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Maas: Eine Schlichtung wäre fair gewesen

Matthias Maas von der Gewerkschaft der Flugsicherung kann nicht verstehen, warum der Tarifpartner, die Deutsche Flugsicherung, den Lotsenstreik per Gericht verbieten lassen will. Die Alternative wäre eine Schlichtung mit Aussicht auf Friedenspflicht gewesen. Maas vermutet dahinter "tarifpolitisches Kalkül".

Matthias Maas im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.08.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Wer morgen mit dem Flugzeug unterwegs sein möchte, der sollte seine Pläne vielleicht noch einmal überdenken, denn die Gewerkschaft der Flugsicherung, das heißt, die Interessenvertretung der Fluglotsen hat gestern entschieden, morgen bundesweit in den Ausstand treten zu wollen, und zwar von sechs bis zwölf Uhr, und das mitten in der Ferienzeit. Dazu kann ich jetzt begrüßen am Telefon Matthias Maas von der Gewerkschaft der Flugsicherung. Schönen guten Morgen!

    Matthias Maas: Schönen guten Morgen!

    Heckmann: Herr Maas, eine Spartengewerkschaft streikt und das Land steht still. Erwarten Sie Verständnis dafür, dass Sie die Deutschen zur Geisel Ihrer Partikularinteressen machen?

    Maas: Ich erwarte ein bisschen Verständnis dafür, da wir mit diesem Mittel Streik ja wirklich sehr verantwortungsvoll eigentlich umgehen. Wir haben noch nie so einen Streik gehabt oder sind noch nie in so einer Situation gesteckt und das schon seit 1993, und auch in den Jahren davor gab es in Deutschland noch nicht so eine Maßnahme. Wenn Sie mal vergleichen, Spanien, Frankreich, Griechenland, wo Sie auch in den Sommermonaten jährlich mehrfach von Streiks bedroht oder auch durchgeführten Streiks konfrontiert sich gegenübersehen, so sehen Sie doch, dass wir eigentlich nur das wirklich in letzter Instanz als Mittel zum Arbeitskampf sehen.

    Heckmann: Aber jetzt kommt ein bundesweiter Streik dann morgen auf uns zu - möglicherweise hätte es nicht eine Nummer kleiner auch getan?

    Maas: Lieber vielleicht ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende, mag man jetzt vielleicht sagen. Nein, die Urabstimmung, die wir durchgeführt haben, um auch mal zu sehen, was denn die Mitglieder so denken, war so überwältigend groß, dass wir uns einfach zu diesem Mittel entschieden haben und hoffen, dass wir mit so einer einmaligen Aktion eigentlich alles wieder in die richtigen Bahnen lenken können und auch vielleicht bei der DFS [Anmerkung der Redaktion: Deutsche Flugsicherung] wieder Vernunft erzeugen können.

    Heckmann: Um sechs Uhr soll es losgehen, bis zwölf Uhr soll der Streik dann dauern, das heißt, da geht über Deutschland nichts mehr, und auch danach wird es ein heilloses Chaos geben, davon kann man ausgehen, oder?

    Maas: Man muss davon ausgehen, dass es danach weiterhin noch zu Verzögerungen kommen wird und einzelne Flüge sind mit Sicherheit auch am Folgetag noch mit Verzögerung betroffen. Aber wie gesagt, ob es dazu kommt, weiß man ja noch nicht. Die Deutsche Flugsicherung versucht ja gerade im Moment mit allen Mitteln, das zu verhindern.

    Heckmann: Mit allen Mitteln heißt, sie versucht, es gerichtlich untersagen zu lassen, diesen Streik. Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen dieses Versuchs?

    Maas: Aus meiner Sicht eigentlich nicht so groß, und deshalb finde ich es auch eigentlich nicht fair gegenüber ... Wenn sie wirklich was machen wollen und wie sie ja dann auch gestern gesagt haben, und das Mittel der Schlichtung hätten sie ja dann noch in der Hinterhand, dann hätte ich es nur fair gefunden, wenn sie das Mittel der Schlichtung zuerst probiert hätten, um dann vielleicht parallel dazu trotzdem gerichtlich gegen den Streik vorzugehen, denn dann hätten eigentlich schon seit gestern alle Passagiere, Fluggesellschaften und auch die Flugplätze Planungssicherheit, weil im Falle eines Anrufens einer Schlichtung wäre ja sofortige Friedenspflicht, und wenn das erst sehr kurz vor Beginn des Streiks kommt, das heißt, Wenn heute das mit dem Gericht nicht klappt und danach die Deutsche Flugsicherung erst die Schlichtung anruft, dann hätten wir eigentlich sehr viele Stunden verschenkt.

