Samstag, 20. April 2024


»lyrix«-Preisträger 2009 stehen fest

Die Entscheidung ist gefallen: Wie im Vorjahr fahren auch 2010 dreizehn Nachwuchsdichter aus dem Inland zur Schreibwerkstatt nach Berlin.

18.03.2010
    Die zweite Runde des internationalen Schülerwettbewerbs »lyrix« ging im Dezember 2009 zu Ende. Pünktlich zur Leipziger Buchmesse stehen die Preisträger aus dem Inland fest. Wie schon im Vorjahr wurden aufgrund gleicher Jurywertungen dreizehn - und nicht wie vorgesehen zwölf - Schülerinnen und Schüler ausgewählt. Die Jahresgewinner aus dem Ausland werden in den kommenden Tagen bekannt gegeben. Der Preis für die Nachwuchsdichter aus dem In- und Ausland ist ein verlängertes Berlin-Wochenende im Juni 2010. Dort findet in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin eine Schreibwerkstatt am Wannsee statt. Weitere Programmpunkte der Berlinreise sind eine feierliche Preisverleihung und eine literarische Stadtführung.

    Seit dem Start von lyrix haben uns mehr als 2600 Gedichte aus aller Welt erreicht. Wir freuen uns sehr über diese positive Resonanz und möchten uns an dieser Stelle bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr herzlich für die vielen eindrucksvollen Beiträge bedanken. Übrigens: Auch in der aktuellen und dritten Runde von »lyrix« ist der Preis für die Jahresgewinner wieder ein verlängertes Wochenende in Berlin.


    Der»lyrix«-Jury 2009 gehörten an: Der Lyriker Norbert Hummelt, der Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, der Literaturkritiker Michael Braun, der Verleger Manfred Metzner (Das Wunderhorn), der Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin, Ulrich Janetzki, sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.




    Die »lyrix«-Preisträger 2009 in alphabetischer Reihenfolge:

    Josefine Berkholz aus Berlin
    Romain Rolland Oberschule, Jahrgangsstufe 9
    »lyrix«-Monat: April
    Leitmotiv: Hör zu!

    Stumm

    Wenn ich stumm bin
    Fragst du nicht.
    Frag ich dich
    - schweigst du.

    Wenn ich blind bin,
    Führst du mich?
    Siehst mich nicht.
    Wenn ich auch
    Taumle, falle
    Spürst du nicht
    Schall noch Rauch.

    Wenn ich schreie,
    Stutzt du dann?
    Sieh mich an.
    Ich bin nicht
    Mehr bereit
    Auf dich zu warten.
    Es ist Zeit.

    Wenn du stumm bleibst
    Mich nicht fängst,
    Mich verdrängst
    Dich weiter weigerst
    Mich zu sehen,
    Werd ich gehen.




    Malte Böning aus Brake (Unterweser)
    Gymnasium Brake, Jahrgangsstufe 10
    »lyrix«-Monat: Mai
    Leitmotiv: Irren ist menschlich

    Odyssee

    nun suche ich seit kaum geschätzten zeiten
    in kargen wüsten nach dem wahren sein.
    der durst von sehnsucht treibt mich durch die weiten,
    die rohe seele brennt mir voller pein.

    hindurch die öde unbestimmter tage
    drängt ein begehren mich nach letzter gunst,
    die ich zu finden in der wildnis wage
    zwischen gestein und staubgefülltem dunst.

    ich irre seit schon kaum gezählten stunden
    durch tote dürre und ihr rotes land.
    ein jeder schritt übt sich in tiefen wunden
    und sengend fasst mich heißer wüstensand.

    so streif ich wohl in ungewissen jahren
    noch in der einsamkeit der welt umher,
    denn dort wo einst verstand und seele waren,
    liegt eine wüste: matt, vertrocknet, leer.




    Luca Franziska Detemple aus Rottweil
    Albertus-Magnus-Gymnasium, Jahrgangsstufe 11
    »lyrix«-Monat: September
    Leitmotiv: Die Jahre von dir zu mir

    KINDERAUGEN

    Du zauberst ein Lächeln
    auf mein Gesicht
    mit schuldlosen Augen
    so verblüffend einfach

    Aus meinen Wolken
    machst du Sonnenschein
    aus meinen Ängsten
    lebhafte Geschichten

    Phantasie
    statt schöner Lügen
    die versprechen
    "das geht schon okay"

    Keine sinnlosen Worte
    kein Mitgefühl
    nur aus Anstand
    kein halbes Gehör

    Ein warmes Lächeln
    statt nutzlosem Mitleid
    statt leeren Sätzen
    "ich weiß wie's dir geht"

    Nur ein Herz kindlicher Liebe
    so viel jünger als ich
    und ohne viel Wissen
    um so vieles weiser

    Meine riesige Welt
    in so kleinen Händen
    am besten verwahrt
    im Augenblick

    Bist du da
    hörst du zu
    verstehst mich
    vielleicht auch nicht




    Julia Frick aus Lambsheim
    Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium Mannheim, Jahrgangsstufe 13
    »lyrix«-Monat: Mai
    Leitmotiv: Irren ist menschlich

    Übermut ist mit Vorsicht zu genießen
    - oder: der Fisch im Baum -


    Plötzlich hing ein Fisch im Baum
    und als der Ast schon krachte
    flog ein Vögelchen vorbei,
    das ihn, ins Federkleid gebettet
    schnell nach Hause brachte.

