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Lufthansa
Genesungsplan für den kranken Kranich

Gemessen am Umsatz ist die Lufthansa die größte Fluggesellschaft der Welt. Noch. Denn das Unternehmen wächst langsamer als die internationale Konkurrenz und setzt deshalb auf Schrumpfen, Sparen und Eurowings - einen neuen Billigflieger als Franchise. Doch Experten sind skeptisch.

Von Jörg Pfuhl | 21.04.2016
    Wolken ziehen am 06.09.2015 in Frankfurt über einem Lufthansa Airbus A321.
    Lufthansa will wieder wachsen, trotz deutscher Löhne, Steuern und Regularien. (Federico Gambarini, dpa picture-alliance)
    "Ja, ich denke, das sind ja auch so Dinge, wie man groß wird. Mein erster Flug war mit Lufthansa, und der Service war eigentlich immer gut. Und auch, als ich anfing zu arbeiten und mehr fliegen musste, bin ich am Anfang sehr viel mit Lufthansa geflogen, weil man einfach mit Lufthansa geflogen ist. Und in dem Sinne hat man ja schon so eine Markenaffinität. Mein Herz hängt schon so ein bisschen an der Lufthansa."
    Claudia Scheil ist frequent flyer, Verlagsbranche. Heute fliegt sie von Hamburg nach Zürich. Hermaat Turkinov arbeitet für eine Hamburger Reederei; er muss heute über Frankfurt nach Kroatien:
    "Man fühlt sich immer noch hanseatisch, wenn man Lufthansa fliegt. Ich weiß nicht, warum. Aber es ist so ein Kopfgefühl."
    "Es ist natürlich über Jahre aufgebautes Vertrauen, der Glaube an die Fähigkeit, dass die Lufthansa immer beste Qualität, beste Sicherheit, beste Kundenorientierung bringt, und dann hat man ein Premium. Klar ist, man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass, wenn man ein Preis-Premium im Markt aufgrund von Kundenvertrauen erlangt, dass das auf Dauer gesetzt ist."
    Was Lufthansa-Vorstand Karl Ulrich Garnadt beschreibt, trifft ziemlich genau die Lage seiner Airline. Gemessen am Umsatz ist Lufthansa der größte Luftfahrtkonzern der Welt. Gemessen an Passagieren immerhin der größte Europas. Eine gewaltige Flotte von 600 Flugzeugen beherrscht die Drehkreuze in Frankfurt, München, Wien und Zürich. Niemand wartet und repariert weltweit mehr Flugzeuge als die Lufthansa-Technik, niemand gibt weltweit mehr Essen aus als die Lufthansa-Tochter SkyChefs, niemand transportiert so viel Fracht wie Lufthansa Cargo. 1,8 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr – Rekord dank billigem Kerosin. Aber das verdeckt nur: Der Kranich fliegt 30, 40 Prozent teurer als seine Wettbewerber. Lufthansa wirkt ein wenig wie Mercedes-Benz: sicher, hochwertig, mit langer Tradition. Aber eben auch schwer, behäbig, nicht überall mehr ganz vorne mit dabei, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg:
    "Die Lufthansa ist sicherlich ein Unternehmen, das für Deutschland steht, und ein Unternehmen, dem die Menschen ihr Leben anvertrauen. Diesen Ruf rechtfertigt Lufthansa. Gleichzeitig ist sie aber eben nicht mehr das innovativste Unternehmen in der Branche, was sie sicherlich früher einmal war. Lufthansa hat über viele Jahrzehnte super Innovationen im Bereich Flugzeugbau begleitet und gefördert. Lufthansa hat Airbus und Boeing gesagt, was man braucht – und das war der Standard. Und über die Jahre hat man, glaube ich, vergessen, das, was der Passagier sich so vorstellt, da mit einzubeziehen: Die Komfortthemen, auch teilweise die Zielorte. Man hat sich sehr auf den Geschäftsreisenden konzentriert, da ging der wohlhabende Privatreisende verloren, und man hat sicherlich unterschätzt auf der Langstrecke die Konkurrenz der Golf-Carrier, also der arabischen Fluggesellschaften. Und man hat unterschätzt in Europa die Konkurrenz der sogenannten Günstigflieger."
    Eine Flugbegleiterin steht in der Economy Class im Airbus A380 nach der Landung in München.
