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Macbeth - très très fort

Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen haben sich seit einiger Zeit auf interkulturelle Erfahrungen mit Afrika spezialisiert - und zwar im Bund mit William Shakespeare. Am Theater Aachen zeigen sie nun das Stück Macbeth unter Mitwirkung von Darstellern aus Westafrika.

Von Christiane Enkeler | 21.11.2009
    Eine Frau kommt auf die Bühne. Sie trägt eine schwarze Hose und eine blaue Bluse, ihr Haar in einem lockeren Pferdeschwanz. Sachlich erzählt sie von einer anderen Frau:

    "Sie hat ein Haus, sehr nett eingerichtet, ein Garten, da grenzt ein Waldstück daran, ab und zu kommt ein Hirsch vorbei, sie hält ein Zuchtschwein, ein Pferd, sie kennt sich aus in Massagetechniken, sie mag guten Rotwein …"

    Sehr faszinierend, wie die Schauspielerin Elke Borkenstein fließend ihre Figur verändert: Sie nimmt eine kühle Erotik hinzu, die immer ausgeprägter wird.

    "Sie treibt es mit dem Teufel, einmal, zweimal, immer wieder, abends, sie reitet auf dem Schwein, auf dem Pferd, auf dem Hirschen, sie sucht das Blut neugeborener Kinder, ungetauft, sie geht nicht in die Kirche, sie ist alt …"

    … und sie endet im Klischeebild einer europäischen Hexe: krummer Rücken und Warze auf der Nase.

    Etliche Minuten später: Ein Mann stolpert auf die Bühne. Ein unsichtbares, großes Gewicht trägt er auf den Schultern. Als Überschrift verkündet er: "Die schwere Stunde". Der Tänzer Franck Edmond Yao wird zum wütend grinsenden Geist. Er legt seinen Kopf auf Elke Borkensteins Schulter ab, als schwebe der abgetrennt vom Körper im Leeren. So ist das, wenn man jemanden tötet, ohne auch seine Seele zu töten – er wird dich immer begleiten.

    "Den ganzen Tag? – Den ganzen Tag lächelt er so. – Und er ist genauso nah? – Er ist, wo er sein will. – Wenn ich jetzt weggehe?"

    Die zwei Tänzer von der Elfenbeinküste sprechen französisch. Die beiden Schauspieler vom Aachener Ensemble übersetzen. Es wird viel improvisiert, gelassen heiter, manchmal lustig. Es hat auch immer die offene Atmosphäre von Mal-was-Ausprobieren, in spielerisch-heiligem Ernst.

    Was hier "Macbeth" ist, liegt auf der Hand: die Hexen und die Wiederkehr eines Getöteten als Geist. Im Projekt von Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen werden Handlungsmotive aus "Macbeth" auf alle verteilt: Elke Borkenstein treibt die Beschwörung des Tötens mit Shakespeare-Worten. In die Rolle der Lady Macbeth schlüpft auch Franck Edmond Yao, wenn er "Courage" fordert. Joey Zimmermann wird zum gelehrigen Macbeth, wenn ihm Gotta Depri in seiner Rolle zeigt, wie das Ritual funktioniert, einen Gegner zu töten.

    Die beiden Pole der Inszenierung sind Sachlichkeit und Mystik, sie schlagen immer wieder unversehens ineinander um, spiegeln sich in Darstellung und Inhalten. Auch das hat sehr viel mit Shakespeares "Macbeth" zu tun, dem mystische Hexen die Herrschaft weissagen. Plötzlich strebt er nach politischer Macht, mordet, lässt Geister rufen, zwischen Plan und Wahn.

    Von Dämonen, Hexen, Mischwesen ist in den europäisch-jüdischen Erzählungen die Rede wie in denen der Afrikaner voll dunkler Alltäglichkeit oder Aktualität, wobei man nicht immer sicher sein kann, ob hier Volksglauben wiedergegeben oder damit Spott getrieben wird, etwa wenn Schafe für die Hexen arbeiten könnten, als Spione …

    "BÄHBÄHBÄH! – also wie morsen … - BÄHBÄHBÄH! – Spionagesprache, die versteht man nicht so gut. – BÄHBÄHBÄH! – Aber sie ändern die ganze Zeit ihre Signale …"

    Wer viel Macht ausübt, ob in Politik, Wirtschaft oder der Liebe, der wird schnell vor dem Hintergrund des Teufels- und Hexenglaubens dämonisiert.

    Vieles wiederholt sich aber zu oft, und der fast durchweg charmante, aber auch unheimliche Abend zerfasert. Am Ende soll alles mit allem zusammenhängen, denn der Aberglaube konstruiert Zusammenhänge, und die Körper spielen immer weniger eine Rolle. Was zu Beginn so spannend ist, das ist die geschickte und dabei schlichte Verwandlung, die tiefste körperliche Konzentration bei großem Spielraum fürs Thematische – eben doch immer wieder zurückführbar auf Shakespeares Text.

    Hielte diese spielerische Konzentration bis zum Ende, das wäre gut.