Donnerstag, 28. März 2024

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Luftunterstützung für die Feuerwehr

Bei Großbränden ist es schwer herauszufinden, wohin der giftige Brandrauch abzieht. Den Überblick über die Gefahrenlage gewinnt man am besten aus der Luft. Fliegende Roboter könnten diese Arbeit bald erleichtern.

Von Karl Urban | 06.02.2013
    17. März 2008: Die Feuerwehr im Industriegebiet Dormagen löst Gefahrengut-Alarm aus. Wenig später schlägt aus einer undichten Gasleitung eines Chemiebetriebs eine 40 Meter hohe Stichflamme und ein ganzer Tank mit einer giftigen Chemikalie steht in Brand. Dicker schwarzer Rauch zieht mit dem Wind unaufhaltsam in Richtung südlich gelegener Ortschaften.

    Im Feuerwehrjargon eine Großschadenslage, in der zuerst vieles unklar war: War der Rauch giftig - und würde die Wolke im dicht besiedelten Kölner Norden wieder absinken? Etliche Einsatzfahrzeuge wurden in die Vororte geschickt, um in den Straßen den Gehalt giftiger Gase zu messen. Ein enormer Aufwand, der sich in naher Zukunft vielleicht verringern ließe.

    Ein unbemannter Quadrokopter startet in den Himmel. Er passt in einen Koffer, wiegt wenige Kilogramm und hat vier Rotoren. Mit ihm gehen eine Kamera und ein kleiner Gassensor in die Luft. Er kann winzige Mengen vieler Verbrennungsgase nachweisen, darunter Kohlenstoffmonoxid, nitrose Gase und Ammoniak - und in Echtzeit an die Einsatzleitung übertragen - in Zukunft. Denn derzeit fliegt der Quadrokopter noch testweise über dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe.

    Fraunhofer-Forscher Matthias Kollmann öffnet die Seitentür eines gewöhnlichen Lieferwagens, den eines Tages die Feuerwehr benutzen könnte. Hinter der Tür: drei Bildschirme und zwei Stühle.

    "Klassischerweise haben wir zwei Arbeitsplätze. Wir haben zum einen den Piloten und den Auswerter. Auf der linken Seite ist der Pilot. Der bekommt das Livebild von dem Fluggerät und hat in der Mitte - das ist ein geteilter Arbeitsplatz - für den Piloten und für den Auswerter die Karte, wo er die aktuelle Position gerade sieht, die Ausrichtung sieht. Wohin schaut die Kamera? Und über die Karte kann der Pilot auch steuern."

    Ein solches System hätten die Einsatzkräfte wohl gern gehabt, als die Rauchwolke im März 2008 aus dem Industriegebiet Dormagen aufstieg. Damals mussten sie per Hand in den umliegenden Ortschaften über 150 Messwerte nehmen. Überstiegen sie zulässige Grenzwerte, empfahlen die Feuerwehrleute über das Radio und mit Lautsprecherwagen, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Aber wohin eine Gaswolke wirklich zieht und wo sich der Rauch am Ende niederschlägt, ließ sich damals nur schlecht vorhersagen. Ein Problem, das bei Großbränden immer wieder auftritt. Das bestätigt Mario König von der Analytischen Taskforce der Feuerwehr Mannheim:

    "Man geht jetzt mal einer Wolke aus, die Sie nicht sehen, also nitrose Gase würden Sie sehen. Das ist eine braune Wolke. Aber die meisten Substanzen sind ja unsichtbar. Es ist schon wichtig zu wissen, wo sich die Wolke hinbewegt, wie schnell sie das vor allem macht und wie weit sie sich ausbreitet. Es gibt Rechenmodelle, aber die sind doch sehr theoretisch. Wenn Sie es genau bestimmen wollen, dann müssen Sie dort hingehen und auch die Messung machen."

    Noch sehen die Mitarbeiter der Feuerwehr allerdings noch zwei kritische Punkte: Erstens müssten sich Unternehmen finden, die die Fluggeräte auch zur Marktreife bringen. Das ist nicht ganz einfach, muss Feuerwehrgerät doch genauso robust sein wie Militärtechnik. Mario König von der Feuerwehr Mannheim sieht deshalb noch einige Jahre Entwicklungsbedarf.

    Zum anderen wird die größte Herausforderung auch ein fliegender Gassensor nicht nehmen können: Wie gefährlich ist der Rauch für den Anwohner, in seinem Haus, wirklich - und wie können die Einsatzkräfte eine Panik verhindern? Am Ende schaffen personalintensivere Messarbeiten per Hand vielleicht mehr Vertrauen gegenüber der Feuerwehrarbeit als ein fliegender Roboter. Doch das wird wohl erst sein Einsatz zeigen.