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Luftverschmutzung in Indien
Delhi erstickt im Smog

Laut einer neuen Studie von UNICEF müssen 300 Millionen Kinder weltweit verschmutzte Luft einatmen. Besonders schlimm ist die Situation in Indien. Im Großraum der Metropole Neu Delhi leiden immer mehr Menschen unter schwerwiegenden Atemwegserkrankungen.

Von Sandra Petersmann | 31.10.2016
    Auf dem Motorrad sitzt ein Mann mit lila Turban. Das Motorrad stößt weißen rauch aus. Es fährt hinter einem orangefarbenen LKW her.
    Neu Delhi leidet unter einem gravierenden Smog-Problem. (AFP / MONEY SHARMA)
    Der Stau ist genauso chronisch wie die schlechte Luft. Wenn es die Möglichkeit gäbe, im Mega-Ballungsgebiet rund um die indische Hauptstadt Neu-Delhi heute komplett auf das Atmen zu verzichten, würden rund 22 Millionen Menschen aktiv ihre Gesundheit schützen. Delhi erstickt mal wieder im Smog. Dafür gibt es mehrere Gründe. Millionen von Indern haben gestern mit einer Feuerwerks-Kanonade Diwali gefeiert - das Fest der Lichter. Es ist der wichtigste hinduistische Feiertag im Land. Waren es früher nur ein paar Kracher, knallt und qualmt es heute im Überfluss. Der Rauch konzentriert sich schnell zu einer giftigen, teilweise gelb-milchigen Smog-Glocke.
    Große Gefahr für Kinder und Senioren
    "Eine chronisch hohe Luftverschmutzung führt zur Entzündung der Lunge. Und diese Entzündung weitet sich dann auf die Blutgefäße aus und erhöht das Schlaganfallrisiko", erklärt der Lungenspezialist Dr. Randeep Guleria. Die leidtragenden seien vor allem Senioren und Kinder.
    "Wenn das Kind in seiner Entwicklungsphase einer hohen Luftverschmutzung ausgesetzt ist, weil es draußen lebt oder draußen spielt, dann entwickelt sich die Lunge nicht richtig und die Lunge des Kindes wird sehr anfällig für Entzündungen", sagt. Dr. Guleria. Kinder aus Delhi haben im Vergleich zu Altersgenossen aus weniger luftverschmutzten Gebieten nachweislich ein erheblich verringertes Lungenvolumen, fügt der Mediziner an.
    Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2014 liegen 13 der 20 Städte mit der schlimmsten Luftverschmutzung in Indien. An der Spitze: das Ballungsgebiet rund um die Hauptstadt. Der chronisch-giftige Luft-Cocktail in Delhi hat viele Zutaten: die Bauern in der Region brennen um diese Jahreszeit ihre abgeernteten Felder ab, um das Land für die nächste Aussaat vorzubereiten. Nach dem extrem heißen Sommer mit Temperaturen von konstant über 40 Grad wird die Luft wieder kälter. Der Winter kündigt sich an – und die armen Familien, die in Delhi zu tausenden auf der Straße leben, verbrennen Müll, um sich nachts zu wärmen.
    Kohlekraftwerke und Industriebetriebe verpesten die Luft
    Indien wandelt sich von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Kohlekraftwerke und Industriebetriebe schleudern fast ungehindert ihre Schadstoffe in die Luft, die Abgase aus Abermillionen Autos und der Staub von abertausenden Baustellen tun ihr übriges. Die kältere, feuchte Luft und der schwache Wind in dieser Jahreszeit hindern die dreckige Luft am Aufsteigen.
    Das Diwali-Feuerwerk hat alles nur noch schlimmer gemacht. Die Feinstaubbelastung in Neu-Delhi übersteigt den Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation heute in der Spitze um fast das 15-fache. Alle Luftmessungsinstitute bewerten die Luftqualität in Delhi als "gefährlich". Die Krankenhäuser füllen sich mit Menschen, die über akute Atemnot, Hals- und Kopfschmerzen klagen.