Luk Perceval inszeniert Dimitri Verhulst

Im Alter bleibt nur die Erinnerung an eine verflossene Liebe

Luk Perceval
Luk Perceval © imago/ITAR-TASS
Reinhard Kager im Gespräch mit Moderator Eckhard Roelcke · 10.03.2018
Ein älterer Mann beschließt dement zu werden, um ins Pflegeheim zu kommen und damit seiner Frau zuhause zu entkommen. Aus der Romanvorlage des flämischen Autors Dimitri Verhulst hat Luk Perceval am Wiener Burgtheater das Theaterstück "Rosa oder Die barmherzige Erde" gemacht - mit sehr anrührenden Momenten.
Kritiker Reinhard Kager empfand den Abend als eine Art Fortschreibung des Strindbergschen Totentanzes mit anderen Mitteln. Auf die Idee seiner Frau eine Demenz vorzutäuschen und in ihr die quälende Vorstellung einer anstrengenden Betreuung hervorzurufen, um damit dann letztendlich ins Pflegeheim entfliehen zu können, sei der Bibliothekar, um den es hier geht, erst gekommen, als ein Umzug in eine kleine enge Stadtwohnung drohte, weil seine Frau beschloss, dass ihr Haus und der große Garten für alte Leute wie sie eine unzumutbare Anstrengung seien.

Überraschende Begegnung mit unerfüllter Jugendliebe

Der Mann bekomme schließlich auch sein Attest und komme ins Pflegeheim und seine Frau verbleibe in dem Glauben ihr Mann sei wirklich erkrankt. Im Pflegeheim treffe der Mann aber nun zufällig auf eine unerfüllte Jugendliebe.
Dieser Punkt im Roman brachte Regisseur Luk Perceval wohl auf die Idee, so vermutet Kager, das Stück mit Motiven aus Shakespeares "Romeo und Julia" zu verknüpfen, und zwar "... unter der Perspektive: Im Alter bleibt uns dann nichts mehr als die Erinnerung an eine verflossene Liebe!", so Kager.
Tobias Moretti spiele dabei eine Doppelrolle, sowohl den Bibliothekar Désiré als auch den Romeo. Die Julia werde von zwei verschiedenen Schauspielerinnen jeweils als alternde Julia (Gertraud Jesserer) und junge Julia (Marta Kizyma) dargestellt. Alle Schauspieler spielten Doppelrollen. Nur die Figur der Rosa, der verflossenen Liebe, werde nur von einer Schauspielerin dargestellt.

Getraud Jesserer zaubert auf der Bühne

Einen sehr anrührenden Moment gebe es im Stück als der Text der jungen Julia von einer alten Frau gesprochen werde, so Kager weiter: "Das ist einer der größten Momente des Abends, den Gertraud Jesserer da auf die Bühne gezaubert hat."
Ein Problem bei der Verknüpfung des Shakespear'schen Stoffes mit dem Roman von Dimitri Verhulst bestünde darin, dass der Prosatext des Romans, der auch als Prosatext gesprochen werde, und der Theatertext von "Romeo und Julia" voneinander abrückten, meint Kager.

Problematische verhüllte Erzählperspektive

Auch die Perspektive sei stark verändert. "Der Text von Dimitri Verhulst ist sehr sehr bissig, sarkastisch, ist böse, und davon spürt man eigentlich überhaupt nichts. Weil ja ständig die Perspektive bleibt: Der Ich-Erzähler reflektiert über das was er gerade tut und prätendiert ein dementer Mann zu sein, der er ja eigentlich nicht ist. Diese Perspektive bleibt aber völlig verhüllt. Tobias Moretti erscheint nach relativ kurzer Zeit als tatsächlich dementer Mann."
Kager sagt zum Abschluss, dass er in Morettis Darstellung den Zyniker Désiré, wie er im Roman beschrieben wird, vermisst habe. Ob das vom Regisseur so gewollt gewesen sei, könne er aber nicht beurteilen.
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