    Sein zu Hause war das Meer,
    denn er hat nur Flossen,
    doch kam er voller Tatendrang
    mit falschem Ziel im Kopf
    durchs kühle Nass geschossen.

    Er hatte scheinbar Großes vor,
    er wollte hoch hinaus.
    Doch, wie er später selber sagte
    "An Gefahren dacht' ich nicht,
    ich wollt halt mal da raus!"

    Wisst ihr, wenn man Träume hat,
    dann sollte man sich trauen,
    doch trotzdem ist es angebracht,
    voraussichtig zu handeln
    und auf Risiken zu schauen.

    Der Fisch im Baum heißt "Übermut"
    und handelt oftmals blind.
    Die "Vorsicht" war sein guter Hirte
    und so flog durch lauen Wind
    der Fisch ein letztes Mal - nach Haus!
    Er irrte.




    Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
    Dientzenhofer-Gymnasium, Jahrgangsstufe 6
    »lyrix«-Monat: April
    Leitmotiv: Hör zu!

    Werde lauter

    Ich flüstere,
    Flüstere dir zu was mich vorhin an dir gestört hat,
    Sehr unsicher!

    Werde lauter!

    Ich sage,
    Sage dir was mich in den letzten Stunden an dir gestört hat,
    unsicher!

    Werde lauter!

    Ich schreie,
    Schreie dir zu was mich in den letzten Tagen an dir gestört hat,
    Selbstbewusst!

    Werde lauter!

    Ich brülle,
    Brülle dir zu was mich in den letzten Wochen an dir gestört hat,
    Sehr selbstbewusst!

    Werde lauter!

    Ich kreische,
    Kreische dir zu was mich schon immer an dir gestört hat,
    Wütend!

    Und merke erst jetzt,
    Das du traurig in der Ecke stehst,
    Verletzt bist,
    Und ich streichele dir über den Rücken!

    Ich flüstere,
    Flüstere dir zu was ich schon immer gut an dir fand,
    Entschuldigend!




    Judith Gerten aus Pulheim
    Geschwister Scholl Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: August
    Leitmotiv: Der Tod

    am felsen

    die sonne erstirbt. licht entschwindet in ferne.
    mein kleid flattert kindlich, der mond als laterne beleuchtet im schatten der sterne den himmel.
    mein gewand färbt sich rot, als ich atmen erlerne.

    ein schmerz zersticht. feuer flammt wie von sinnen mein rücken zerschellt, lässt das blut leise rinnen von schultern als zinnen, der flügel erwacht.

    das blut tropft, ich blute, ich blüte ich tanze, ich spüre das leben, ich wüte ich springe.

    ich blute. ich blüte. verblute. ver-blühte. blühte.

    der schweif meiner kleider entflammt; schreie hallen am horizont wider, doch ich bin gefallen.

    auf
    prallen
    am boden der realität.




    Felicitas Gondesen aus Sörup
    Bernstorff- Gymnasium Satrup, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: Juli
    Leitmotiv: Alles endet!

    Vergänglichkeit

    Vergänglichkeit, du zwingend Macht,
    Ich lernt', dich nicht zu hassen,
    Folget auch jedem Tag die Nacht,
    Sie wird ihm neu verblassen!

    Der Wandel, der in allem lebt,
    Der ewig eilend vorwärts strebt,
    Er einzig ist das wahre Heil,
    Das uns auf Erden wird zuteil!

    Was fest und starr dahinbesteht,
    Wird nicht geschätzt, sein Sinn verweht,
    Drum muss vergänglich sein, Was uns will wirklich freu'n!

    Der Schmerz über das Ende dann,
    Er ist der Preis, den wir bezahl'n,
    Den vielen schönen Jahr'n
    Die glücklich wir einst war'n!

    Doch jede Blüte, die vergeht,
    Wird hundert weit'ren Saat,
    So sieh, dass auch du fortbestehst,
    in deiner Söhn' und Töchter Tat!




    Kai Gutacker aus Niddatal
    Sankt-Lioba-Schule, Bad Nauheim, Jahrgangsstufe 13
    »lyrix«-Monat: November
    Leitmotiv: Der Mond

    Stiller Zeuge

    Im Anfang, als Prometheus Feuer brachte
    Und jenen Lohen Menschenwitz entsprang,
    War einer, der als stiller Zeuge wachte
    Auf seinem hohen, sternbesetzten Rang.

    Und wenn zwei zarte Stimmen sich vereinen,
    Zwei Funken neuen Flammenwurf gebär'n,
    Schwebt er als Silberkreis inmitten feinen
    Gewölks und blickt, beobachtet von fern.

    Dereinst wird dieses Brennen uns verzehren
    Und Götterspruch bricht über uns herein -
    Dann steht der Mond vor rußerstickten Ähren
    Und wieder wird er stiller Zeuge sein.




