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Lyons Musée des Confluences
Verstörende Zusammenflüsse

Nach mehr als zehnjähriger Bauzeit ist es nun eröffnet: Lyons spektakuläres Musée de Confluence vereint eine Sammlung aus mehr als zwei Millionen völkerkundlichen und naturwissenschaftlichen Objekten. Doch der Bau des österreichischen Avantgarde-Architektenbüros Coop Himmelb(l)au ist umstritten. Die Kosten explodierten.

Von Ursula Welter | 20.12.2014
    Das neue Museum "Confluences" in Lyon.
    Das neue Museum "Confluences" in Lyon. (picture alliance / dpa / Quentin Lafont / Musee Des Confluences)
    Das neue Museum am Zusammenfluss von Saône und Rhône hat sich nicht weniger als die Komplexität der Welt vorgenommen. Woher kommen wir? Wer sind wir? Was tun wir? Der erste Bauherr scheiterte an der Aufgabe, das Konzept des österreichischen Architekturbetriebs „ Coop Himmelb(l)au" auf dem sandigen Untergrund umzusetzen. Fast 14 Jahre gingen von der Entscheidung der Politik bis zur Eröffnung des Museums ins Land, die Kosten explodierten, aus 60 Millionen wurden 255 Millionen Euro. "Confluences hat ein bisschen mehr gekostet, als geplant."
    Spielt der Kulturbeauftragte der Stadt, Georges Képénikian, die Entwicklung herunter: "Das ist Vergangenheit." Dekonstruktivismus am Zusammenfluss von Saône und Rhône, "Confluences" also, die Autobahn Marseille-Paris gleich daneben. Der Architekturentwurf aus dem Jahr 2000 birgt für heutiges Empfinden nicht viel Überraschendes, ein zur Landzunge spitz zulaufender Komplex aus Glas und Stahl , neun Säle in der sogenannten "Wolke", dem höher liegenden Kern des Museums, der Eintritt kostet und der die Dauer- und Sonderausstellungen beherbergt.
    Blick auf die Berge des Beaujoulais
    "Wenn wir von einer Wolke sprechen, dann ist es ein Synonym für Räume, die auf Stützen abgehoben sind." Wolf D. Prix ist einer der Architekten. "Der Kristall ist ein Eingangsgebäude und eine vertikale Erschließung des Gebäudes." Der "Kristall" ist als öffentlicher Raum gedacht. Transparent und durchlässig für Spaziergänge, von der 33 Meter hohen Eingangshalle, hin zur Spitze der Landzunge, zu den Gartenflächen, bis hoch oben aufs Dach, wo Café und Restaurant von einem Sternekoch betrieben werden. Der Blick über die Stadt hin zu den Bergen des Beaujoulais ist eindrucksvoll.
     Museum "Confluences" in Lyon.
    Objekte im Museum "Confluences" in Lyon. (Deutschlandradio Kultur / Ursula Welter)
    500.000 Besucher jährlich erhofft sich Lyon für den kostenpflichtigen Teil, das Museum, mit seinem Konzept, das – wie das Gebäude – von "Querbezügen" handeln soll: Das museale Erbe aus fünf Jahrhunderten: die Sammlung "Guimet", ursprünglich "Religionsmuseum" von Lyon, 1914 erweitert um eine naturgeschichtliche Abteilung; die ethnographische Sammlung aus dem ehemaligen Kolonialmuseum von Lyon; dann das Kuriositätenkabinett der Gebrüder Balthasar de Monconys und Gaspard de Liergues aus dem 17. Jahrhundert.
    Szenographisches Abenteuer
    "Der Begriff des Zusammenflusses kommt hier zum Tragen durch den Zusammenfluss des Wissens und der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, der Blickwinkel."
    Bruno Jacomy ist der wissenschaftliche Direktor. Von den Ursprüngen des Lebens, über das große "Warum", Leben und Tod, Religionen, bis hin zum Menschen und seinem Verhältnis zur Umwelt. Eine gewollte Konfrontation der Disziplinen:
    "Ausländische Museologen, Philosophen, Paleoantropologen, Astrophyisker, Zoologen..., haben das Abenteuer von seinem Beginn an begleitet."
    Ein szenographisches Abenteuer: Kochtöpfe neben Mineraliensammlungen, chinesische Gewänder vor Videoinstallationen, Mammut und Giraffe, eine Kolibrisammlung, orientalische Grabbeilagen - prächtige Einzelobjekte jeweils, die sich im Großen und Ganzen teilweise aber verlieren.
    Der Museumsbau ist öffentlich finanziert, für die Unterhaltung und anstehenden Aufgaben wird mit privaten Geldgebern kooperiert, wie es in Lyon für Kulturprojekte häufig der Fall ist, sagt der Kulturbeauftragte, Képénikian: "Und ich denke, wir haben einige große Unternehmen, die sehr interessiert sind, mit dem Museum zusammenzuarbeiten."
    Ein Museum, das den Besucher verstört, aber durchaus angeregt zurücklässt - durch die gewagte Komposition der Objekte, die Fragen, die es aufwirft.