    Eine Flugbegleiterin steht in der Economy Class im Airbus A380 nach der Landung in München. (dpa / picture-alliance / Tobias Hase)
    Vergangenes Jahr hatte Lufthansa noch die meisten Passagiere in Europa. Dieses Jahr wird Ryanair vorbeiziehen und nach Passagieren größte Airline Europas werden. Im vergangenen Winter ist die Lufthansa zum ersten Mal in 60 Jahren geschrumpft: weniger Flugzeuge mit dem Kranich-Emblem, weniger Strecken im Angebot. Im August wäre der Konzern fast aus dem DAX gerutscht. Standard & Poors hat Lufthansa abgewertet auf BBB-, nur noch knapp über Ramsch. Den Konzern drücken gewaltige Pensionslasten von fast fünf Milliarden Euro.
    Den Aktionären die Dividende gestrichen
    Die Lufthansa muss sparen und wird deshalb nickelig. Koffer und Sitzplatzreservierung gibt es nur noch gegen Aufpreis. Neu auch die 16 Euro Buchungsgebühr: Strafe für jeden, der nicht online, sondern im Reisebüro bucht. Lange her die Zeiten, als die Lufthansa auch auf der Kurzstrecke ein komplettes Mahl servierte:
    Werbefilm Lufthansa:
    "Die unermüdliche und stets hilfsbereite Stewardess bemüht sich vorbildlich um das Wohl der Passagiere. Die Reise durch die Luft ist kurz – schon neigt sich die Maschine dem Frankfurter Flugplatz zu."
    Heute werden Nüsschen gereicht. In seine Mittelstreckenflieger quetscht der Konzern zusätzliche Sitzreihen – die Beinfreiheit stirbt auf Raten: In den frühen 90er-Jahren waren es noch 32 Zoll; dann 31, 30, und im jüngsten Flieger nur noch schmale 29 Zoll bis zum Vordersitz. Sparfüchsig wird Konzernchef Carsten Spohr auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern: die Büros in der Frankfurter Zentrale werden derzeit abgeschafft, ebenso eigene Schreibtische. Bis Herbst sollen sich alle 2.000 Mitarbeiter jeden Morgen einen der knappen Arbeitsplätze im Großraum suchen – wer zu spät kommt, dem bleibt nur sein Homeoffice. Den Aktionären streicht Spohr die Dividende vergangenes Jahr komplett; dies Jahr gibt es schmale 50 Cent pro Aktie. Und er bereitet alle darauf vor, dass noch lange nicht genug gespart, gestrichen und gestreckt worden ist:
    "Obwohl die Stückkosten seit 2012 Jahr für Jahr gesenkt wurden, reicht es noch nicht, um die Lufthansa-Passage wieder wachstumsfähig zu machen. Wir sind immer noch deutlich teurer in der Produktion als unsere Wettbewerber. Es liegt noch ein harter Weg vor uns, um unsere Kosten hier auf ein Niveau zu bringen, das uns auch dann wieder Wachstumsperspektiven erlauben kann."
    Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung 2015.
    Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung 2015. (AFP / Carmen Jaspersen)
    Lufthansa schrumpft und spart. Andere geben das Geld mit vollen Händen aus. Sie wachsen und lachen über die alte Lufthansa: "Kein ernsthafter Wettbewerber", findet Ryanairs Marketing-Chef Kenny Jacobs:
    "Der Wettbewerb in Deutschland ist schwach. Lufthansa, Germanwings, Air Berlin – sie haben alle Probleme. Da ist kein Wettbewerber, der uns Sorgen machen könnte."
    Ryanair greift jetzt die Lufthansa direkt an. Die Iren verfügen schon über 316 Flugzeuge und haben noch einmal 380 weitere bestellt. An der Börse sind sie schon zweieinhalb Mal so viel wert wie die Lufthansa. Bislang hat sich der Billigflieger zumindest in Deutschland zurückgehalten. Das ändert sich gerade. Ryanair will nicht mehr nur deutsche Urlauber von Provinzflughäfen wie Frankfurt-Hahn in die Sonne bringen, sondern drängt auf die großen deutschen Flughäfen wie Berlin, Hamburg und Köln und bedient seit diesem Winter sogar innerdeutsche Strecken:
    "Die Strecke Köln – Berlin wird das Schlachtfeld für den europäischen Preiskrieg, und er hat schon begonnen. Heute können Sie mit uns für 9, 99 von Berlin nach Köln fliegen – bald vielleicht schon für 5.99."