    Nora Heilke aus Neunkirchen
    Nikolaus-Kistner-Gymnasium Mosbach, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: November
    Leitmotiv: Der Mond

    Hijo de la Luna

    Liege hier und schicke Schaf um Schaf
    Über Zäune, lass' sie rastlos springen
    Mir zu fangen den entfloh'nen Schlaf
    Die ersehnte Ruhe nun zu bringen

    Keuchend und geschunden kehr'n sie wieder
    Kommen doch mit leeren Händen heim Niemand schließt mir meine müden
    Lieder Herzlos lässt der Schlaf mich hier allein

    Sohn des Mondes, was hast du getan?
    Bringst mich Nacht für Nacht um meinen Frieden
    Weil ich dich doch nicht vergessen kann
    Fühle mich in meiner Sehnsucht sieden

    Eine Nacht lang hast du mich begleitet
    Eine Nacht hast du mit mir verbracht
    Hast zu kühner Hoffnung mich verleitet
    Doch am Morgen bin ich aufgewacht

    Sohn des Mondes, fort bist du gegangen
    Hast dich schließlich von mir abgewandt
    Schlaflos lässt mich das, was nun vergangen
    Aber dir bin ich längst unbekannt




    Jonas Kohnen aus Ludwigshafen
    Heinrich Böll Gymnasium , Jahrgangsstufe 10
    »lyrix«-Monat: September
    Leitmotiv: Die Jahre von dir zu mir

    revision

    schön dich wiederzusehen im unberührten haus die dielen seufzen unter meinen zarten schritten und in deinen greisen armen darf ich mich tummeln - der staubpelz der letzten jahre schlägt mir entgegen

    das durchgesessene ledersofa quietscht unter meiner last und die graue zimmerlampe presst schwaches licht zu mir hinüber während ich in deine starren augen sehe die verglimmen wie meine stimme im tränenbenetzten treppenflur

    ich versuche wasser durch die rostigen badarmaturen zu locken - doch zu spät denn dein mund den ich einst mit kindlicher liebkosung versehen durfte ist erstickt und versiegelt seine geschichten verklungen bei ofenwarmen keksen

    der fotorahmen an der wand reicht mir deine vergilbte liebe die ich in meinem kopf reanimiere reanimiere reanimiere

    das einschlaflied das du mir komponiert hast erwacht in meinen ohren und meine atmung wird gleichmäßig ich schließe die augen sacke zusammen und du deckst mich zu mit schwarzweißerinnerungen

    das urteil war vernichtend




    Laura Sophie Luge aus Leipzig
    Humboldtschule, Jahrgangsstufe 11
    »lyrix«-Monat: Januar
    Leitmotiv: Tagträume

    An einem Regentag…

    Ich habe ihn gesehen,
    den Pinguin.
    Er stand vor meiner Tür,
    wo es regnete.

    Er fragte, ob ich einen Schirm hätt',
    einen roten Schirm.
    Ich hatte keinen roten Schirm.
    Ich hatte Kaffee.

    Hätt' ich auch Blümchentassen dazu?
    Nein, nur welche mit Punkten.
    Das gefiel ihm wohl nicht.
    Er ging weiter.




    Anna Neocleous aus Rietberg
    Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 11
    »lyrix«-Monat: November
    Leitmotiv: Der Mond

    Mondfrau

    Schönheit, dort, im Nebelreich,
    strahlend Augen sternengleich.
    Fließend Haareswasserfall
    schwingt in ihrem Zaubertanz,
    sanfter Schimmer, heller Glanz,
    im unendlich weitem All.

    Weich, im Mondeszauberlicht
    scheu, das liebliche Gesicht
    tanzt im Nebelschwadenklang
    in unendlich weiter Nacht
    mit ihr unbewusster Macht.
    Hörst du ihren Mondgesang?

    Eingesperrt in Raum und Zeit,
    scheint sie dir so endlos weit.
    Schließ die Augen, lausche ihr
    wie sie von der Liebe singt,
    dir den Zauberfaden bringt
    und dich mitnimmt, hin zu ihr.




    Oliver Riedmüller aus Fürth
    Heinrich-Schliemann-Gymnasium Fürth, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: Dezember
    Leitmotiv: Nacht

    Winternacht

    Ungefragt und ungebeten
    schleicht beim Blick in kalte Nächte
    mir ein kleiner, junger Winter
    in mein Herz und meine Seele.

    Müde steigen weite Fluten,
    Wolkenmeer und Dunkelheit,
    voller Sehnsucht schmiegen Winde
    sich am fernen Monde an.

    Eisig wühlen scharfe Winde
    mir im Haar und einsam schleicht
    eine Träne, Eis zu werden,
    fällt zu Boden, wird zu Stein.

    Zart streicht Mond mit seinem Schleier
    sanft die weiten, fernen Ufer.
    Einsam fliegt ein waiser Vogel,
    Ewigkeit im Nichts zu suchen.

    Fall'n vom himmel Wolkenkinder
    tänzeln, federleicht herab,
    bringen sie der Erde Träume
    für die kalte Winternacht.