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Kofpschmerzen
Sport und Gespräche helfen

Jeder Zehnte leidet an Migräne - 15 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer sind betroffen. Entspannung kann gegen die Kopfschmerzen helfen, auch Akupunktur und Ausdauersport wirken. Die Pharmaindustrie favorisiert hingegen biomedizinische Verfahren wie die "Migräneimpfung".

Von Ludger Fittkau | 13.03.2018
    Ein jugendliches Mädchen mit Kopfschmerzen
    Frauen sind häufiger von Migräne betroffen als Männer (dpa/picture alliance/Frank Rumpenhorst)
    Die Pharmaindustrie setzt auf die sogenannte Migräneimpfung. Etwa monatlich soll sich künftig ein Migränepatient selbst eine Spritze setzen können, mit der eine bestimme Aminosäureverbindung im Gehirn blockiert werden soll, die bei einem Migräneanfall vermutlich eine zentrale Rolle spielt. Die Forschungen dazu sind relativ weit, wurde beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin in Frankfurt am Main deutlich. Die Zahl der Migränetage eines Patienten soll damit zum Teil mehr als halbiert werden können, die Nebenwirkungen ist in den bisherigen Studien relativ gering. Mit ersten Arzneimittelzulassungen wird gegen Ende dieses Jahres gerechnet.
    Professor Stefan Evers, der ehemalige Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und heutige Generalsekretär der International Headache Society machte allerdings deutlich, dass diese Mittel nur einer sehr kleinen Betroffenengruppe helfen werden können:
    "Wenn wir sagen, wir haben 100 Prozent Migränepatienten, davon sind nur ungefähr 20 bis 30 Prozent davon so stark betroffen, dass man über solche vorbeugenden Maßnahmen nachdenken muss und von denen wiederum haben vielleicht am Ende 10 Prozent die Notwenigkeit, eine solche Therapie zu bekommen, das heißt wir reden vielleicht 1 Prozent aller Migränepatienten, die schwerstbetroffen sind."
    Gespräche statt Medikamente
    Die deutschen Schmerzmediziner betonten beim Frankfurter Kongress, dass für effektive Schmerzbekämpfung ein sogenannter multimodaler Ansatz notwendig sei, um Migräne wirksam zu bekämpfen. Das heißt, verschiedene Fachärzte sollen mit Psycho- oder Bewegungstherapeuten zusammenarbeiten, um die Schmerzen eines Patienten wirksam lindern zu können. Alleine Beratungsgespräche zur Lebensstiländerung - etwa die Empfehlung zur Aufnahme eines Ausdauersports - helfen vielen Patienten. Diese Gespräche werden allerdings nach wie vor schlecht vergütet, kritisiert Stefan Evers:
    "Das ist ein ewiges Dilemma in Deutschland. Das heißt, wenn ich mir eine halbe Stunde Zeit nehme, kriege ich in der Kassenpraxis dafür 20 Euro. Das geht so nicht. Der einzige Ausweg, den wir zurzeit haben, ist solche Patienten in spezialisierte Zentren zu schicken, die eine multimodale Schmerztherapie machen und davon haben wir in Deutschland ganz, ganz wenige."
    Krankenkassen zahlen für viele Behandlungen nicht
    Dazu kommt, dass wichtige Behandlungsmethoden zur Linderung von Kopfschmerz und Migräne bisher gar nicht von den Krankenkassen finanziert werden - etwa die Akupunktur. Jürgen Bachmann ist Orthopäde und Rheumatologe in Hattingen an der Ruhr sowie Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Ärzte und Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e. V.:
    "Bei Migräne ist das sehr wohl ein Thema. Auch hier haben wir Wirkstärken belegt auch durch belastbare Studien, die sich etwa in dem Bereich bewegen wie etwa die medikamentöse Therapie, sowohl im Bereich der Therapie wie auch der Prophylaxe. Aber, die Entscheidung, was die Kassenerstattung angeht, ist voraussichtlich für die nächsten Jahre zumindest bindend. Die Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen zählt nicht zu den kassengängigen Verfahren."
    Um das möglicherweise zu ändern, sollen nun auch Studien initiiert werden, die nicht zu sehr von den Interessen der Pharmaindustrie geprägt sind. Stefan Evers, der ehemalige Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft:
    "Und wir planen gerade in Deutschland auch eine neue Verbundforschung der Schmerzzentren der Universitäten, die nicht von der pharmazeutischen Industrie, sondern vom BMBF, also von der Bundesregierung finanziert werden soll. Und dort haben solche Studien dann Platz."
    Joggen hilft
    Studien, die dann etwa auch die positiven Auswirkungen von Ausdauersport für die Bekämpfung der Migräne systematischer erfassen könnten. Schon jetzt weiß man allerdings, auch das wurde beim Frankfurter Schmerzkongress deutlich: Dreimal wöchentlich Joggen kann im der Migräneprophylaxe so viel Wirkung haben wie die Einnahme eines Betablockers. Doch beim Joggen verdient die Pharmaindustrie nicht mit.