    Bislang waren Air Berlin und Germanwings allein auf dieser Strecke. Jetzt kommt Ryanair als dritter hinzu. Das irische Unternehmen will seinen Marktanteil in Deutschland vervierfachen, und es hat gute Karten. Es ist eine junge Airline ohne Pensionslasten und Ticketsteuer; die Piloten sind billig, angestellt bei Personaldienstleistern; die Passagiere wurden zum Verzicht erzogen. Im Schnitt kostet ein Ticket bei Ryanair alles inklusive 56 Euro. Fast doppelt so teuer ist Germanwings, der Billigflieger der Lufthansa.
    Deutschland hat Europa mit seinen Discountern wie Aldi und Lidl überzogen. Jetzt schlägt Europa zurück: Billigflieger wie easyJet, Vueling, Norwegian, Wizz und Wow Air drängen ins Land – und die deutschen Kunden fliegen nicht mehr selbstverständlich mit deutschen Airlines, sagt Luftfahrtexperte Schellenberg:
    "Der Kunde hat eine Illoyalität aufgebaut: Er pickt sich das beste Angebot raus – sei es für seine Geschäftsreise, für seine Privatreise. Er sucht nicht nach der Lufthansa."
    "Spohr ist ein sehr, sehr machtbewusster Mensch"
    Die Lufthansa ist im vergangenen Jahr um magere 1,6 Prozent gewachsen. EasyJet vier Mal und Ryanair sogar zehn Mal so schnell. 2016 wird das Jahr, in dem mehr Menschen bei Ryanair einsteigen als bei Lufthansa. Genügt es also, nur zu sparen, ein bisschen von der Frührente der Piloten und den Betriebsrenten der Stewardessen zu streichen? Vor 24 Jahren war die Lufthansa schon einmal fast pleite. Der Golfkrieg und die miese Weltkonjunktur hatten das Unternehmen ausgezehrt. Jörg Handwerg fing 1992 als Pilot bei der Lufthansa an.
    "Damals hat man auch von den Piloten massive Zugeständnisse gefordert und bekommen, um das Unternehmen zu sanieren. Und da war noch eine positivere Einstellung den Piloten gegenüber da. Heute hat man oft das Gefühl, dass man eigentlich nur ein ungewollter Ballast ist, und insofern ist die Atmosphäre im ganzen Unternehmen natürlich eine ganz andere."
    Handwerg fliegt von Frankfurt aus alle Ziele an, die in rund vier Stunden zu erreichen sind. Immer in einer A320 – derselbe Typ, für den auch sein oberster Chef Carsten Spohr eine Pilotenlizenz hat. Verständnis von Pilot zu Pilot aber gibt es nicht:
    "Nicht jeder, der einen Lkw-Führerschein hat, ist ein Lkw-Fahrer. Also, Carsten Spohr - hört man - wäre schon in der Flugschule rumgelaufen und hätte gesagt, er möchte mal CEO werden. Also, ich glaube, das allgemeine Gefühl der Piloten ist nicht, dass er uns versteht oder dass er nachvollziehen kann, wie wir denken, sondern er ist ein sehr, sehr machtbewusster Mensch."
    Und vielleicht dickfellig dazu. 14 Streikwellen in den vergangenen beiden Jahren hat Spohr ungerührt ausgesessen. Er habe sich nicht bewegt, konstatiert Luftfahrtexperte Schellenberg:
    "Carsten Spohr als Vorstandsvorsitzender sagt das seinen Mitarbeitern auch immer wieder, dass die Lufthansa weiter schrumpfen wird, im Kernbereich mit dem Kranich am Heck, wenn hier nicht bessere Vereinbarungen getroffen werden – und das zieht er durch!"
    Bodenpersonal und Flugbegleiter haben mittlerweile klein beigegeben. Ihre Altersversorgung wird jetzt umgestellt: Die Lufthansa verspricht künftig kein Versorgungsniveau mehr, sie beteiligt sich nur noch an Beiträgen. Mit den Piloten gibt es morgen ein Spitzengespräch:
    "Die Stimmung ist vergiftet – kann man eigentlich nicht anders sagen. Zwischen dem Personal und dem Management gibt's ein tiefes Misstrauen. Es gibt kein Miteinander, sondern das Gefühl der Piloten ist: Man ist hier eine unerwünschte Kostenposition, mehr nicht."
    "Ich hab' Verständnis dafür, dass es für die Mitarbeiter schwierig ist, wenn man über 50, 60 Jahre ihnen erzählt hat, dass sie sozusagen das oberste Ende der deutschen Pilotenschaft sind und der deutschen Mitarbeiterschaft und wenn man dann sagt: 'Ihr Lieben, das gilt nur noch für die, die schon länger da sind – alle anderen kriegen neue Verträge, alle anderen kriegen neue Regeln – das ist schwierig!"
