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LuxLeaks-Abschlussbericht
"Das Ergebnis ist enttäuschend"

Der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) hat sich enttäuscht über die Arbeit des LuxLeaks-Sonderausschusses des Europaparlaments geäußert. Es sei nicht gelungen, mehr Licht ins Dunkel der dubiosen Steuerpraktiken einzelner Staaten zu bringen und Ross und Reiter zu benennen, sagte Ferber im DLF.

Markus Ferber im Gespräch mit Dirk Müller | 07.07.2016
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber spricht im Mai 2014 vor der weiß-blauen Flagge Bayerns
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber (dpa/Daniel Karmann)
    Dirk Müller: Es ist klar, dass die Mitgliedsstaaten über die Steuervermeidungspraktiken gewusst haben und nichts dagegen unternommen haben, wie auch die europäischen Institutionen. Das ist ein Ergebnis des LuxLeaks-Ausschusses. Gegen den Abschlussbericht des LuxLeaks-Ausschusses hat der CSU-Europapolitiker Markus Ferber gestimmt, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen.
    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Ferber, wollten Sie Jean-Claude Juncker und all die anderen damit ein bisschen schützen?
    Ferber: Nein, überhaupt nicht. Das ist nicht meine Motivation. Ich war enttäuscht, weil es uns trotz einjähriger Arbeit nicht gelungen ist, mehr aufzudecken als das, was wir bereits vor über einem Jahr in der Zeitung lesen konnten, und insofern ist das Ergebnis enttäuschend dahingehend, wirklich Licht ins Dunkel zu bringen, und das war für mich die Motivation, diesem Bericht nicht zuzustimmen.
    Müller: Weil wer blockiert hat bei der Aufklärung?
    Ferber: Ja das ist eine ganze Struktur von Blockaden, die da stattgefunden haben. Zunächst mal sagen die Mitgliedsstaaten, das ist alles legal, was wir da machen. Wir sagen aber, das steht auch im Bericht zurecht drin, dass natürlich Steuervorbescheide, auf deren Basis ja diese Sondersteuern vereinbart wurden, schon früher hätten grenzüberschreitend bekannt gemacht werden sollen. Die Kommission hatte dazu auch den Auftrag, sich darum zu kümmern. Sie hat das nicht gemacht. Wir haben Teile der Protokolle einsehen können. Ich war selber mehrmals in diesem Leseraum. Den muss man sich so vorstellen wie bei TTIP auch.
    Man darf keine Notizen machen, viele Dinge sind geschwärzt, damit man Länder nicht zuordnen kann, damit man keine Namen zuordnen kann. Das ist sehr schwierig gewesen, überhaupt zu verstehen, um was es da wirklich ging, wenn die Kerninformationen einem nicht zur Verfügung stehen. Aber selbst in dieser Court of Counter Group ist nur sehr allgemein besprochen worden, wenn die Protokolle das wiedergeben, was wirklich stattgefunden hat. Im Prinzip hat jeder Bescheid gewusst, jeder hat weggeschaut, keiner hat sich darum gekümmert, und das geht fröhlich weiter. Das sind eigentlich genau die Probleme, die wir nicht weiter aufdecken konnten. Es war nicht möglich, hier klar Ross und Reiter zu benennen.
    "Jeder Mitgliedsstaat wusste, dass es hier solche Steuerpraktiken gibt"
    Müller: Ich wollte Sie jetzt gerade danach fragen. Wer ist jeder? Wen meinen Sie mit jeder?
    Ferber: Jeder Mitgliedsstaat wusste, dass es hier solche Steuerpraktiken gibt, wo andere Staaten zu Lasten des eigenen Staates Steuervergünstigungen gewähren, was legal ist, aber natürlich nicht legitim.
    Müller: Das wusste London, Berlin, das wusste Luxemburg, Amsterdam beziehungsweise Den Haag, kein Problem. Jeder wusste voneinander Bescheid?
    Ferber: Man muss ja eine ganz banale Frage stellen: Warum sind so viele Firmenzentralen insbesondere in kleinen Ländern angesiedelt? Das hat ja sicher nichts damit zu tun, dass in diesen kleinen Ländern ein besonders großer Markt zur Verfügung steht, sondern das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass man über die Konzernzentralen Gewinne gering versteuern kann, so verschieben kann, dass Verluste dorthin geschoben werden, wo sie am besten abgeschrieben werden können, und jeder weiß, dass es diese Möglichkeiten gibt, und keiner hat was dagegen getan.
    Müller: Herr Ferber, bleiben wir nicht ganz so im Ungefähren. Das heißt, wir reden von Benelux und Irland. Wer noch?
    Ferber: Das ist Benelux, das ist Irland und es sind die zwei kleinen Staaten im Mittelmeer, Malta und Zypern, und die Briten über ihre Kanalinseln.
