvador bis Dalí" zu sehen. Sie zeigt den Surrealisten als eine Mischung aus Kult-Marke und Zampano und richtet sich eher an ein breites Publikum. Manfred Dahmen von "Expodalí": "Es ist ein Event. Zum Beispiel in Deutschland und Holland kommen sehr viele Besucher, das hat sich so eingebürgert nach der vierten Ausstellung, dass wir davon ausgehen, dass diese auch wieder gut besucht wird."
    Die Einweihung des Bahnhofs liegt sieben Jahre zurück. Sie gilt als Startschuss des Strukturwandels in Lüttich: Von der abgetakelten Bergbaustadt hin zum Kulturstandort. Rund eine halbe Milliarde Euro wurde dafür investiert. Eine Hälfte stammt von Stadt und Region, die andere von der EU. Rund 300 Millionen kostete allein der Bahnhof, der Rest floss in die Modernisierung der Oper, der Philharmonie, des Theaters, und den Bau eines Museumszentrums für Stadtgeschichte.
    Der Umbau von Lüttich ist immer noch nicht fertig. Überall Baustellen. Ein Bagger reißt gerade das ehemalige Finanzministerium ab. Der Neubau, ein verspiegelter Wolkenkratzer, steht schon fertig daneben und wirkt, als sei er von Katar nach Lüttich gebeamt worden.
    Ein Museum mit höchsten Standards
    "Es sieht aus Bourg el Arab, das Hotel in Dubai, von der Form her, nebenan sind die großen Baustellen, um Platz zu machen, um die Esplanade weiterzuführen bis zum Ufer der Maas." Rolf Minderjahn ist Aachener und hat den einzigen deutschsprachigen Stadtführer geschrieben. Seit Jahrzehnten verfolgt er Lüttichs Projekte zur Stadtentwicklung wie die "Esplanade". Auf dieser neuen Achse, ebenfalls ein Entwurf von Calatrava, sollen die Besucher bald vom Bahnhof zum neuen Kunstmuseum "La Boverie" flanieren.
    So heißt der idyllische Parks mit Rosengarten und Spielplätzen, in dem der ehemalige Palast der Weltausstellung aus dem Jahr 1905 steht. Er soll das neue Museum beherbergen und wurde für 30 Millionen Euro renoviert - und um einen Anbau erweitert.
    Chloé Beaufays vom Museumsteam erwartet mich im zukünftigen "Musée La Boverie". In den noch leeren, weißgetünchten Ausstellungsräumen mit reichlich Stuck unter der Decke riecht es nach frischer Farbe. Gerade würden Klimatests durchgeführt, erklärt sie. Zur Eröffnungsausstellung "En Plein Air", Unter freiem Himmel, würden Leihgaben aus vierzig internationalen Museen erwartet. Im neuen Museum müssten höchste Standards herrschen.
    Die Vergangenheit bleibt sichtbar
    Für das "Musée La Boverie" ist Lüttich ein wahrer Coup gelungen: Eine Kooperation mit dem Pariser Louvre. Das berühmteste Museum der Welt präsentiert künftig Teile seiner Sammlung in Lüttich– und greift den Belgiern bei der Organisation von Ausstellungen unter die Arme.
    "Als Museum soll es in der ersten Liga mitspielen. Uns war klar, dass wir für Top-Ausstellungen auch mit den Top-Häusern zusammenarbeiten müssen. Das Gute ist: Der Louvre fragt für uns die Leihgaben an. Das ist schon ein Unterschied, ob der Louvre beim Prado ein Gemälde ausleihen möchte, oder ob wir das machen. Die Ausstellung wird aber nicht von Paris aus geplant, sondern gemeinsam mit uns konzipiert."
    Die Verwandlung von Liège lässt an das Ruhrgebiet denken, das sich dank seiner neu erschlossenen Kulturorte wieder neu erfinden konnte. Jérome Hardy, zuständig für dynamische Stadtentwicklung in Lüttich: "Diese Partnerschaft mit dem Louvre, aber auch der Ausbau anderer Institutionen in Lüttich sind Teil einer großangelegten Kampagne, mit der wir die Stadt wieder beleben möchten. Auch die Wirtschaft hat Interesse an dem Ausbau des Kulturlebens. Standortfaktoren wie Theater, Oper, Philharmonie und jetzt La Boverie sollen Lüttich international anschlussfähig machen."
    Lüttich als internationale Marke wird dabei seine Bodenständigkeit bestimmt nicht verlieren. Auch wenn sich die Stadt allerorten rausputzt, die Vergangenheit wird sichtbar bleiben. Das ist auch gut so, meint Autor Rolf Minderjahn. "Ein perfektes Lüttich ist kein Lüttich, das muss schon Patina haben. Das ist so."