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Machenschaften im Sport
Die Opfer der Korruption

Korruption im Sport verursacht erhebliche Schäden und produziert viele Opfer. Doch diese Seite der Medaille wird gerne ignoriert.

Von Jürgen Kalwa | 08.11.2015
    Durch Korruption entstehen große wirtschaftliche Schäden
    Durch Korruption entstehen große wirtschaftliche Schäden (dpa / picture-alliance)
    Vielleicht war es Geldwäsche. Vielleicht Untreue. Vielleicht wurden mit den Millionen Entscheidungsträger geschmiert. Das Panorama des Vorstellbaren ist groß. Nur wird man es vermutlich nie herausfinden. Und das auch, weil es viele gibt, die das alles nicht so genau wissen wollen. Das sogenannte "Sommermärchen" war das angeblich wert.
    Verwerflich in der Welt, "smart" in Deutschland?
    "In diesem Sinne waren die 6,7 Millionen Euro gut angelegt und jeden Cent wert. Von mir aus gibt es dafür mildernde Umstände", sagte etwa Alois Theisen, Chefredakteur des Hessischen Rundfunks, vor ein paar Tagen in den "Tagesthemen" in einem Kommentar. Diese Einschätzung passt zwar nicht zum Strafgesetzbuch, in dem man ein ganzes Kompendium von Paragraphen zum Thema Korruption finden kann. Aber sicher zum Stimmungsbild von vielen.
    Dunkle Machenschaften in anderen Teilen der Welt gelten als verwerflich. Wenn dasselbe in Deutschland passiert, stuft man es gerne als smarte Investition ein. An Aufklärung ist man nicht interessiert: Wie sagte der kichernde Clown Sepp Maier letzte Woche bei Markus Lanz? "Alles ein großes Kasperltheater."
    Beckenbauer kam glimpflich davon
    Eine prinzipienfeste Haltung kann sogar schaden. Das zeigt ein Fall aus den siebziger Jahren, ein Studienobjekt dafür, wie korrupt es an der Nahtstelle von Regierung, Politikern und ihren einflussreichen Freunden zugeht.
    Die Rede ist von der Steuerakte "Franz Beckenbauer", der damals laut eigenen Angaben nachträglich 1,8 Millionen Mark bezahlen musste, nachdem sein Hinterziehungs-Modell mit Firmen und Konten in der Schweiz aufgeflogen war. Die Angelegenheit hätte aufgrund der Rechtslage auch sehr viel weniger glimpflich ausgehen können. Aber richtig schlecht lief es nur für den Beamten, der den Fall damals im Finanzministerium auf dem Tisch hatte.
    Er heißt Wilhelm Schlötterer: "Das hat mir nicht gut getan. Ich habe darauf bestanden, dass hier nach Recht und Gesetz vorgegangen wird und nicht etwa diesen prominenten Fußballspielern ein Pardon gewährt wird. Man muss das Gesetz auf alle gleichmäßig anwenden. Sonst verliert man die Legitimität gegen andere vorzugehen."
    Schlötterer - ein klassischer Whistleblower - beschrieb später in seinem Buch "Macht und Missbrauch" die beruflichen Nachteile, die er erlitt, weil er auf Recht und Gesetz pochte. Er warnt davor, den Begriff der Korruption nur als Tausch von Geld gegen Gefälligkeit zu definieren: "Die primitivste Form der Korruption ist, dass Geld gegeben wird und ein Vorteil dann gewährt wird. Aber es gibt eine indirekte Korruption: Willfährigkeit, der im Grunde überhaupt nicht beizukommen ist, die aber brandgefährlich ist, weil hier die Grundlagen des Staates erschüttert werden, wenn etwa im Bereich der Strafverfolgung mal so und mal entschieden wird."
    Deutsche Variante nicht so plump
    Korruption im Sport ist vielschichtig. Die Anklagen der amerikanischen Staatsanwaltschaft etwa haben hauptsächlich Schmiergelder im Zusammenhang mit Fernsehrechten im Visier. Etwas was schon bei der FIFA eine wichtige Rolle spielte, wie der Konkurs des Schweizer Rechtemaklers ISL dokumentierte.
    Die deutsche Variante war wohl kreativer und nicht so plump. Franz Beckenbauer etwa fädelte als Chef des Bewerbungskomitees und gleichzeitig Präsident von Bayern München trickreiche Doppelpässe mit sich selbst ein. An einem Arrangement mit einem FIFA-Funktionär in Malta, dessen Stimme man für die WM-Vergabe brauchte, war unter anderem die Schweizer Fernsehrechte-Firma CWL beteiligt. Die bezahlte: 250.000 Dollar.
    Was immer daran gesetzwidrig gewesen sein mag: Es ist längst verjährt. Der echte Erkenntnisgewinn läge denn auch in etwas anderem. Nämlich in der Aufarbeitung der Frage: Wie hoch ist eigentlich der Schaden, wenn Korruption im Spiel ist? "Zehn Prozent ist die gängige Regel", sagt der Volkswirtschaftler Professor Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universität in Linz. "Auch wenn man andere Korruptionsfälle untersucht, ist zehn Prozent die gängige Regel. Das wird manchmal natürlich nach oben gedeckelt, wenn es in die Dutzenden von Milliarden geht."
    120 Milliarden Euro Schaden in Deutschland jährlich
    Schneider ist weltweit einer der führenden Korruptionsexperten und schätzt, dass allein in dem angeblich so sauberen Deutschland der Schaden für die gesamte Volkswirtschaft bei 120 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Geld, das illegal in privaten Kanälen versickert.
    Die Zahlen für den Sport sind im Vergleich dazu kleiner. Aber das korrupte System ist trotzdem teuer: Es kostet Arbeitern auf den Baustellen in der Wüste von Katar das Leben. Es treibt Fernsehrechtehändler in die Pleite oder betrügt den Staat um Steuern. Und noch eine Gruppe gehört zu den Opfern, sagt Schneider:
    "Die vielen tausend kleinen Vereine, die sich redlich bemühen, wo die wirklich versuchen, durch sportliche Leistungen nach oben zu kommen. Der Radsport ist das allerbeste Beispiel. Der ist so diskreditiert, dass die Jungen sagen, sie wollen kein Profi mehr werden. Denn dann muss ich irgendwann dieses Zeugs schlucken. Ich weiß nicht, was für Schäden ich dann kriege."