    Gleichwohl unumgänglich, meint Luftfahrtexperte Schellenberg. Bis zu 250.000 Euro kann ein Lufthansa-Pilot im Jahr verdienen, und mit 55 Jahren mit immer noch 10.000 Euro monatlich in Frührente gehen. So steht es im Lufthansa-Tarifvertrag. Eben deshalb stellt Lufthansa schon lange keinen Piloten mehr ein, jedenfalls nicht bei der Kranich-Linie, sondern nur noch bei den Konzerntöchtern. Wer mit weniger als dem halben Lufthansa-Gehalt zufrieden ist, auf Vorruhestand verzichtet und einen Arbeitsvertrag nach österreichischem Recht akzeptiert, ist willkommen beim neuen Billigableger des Konzerns:
    TV-Spot:
    "Das ist die neue Eurowings!"
    "Wir müssen ganz nüchtern konstatieren, dass die Hälfte der Kunden heute rein nach Preisgesichtspunkten entscheidet. Wir glauben, dass wir mit unseren Stückkosten insgesamt um etwa 20 Prozent im Kern auf der Langstrecke runter müssen, um auf Dauer auch wieder wachsen zu können."
    Karl Ulrich Garnadt soll es richten. Über Jahre hinweg war er Chef der sogenannten Passage, das ist das Herzstück des Konzerns. Jetzt soll er Eurowings aufbauen, den neuen Billigflieger des Konzerns. Der juristische Sitz ist Wien: Dort gibt es keinen Lufthansa-Tarifvertrag, dort nervt keine deutsche Gewerkschaft. Ziel ist es, in Europa die Nummer drei der Billigflieger zu werden, gleich hinter Ryanair und easyJet:
    "Und mit easyJet werden wir uns, was die Kostenpositionen und was das Preisniveau angeht, messen müssen. Und wenn wir das nicht schaffen, fehlt uns die Perspektive in diesem Segment, das ist völlig klar. Und wir arbeiten sehr hart daran, mit der Eurowings Strukturen zu schaffen, die genau das möglich machen."
    50.000 Euro cash bekommt jeder Pilot, der von Lufthansa zu Eurowings wechselt. Die Flugzeuge des alten Billigablegers Germanwings werden nach und nach umlackiert, von lila mit gelb auf lila mit blau. Germanwings wird vom Markt verschwinden.
    "Wir werden noch eine Zeit lang Germanwings mit den alten Farben sehen, aber die Idee ist es schon, mittel- und langfristig, dass wir einheitlich die Marke Eurowings positionieren, so dass der Kunde überall, wo er Eurowings kauft, auch in ein solches Flugzeug einsteigt."
    Mit Eurowings wagt Lufthansa ein Experiment: Billig auch auf der Langstrecke. Die etablierten Billigflieger fliegen keine Langstrecke: zu riskant, zu komplex. Eurowings wagt es, seit November: in die Dominikanische Republik, nach Thailand und Kuba. Der Start ist verheerend. Die türkischen Piloten, angemietet von SunExpress, sind für die Langstrecke nicht geschult. Die Flotte ist noch so klein, dass es keinen Ersatz gibt, wenn ein Flieger auf Kuba defekt ist. 68 Stunden warten die Urlauber von Flug EW 131, bis sie ein Ersatzflugzeug am 12. Januar wieder nach Hause bringt.
    "Wir wollen mit Eurowings eine paneuropäische, große Marke aufbauen"
    Eurowings-Chef Garnadt drückt aber erst einmal auf die Bremse: Er streicht die Ziele Dubai und Teheran aus dem Programm und verschiebt die geplanten Verbindungen nach Boston und Miami. An seinem Ziel hält er allerdings fest: Der Konzern muss auch auf der Langstrecke billig fliegen. Experte Schellenberg ist skeptisch:
    "Nach Plan will Eurowings mit sieben Langstreckenflugzeugen unterwegs sein. Wenn man sich mal den größten Wettbewerber anguckt: Emirates aus Dubai, die hat allein 150 A380 bestellt, also die größten Passagierflugzeuge der Welt. Sieben gegen 150, und dann haben die noch viel bei Boeing bestellt. Also, ich möchte es mal als Test bezeichnen, was Eurowings da macht, und momentan läuft dieser Test einfach nicht rund."