    Müller: Ist ja auch seit vielen Jahren bekannt. Jetzt verstehe ich aber nicht ganz. Sie sind ja nicht nur enttäuscht, sondern sogar ein bisschen frustriert, wenn ich das richtig herausgehört habe, dass man nicht mehr herausfinden konnte. Wenn Sie aber gegen den Abschlussbericht stimmen, dann heißt das ja, dass Sie viele Schlussfolgerungen da offenbar nicht teilen. Wenn Sie Nein sagen, wird der Druck ja geringer und nicht höher.
    "Ich gebe ehrlich zu, ich bin sehr enttäuscht"
    Ferber: Nein, Herr Müller. Das dürfen Sie so nicht sagen. Wir hatten ja parallel eine Reihe von Gesetzgebungsverfahren. Ich habe mich selber um die Gesetzgebung, die bessere Veröffentlichung zwischen den Mitgliedsstaaten bei Steuervorbescheiden gekümmert, und das war genauso frustrierend.
    Wir hatten da als Parlament wirklich gute Forderungen aufgestellt, dass es rückwirkend transparent gemacht wird zwischen den Steuerbehörden. Die Mitgliedsstaaten haben das auf in zwei Jahre verschoben. Wir wollten, dass alle Steuervorbescheide allen Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden können. Die Mitgliedsstaaten haben wieder gesagt, nur die, wo wir selber meinen, sie hätten eine grenzüberschreitende Bedeutung. Das heißt, es wurden auch hier keine Konsequenzen gezogen.
    Ich gebe ehrlich zu, ich bin sehr enttäuscht. Ich bin auch deswegen enttäuscht, weil das Europäische Parlament nicht die Kraft hatte, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wie ich das wollte, sondern nur einen Sonderausschuss. Wir haben jetzt zu Panama Papers - das ist ein anderer Steuertatbestand - einen Untersuchungsausschuss eingesetzt und ich hoffe, dass wir da mehr Licht ins Dunkel bringen können, als es ein Sonderausschuss tun kann.
    Müller: Sie sagen, Herr Ferber, das Europäische Parlament hat nicht die Kraft gehabt. Da müssen Sie uns auch noch mal Ross und Reiter nennen. Wer hat denn da zu wenig Kraft gehabt, wer war da zu kraftlos? Auch Ihre Fraktion, auch die Sozialdemokraten?
    Ferber: Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, brauchen Sie eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten, die das unterstützen, und diese Zahl ist nicht zustande gekommen. An mir lag es nicht. Ich hatte von Anfang an mich für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen und auch entsprechend die notwendige Liste unterschrieben. Aber es kamen nicht genug Unterschriften zusammen.
    Müller: Weil die Abgeordneten auch ihre eigenen Heimatländer, ihre Regierungen und die Praktiken schützen wollen?
    Ferber: Das scheint sicherlich mit ein Motiv gewesen zu sein. Aber es wäre trotzdem möglich gewesen, an der Zahl von betroffenen Ländern vorbei ausreichend Unterschriften zu sammeln. Das ganze Prozedere war nicht darauf ausgerichtet, am Ende wirklich Licht in das Dunkel zu bringen.
    Müller: Wir haben schon häufiger darüber geredet, Herr Ferber, an dieser Stelle in den Interviews hier im Deutschlandfunk. Jean-Claude Juncker wird immer wieder genannt, auch in vielen Kommentierungen jetzt in den Zeitungen und im Netz wird immer wieder gefragt, warum ist dieser Mann in diese hohe Position gekommen, warum ist er mitgetragen worden im Europäischen Parlament, wenn er auf der anderen Seite als Regierungschef wie auch als Finanzminister auch eine Mitverantwortung wie auch immer trägt für diesen LuxLeaks-Skandal. Haben Sie da eine Erklärung, warum Juncker damit offenbar gar nichts zu tun hat oder zu tun haben will?
    Ferber: Wissen Sie, ich bin da nicht bereit, an einer Person mich festzumachen.
    Müller: Aber er ist ja der Präsident! Er ist ja nicht irgendeine Person.
    "Nach dem Motto: Juncker ist böse und alle anderen sind gut"
    Ferber: Ja, ja, aber ich will mal einen anderen auch mit einführen, der auch Präsident ist. Wenn wir die Volumina anschauen, die Geldbeträge, um die es geht, ist der größte Nutznießer von solchen Steuervorbescheiden die Niederlande. Der dortige Finanzminister ist der Chef der Eurogruppe, Herr Dijsselbloem. Und obwohl ich mehrmals versucht habe, dass Herr Dijsselbloem auch angehört wird als niederländischer Finanzminister, ist das nicht gemacht worden. Ich habe mich immer ein bisschen dagegen gewehrt, dass man nach dem Motto arbeitet, der Juncker ist böse und alle anderen sind gut. Hier gibt es nicht Gut und Böse, sondern hier gilt wirklich keine Unschuldsvermutung für die Betroffenen, und wenn man das nur nach dem Muster macht, konservative Politiker müssen angehört werden und linke Politiker müssen geschützt werden wie Herr Dijsselbloem, dann wird man seiner Aufgabe auch nicht gerecht, und das ist auch einer der Punkte, der mich sehr frustriert hat.
    Müller: Herr Ferber, wer hat das denn verhindert, dass Herr Dijsselbloem kommt oder gekommen ist oder kommen sollte?
