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Feuertod von Oury Jalloh
Linke fordert internationale Ermittler

Der Fall Oury Jalloh ist einer der umstrittensten Fälle in der ostdeutschen Justizgeschichte. Denn bis heute steht die Frage im Raum: Geht es um Mord oder hat sich der Asylbewerber 2005 selbst angezündet? Neue Informationen legen ein Tötungsdelikt nahe. Die Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt rufen daher jetzt nach internationalen Sonderermittlern.

Von Christoph Richter | 17.11.2017
    Ein mit Sensoren, Schweinehaut und Fett versehener Dummy ist in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde zu einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt.
    Ein Dummy ist in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde zu einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt (Picture Alliance / dpa / Arno Burgi )
    "Widersprüche wurden nicht zugelassen, es gab nur die Version Oury Jalloh hat sich angezündet. Jeder etwas anderes sagt wurde geschnitten, schikaniert. Galt als Nestbeschmutzer."
    Ein Ausschnitt aus der ARD-Sendung Monitor zum Fall Oury Jalloh. Hier äußern Sachverständige in einer ungewohnten Deutlichkeit, dass die Tötung von Oury Jalloh viel wahrscheinlicher sei, als die von den Ermittlungsbehörden verfolgte These, dass sich der Asylbewerber selbst angezündet hätte und daran gestorben sei.
    Für die innenpolitische Sprecherin der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt - Henriette Quade – ist das ein weiterer handfester Beleg für Versäumnisse der Ermittlungsbehörden in Sachsen-Anhalt, denen sie mangelnden Aufklärungswillen unterstellt, denen nicht an einer Aufklärung des Falles gelegen sei. Weshalb Quade nun – im Fall Oury Jalloh – nach unabhängigen internationalen Sonderermittlern ruft.
    "Kommen muss eine Aufklärung des Falls. Und das kann, das hat die Justiz in Sachsen-Anhalt einmal mehr bewiesen, nicht in Sachsen-Anhalt passieren, nicht aus Sachsen-Anhalt heraus passieren. Deswegen braucht es eine internationale unabhängige Kommission, deswegen kann man nachdenken einen Sonderermittler einzusetzen."
    Umstrittenster Fall der ostdeutschen Justizgeschichte
    Die Forderung nach Sonderermittlern unterstützt auch die Fraktion von B90/Die Grünen im Magdeburger Landtag, dem kleinen Partner der schwarz-rot-grünen Kenia-Koalition.
    Zur Erinnerung: Der Fall Oury Jalloh ist einer der umstrittensten Fälle in der ostdeutschen Justizgeschichte des wiedervereinigten Deutschlands. Bis heute ist die Todesursache ungeklärt. Im Januar 2005 war Oury Jalloh alkoholisiert in Dessau festgenommen worden, da sich zwei Frauen von ihm belästigt fühlten. Weil er sich Polizisten widersetzt haben soll, wurde der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber in einer Zelle im Keller des Dessauer Reviers an eine Pritsche gefesselt, in der er anschließend jämmerlich verbrannte.
    Nach Feststellungen der Gerichte soll er seine Matratze selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben. Ob das allerdings wirklich so geschah, ist bis heute umstritten.
    Bis Sommer diesen Jahres war der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann mit dem Fall betraut. In einer aktenkundigen Verfügung – auf die sich der ARD-Bericht bezieht – hält er es für wahrscheinlich, dass man es mit einer Vertuschungstat zu tun habe, dass Oury Jalloh möglicherweise schon vor dem Brand handlungsunfähig bzw. tot war. Bittmann benennt in der Aktennotiz gar konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizeibeamten. Für Rückfragen war Bittmann allerdings nicht erreichbar.
    Linke fordert Eingreifen des Generalbundesanwalts
    Linkenpolitikerin Henriette Quade sieht an dieser Stelle auch den Generalbundesanwalt am Zug. "Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum der Generalbundesanwalt es bislang abgelehnt hat, den Fall zu bearbeiten. Auch das erfordert im heutigen Lichte der Veröffentlichung sicher noch mal eine neue Prüfung. Vielleicht kommt der Generalbundesanwalt dann zu einer anderen Einschätzung."