    Emirates, Etihad, Qatar Airways, Turkish Airlines – bei der Lufthansa nennt man sie die "GoBo-Airlines", die Airlines vom Golf und vom Bosporus. Sie kaufen Flugzeuge im Hunderterpack, und sie bauen in Istanbul und am Golf Flughäfen, von denen jeder allein mehr als doppelt so groß sein wird wie Frankfurt. Dort gibt es keine Luftverkehrssteuer. In Katar müssen die Stewardessen unterschreiben, dass sie fünf Jahre lang nicht heiraten - sie könnten ja schwanger werden. Gewerkschaften gibt es keine. Flughafen und Airline gehören dem Scheich, und der hält die Landegebühren niedrig. Und ein Nachtflugverbot wie in Frankfurt – undenkbar:
    "Das würde eine Fluggesellschaft aus Dubai oder Abu Dhabi gar nicht verstehen, dass Frankfurt nachts geschlossen wird! Wo das doch größter deutscher Flughafen, einer der größten in Europa ist - und auch noch das Drehkreuz der Lufthansa. Das muss doch offen sein!"
    Ist es aber nicht. Eurowings ist nicht nur ein Experiment, als Billigflieger auf der Langstrecke zu bestehen, sondern auch eins, ob das Franchise-Konzept funktioniert. Unter die Flügel von Eurowings nämlich soll nach Lufthansa-Vorstellung schlüpfen, wer alleine zu klein ist, um zu überleben. Schon heute machen die Flugzeuge mit dem Kranich-Emblem nicht einmal mehr die halbe Flotte des Konzerns aus. Die Mehrheit der Konzernmaschinen stellen längst die Flieger von Swiss und Austrian, von Brussels und Air Dolomiti, von German- und Eurowings bis hin zur Schweizer Edelweiss Air. Germanwings wird bereits integriert in Eurowings; Brussels und Air Dolomiti könnten folgen. Und nicht nur konzerneigene Gesellschaften, sondern auch fremde. TUI lässt schon eine Maschine bei Eurowings fliegen. Garnadt lädt jeden ein, unter die Fittiche von Eurowings zu schlüpfen:
    "Es gibt eine Reihe von kleineren Airlines, die vielleicht 20, 30, 50 Flugzeuge haben, die kennt außerhalb ihrer Heimatbasis kein Mensch. Diese Unternehmen haben es enorm schwer. Wir wollen mit Eurowings eine paneuropäische, große Marke aufbauen, die gerade auch für solche Unternehmen die Möglichkeit bietet, praktisch sich einzuklinken - wie in einem franchise-Konzept sich hier zu beteiligen - und damit Skaleneffekte, die sie selbst nie erreichen können, über die Plattform Eurowings zu realisieren."
    Eurowings bietet seinen Franchise-Partnern Vermarktung, IT-Unterstützung, Verwaltung und Planung. Die Airlines konzentrieren sich auf's Fliegen. Als Kunde würde man also bei Eurowings buchen, tatsächlich aber in einen Billigflieger vielleicht von SunExpress, von Brussels oder TUIfly landen. Billig und Franchise – eigentlich genau wie bei McDonald's:
    "Wenn Sie sagen "McDonald's der Lüfte", das wäre noch nicht einmal Spott. Weil die Idee an sich ist ja gut: eine globale Marke aufzubauen. Wenn wir so global wären wie McDonald's mit Eurowings, dann hätten wir ja praktisch gewonnen..."
    50 Prozent des Konzernwachstums sollen künftig von Eurowings kommen. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg ist skeptisch, ob das Experiment funktionieren kann:
    "Plattform-Franchise auf der Langstrecke ist total komplex! Und sie können, wenn Ihre Besatzung auf dem eingebrachten TUI-Flugzeug ein Problem in der Dominikanischen Republik hat, dann können Sie nicht ihre Eurowings-Besatzung dort hinschicken und sagen: "Du übernimmst jetzt dieses Flugzeug!" Das kann wieder nur die TUI-Besatzung machen, die dann aber vielleicht nicht verfügbar ist. Und da kann man nichts hin- und herschieben, man ist überhaupt nicht flexibel! Und das mit so wenigen Flugzeugen – es kann nur ein Test sein. Alles andere würde doch dazu führen müssen, dass man sich mal 20, 30, 40, 50 Flugzeuge bestellt und hinstellt – und nicht sieben."
    So bleibt der Eindruck: Die Lufthansa sucht kreativ nach Auswegen aus dem Zangengriff von jungen Billigfliegern und subventionierten Staatslinien vom Golf. Der Konzern will wieder wachsen, trotz deutscher Löhne, Steuern und Regularien. Doch Deutschlands größte Airline kleckert statt zu klotzen. Wenn ihr Experiment misslingt, bleibt nur noch die Defensive: sparen, streichen, strecken – und hoffen, dass das reicht zum Überleben.