    Heckmann: Was ist der Grund dafür, dass die Schlichtung nicht angerufen wird aus Ihrer Sicht?

    Maas: Das weiß ich nicht, das ist tarifpolitisches oder tariftaktisches Kalkül, kann ich nur vermuten. Vielleicht will man uns wirklich in der Öffentlichkeit schlechtmachen. Natürlich wird auf uns jetzt sehr draufgehauen. Es wird auch eigentlich fast nur über das Geld geredet hier, was eigentlich der kleinste Punkt ist in diesem ganzen Tarifkonflikt. Aber das wird bewusst auch vom Tarifgegner - und das ist sein gutes Recht - in den Vordergrund gestellt, und man versucht uns natürlich jetzt richtig schlecht zu machen.

    Heckmann: Die Arbeitgeber, Herr Maas, die haben Ihnen ja ein Angebot gemacht, eine Lohnsteigerung ich glaube in Höhe von gut fünf Prozent. Das hört sich doch ganz ordentlich an. Weshalb reicht Ihnen das nicht?

    Maas: Das ist ein klein bisschen eine Milchmädchenrechnung, also das sind Lohnsteigerungen von jährlich knapp zwei Prozent, also deutlich unterm Inflationsausgleich, und dann wird ja auch immer gern gesagt, die Lotsen verdienen eh so viel. Da möchte ich erst mal dazu sagen: Wir führen hier nicht Tarifverhandlungen für Fluglotsen, sondern für 5500 Beschäftigte bei der Deutschen Flugsicherung, und das fängt mit ganz niedrigen Löhnen an, mit einfachen Arbeitern, zum Teil ungelernten Arbeitern. Von diesen 5500 sind dann 1900 Fluglotsen, also es geht um viele andere auch.

    Heckmann: Es geht um knapp 2000 Fluglotsen, sagen Sie. Was verdient denn so ein Fluglotse? Da dürfte so mancher wahrscheinlich mit den Ohren schlackern, oder?

    Maas: Ja, auch da sind ziemlich viele falsche Zahlen unterwegs. So ein Fluglotse verdient wirklich gut, er macht auch einen verantwortungsvollen Job. Aber diese berühmten 100.000 Euro, die da immer im Raum stehen - das sind vielleicht eine Handvoll, die vielleicht auch kurz vor der Pensionierung erst stehen oder vor dem Eintritt in die Übergangsversorgung. So ein Fluglotse verdient nach seiner langen Ausbildung, für die er erst mal schon ein schwieriges Auswahlverfahren durchlaufen muss und wirklich sehr viele Voraussetzungen erfüllen muss, fängt das vielleicht an mit Jahresgehältern von 55.000, vielleicht bis 70.000 Euro, das ist immer darauf basierend, wo denn der Kollege arbeitet, wie sehr er belastet ist. Und die Höchstbelasteten, die verdienen auch wirklich das Geld, das sie dann da verdienen. Allerdings sollen genau diese Leute noch so viel mehr zusätzlich arbeiten, wie andere im ganzen Jahr in Urlaub gehen, bis zu 30 Tage zusätzlich hätte dann gern die Deutsche Flugsicherung, dass diese Leute jährlich mehr arbeiten. Das tun die schon seit mindestens drei Jahren, und gefordert ist, dass sie das noch mindestens vier Jahre lang so weitermachen sollen.

    Heckmann: Erwarten Sie denn jetzt von den Arbeitgebern, dass jetzt schnell noch ein neues Angebot kommt? War dieser Streikaufruf gestern also vor allem Taktik?

    Maas: Der war keine Taktik und den werden wir auch durchziehen, so wie wir ihn angekündigt haben, so uns das das Gericht heute nicht verbietet. Die Taktik von der Deutschen Flugsicherung im Moment kann ich, wie gesagt, nicht verstehen, dass die erst den Weg übers Gericht gehen und dann vielleicht kurzfristig noch eine Schlichtung anrufen, weil Sie müssen ja bedenken: Die Fluggesellschaften und auch die Passagiere sind jetzt schon dran hier mit Notfallplänen, mit Ausweichmöglichkeiten zu arbeiten, und wenn man dann erst kurzfristig vor so einem Streik diesen dann per einer Schlichtung versucht auszusetzen, nicht versucht, sondern aussetzen kann, dann hat man wirklich viel Zeit verschenkt.

    Heckmann: Über den wohl bevorstehenden Streik bei den Fluglotsen haben wir gesprochen mit Matthias Maas von der Gewerkschaft der Flugsicherung. Danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben!

    Maas: Schönen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.