    Ferber: Die Mehrheit im Sonderausschuss wollte ihn nicht anhören.
    Müller: Und Die Linken hatten da die Mehrheit?
    Ferber: Es gibt eine Mehrheit zwischen Liberalen, Sozialdemokraten, Grünen und Kommunisten, und wenn Sie die Kommunisten weglassen, dann haben Sie auch die Regierungskoalition in den Niederlanden.
    Müller: Interessant! Die Grünen haben alle dagegen gestimmt?
    Ferber: Es gab in der Koordinatorenrunde, also in der Besprechung der Fraktionsobleute diese Fragestellung, wer ist anzuhören, wer ist nicht anzuhören, und mein Vorschlag, Herrn Dijsselbloem anzuhören, wurde nicht aufgegriffen.
    Müller: Wir haben ja schon, Herr Ferber, häufiger über das europäische Problem geredet, über das Image, über die fehlende Stabilität. Nach dem Brexit haben wir noch nicht darüber geredet. Aber Sie haben das ja gerade selbst gesagt: Jean-Claude Juncker wird immer wieder genommen als der vermeintlich Böse in dieser Geschichte. Nun gut, es heißt LuxLeaks und nicht NiederlandeLeaks oder wie auch immer.
    Ferber: Na ja gut, weil natürlich die Dokumente aus Luxemburg kamen, was leider dazu geführt hat, dass letzte Woche diese furchtbaren Urteile gesprochen wurden gegen die, die uns die Dokumente mal gegeben haben.
    Müller: Das finden Sie auch skandalös?
    Ferber: Natürlich ist das skandalös und deswegen haben wir gestern auch eine große Debatte parallel im Parlament gehabt, wie wir hier das Thema Whistleblower, wie das halt heißt, stärker angehen können, wie die auch geschützt werden können, weil sie ja doch ein allgemeines Interesse vertreten, dafür zu sorgen, dass da Transparenz geschaffen wird an Stellen, wo sie die Staaten selber nicht in der Lage sind herzustellen. Und die dafür noch zu bestrafen, dass sie die Informationen zur Verfügung gestellt haben, um eigentlich dafür zu sorgen, dass jeder gemäß seiner Leistungsfähigkeit seine Steuern bezahlt, nicht nur der abhängig Beschäftigte, der die Steuern schon abgezogen kriegt, bevor er überhaupt sein Gehalt bekommt, sondern auch Unternehmen ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, dass diese Personen dann auch noch vorbestraft werden, das ist schon eine starke Leistung, hat mich sehr, sehr enttäuscht, und da werden wir als Parlament auch dran bleiben.
    Müller: Jetzt sagen Sie wieder "enttäuscht". Das hört sich ja fast so an, ich will jetzt mal interpretieren, dass es eine politische Justiz gibt in Luxemburg.
    Ferber: Nein, das will ich so nicht sagen.
    Müller: Haben Sie nicht gesagt, aber es könnte sein.
    "Das geltende Recht sollte der modernen Zeit angepasst werden"
    Ferber: Es ist geltendes Luxemburger Recht, weil sie kein Whistleblower-System implementiert haben, und das ist genau der Punkt, den wir erreichen wollen als Europäisches Parlament, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - wir haben das für EU-Beamte vor vielen Jahren eingeführt nach dem Skandal um den Rücktritt der Europäischen Kommission 1999; vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch; da haben wir für EU-Beamte einen entsprechenden Schutz geschaffen auf europäischer Ebene.
    Wir haben aber in vielen Mitgliedsstaaten diesen Rechtstatbestand noch nicht und Luxemburg gehört zu denen, und deswegen kann ich jetzt nicht sagen, da ist unrecht gesprochen worden. Es ist geltendes Recht in Luxemburg, aber das geltende Recht sollte der modernen Zeit angepasst werden.
    Müller: Jetzt bekomme ich schon das Signal aus der Regie, dass wir leider zum Ende kommen müssen. Aber eine Frage mit Bitte um kurze Antwort habe ich noch. Diese LuxLeaks-Affäre, das alles drum herum, Sie sind sehr enttäuscht. Ist die Sache jetzt im Grunde erledigt?
    Ferber: Die Sache ist nicht erledigt. Wie gesagt, wir haben eine Reihe von konkreten Gesetzgebungsmaßnahmen schon begonnen: Austausch von Steuervorbescheiden, die Umsetzung der OECD-Beschlüsse für Steuervermeidungsstrategien. Wir wollen jetzt eine Whistleblower-Gesetzgebung initiieren. Wir sind schon mehrere Jahre daran, das Parlament war nie der Zögernde, eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer zu schaffen. Also wir haben an vielen Stellen auch ganz konkrete Gesetzgebung initiiert, und das ist sicherlich auf der Habenseite des Sonderausschusses zu sehen.
    Müller: Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber bei uns im Gespräch. Danke, dass Sie wieder Zeit für uns gefunden haben. Einen schönen Tag.
    Ferber: Gerne, Herr Müller. Auf Wiederhören!
    Müller: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.